Foto: keystone-sda.ch

Rekordergebnis! Trotz klarem Sieg möchte niemand mit der FPÖ koalieren
Droht Österreich jetzt der Stillstand?

Die Nationalratswahl in Österreich bringen einen historischen Sieg für die FPÖ, aber auch eine grosse Herausforderung: die Regierungsbildung. Keine Partei will mit der FPÖ koalieren, was die politische Lage im Land kompliziert macht. Eine Analyse.
Publiziert: 29.09.2024 um 20:41 Uhr
|
Aktualisiert: 01.10.2024 um 14:14 Uhr
Die rechtspopulistische FPÖ («Freiheitliche Partei Österreichs») übertrifft unter Herbert Kickl (55) ihr bisher bestes Ergebnis von 1999 – und ist damit zum ersten Mal die stärkste politische Kraft Österreichs.
Foto: keystone-sda.ch
1/8
BlickMitarbeiter06.JPG
Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

«Die Österreicher haben heute Geschichte geschrieben.» Besser hätte FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz (40) die Ergebnisse der österreichischen Nationalratswahl am Sonntag nicht auf den Punkt bringen können. Es war eine historische Wahl.

FPÖ knöpft ÖVP die Wähler ab

Die rechtspopulistische FPÖ («Freiheitliche Partei Österreichs») übertrifft unter Herbert Kickl (55) ihr bisher bestes Ergebnis von 1999 – und ist damit zum ersten Mal die stärkste politische Kraft Österreichs. «Die Wähler haben ein Machtwort gesprochen», meldet sich Kickl am Sonntag zu Wort. Laut vorläufigem Endergebnis gingen 29,2 Prozent der Stimmen an die Partei.

Dabei interessant: «Nur» 50 Prozent der FPÖ-Stimmen kommen von Wählern, die bereits 2019 für die Rechtspopulisten stimmten. Das zeigt eine Umfrage von PULS 24, ATV und der Agentur Peter Hajek Public Opinion Strategies. Ganze 27 Prozent der Stimmen knöpfte die FPÖ ihrer stärksten Konkurrentin, der konservativen ÖVP («Österreichische Volkspartei») ab.

ÖVP-Schlappe mit Ansage

Was uns zum grossen Verlierer dieses Abends bringt: Die aktuelle Regierungspartei Österreichs muss eine herbe Niederlage bei den Nationalratswahlen hinnehmen. Die Partei von Kanzler Karl Nehammer (51) verliert über 11 Prozent ihrer Stimmen und kommt auf lediglich 26,5 Prozent. Das tut weh. «Das Ziel, erster zur werden, haben wir nicht erreicht. Das ist bitter», so ÖVP-Chef Nehammer.

Die Wahlschlappe der ÖVP kam allerdings mit Ansage. In den letzten Monaten verlor die Regierungspartei stark an Vertrauen und Zustimmung in der österreichischen Bevölkerung.

Regierungsbildung kann schwierig werden

Trotz der glasklaren Wahlergebnisse stehen die Parteien vor einer grossen Herausforderung: der Regierungsbildung. In Österreich ist es üblich, dass der Bundespräsident – aktuell Alexander Van der Bellen (80) – den Kanzler ernennt und den Auftrag der Regierungsbildung an die stimmenstärkste Partei übergibt. Im Jahr 2024 wäre das also die FPÖ. Hat Kickl also sein Ziel, «Volkskanzler» zu werden, erreicht?

Nicht so ganz. Denn die Sache hat einen grossen Haken: Keine einzige österreichische Partei möchte mit der FPÖ – oder besser gesagt mit Kickl – koalieren. Und das, obwohl Kickl für alle Möglichkeiten offen sei, wie er selbst am Sonntag betont: «Unsere Hand ist ausgestreckt, in alle Richtungen. Ich bin für Gespräche mit allen bereit.»

Doch sogar die ÖVP, die in der Vergangenheit bereits mit der FPÖ koalierte, lehnt eine Zusammenarbeit am Sonntag nochmals klar ab: «Das war gestern so und das ist heute so und morgen wird es noch immer so sein», sagte ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker (64) zum österreichischen Sender ORF. Auch ÖVP-Chef Nehammer betonte noch vor den Wahlen: «Kickl ist nicht in der Lage, Regierungsverantwortung zu tragen.» Wie lässt sich die Gretchenfrage nach der Koalition beantworten?

Es gilt als wahrscheinlich, dass die konservative ÖVP und Kanzler Nehammer erneut von Bundespräsident Alexander Van der Bellen (80) den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten. Diese Aufgabe würde aber auch für die ÖVP nicht leicht werden. Denn die «Grosse Koalition», bestehend aus ÖVP und SPÖ hätte nur eine knappe Mehrheit.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?