Migrantin in Not – US-Nationalgarde schaut nur zu
2:48
Ihr Kind schreit um Hilfe:Migrantin in Not – US-Nationalgarde schaut nur zu

Republikaner sprechen schon von Bürgerkrieg
Texas meutert wegen Migranten offen gegen die Biden-Regierung

Seit Monaten gärt ein Konflikt um die Grenzsicherung in Texas. Während der republikanisch geführte Staat Stacheldraht zieht, will Washington den Zaun wieder abreissen. Texas verwehrt der US-Grenzwacht jedoch den Zutritt. Jetzt droht der Zwist zu eskalieren.
Publiziert: 28.01.2024 um 18:23 Uhr
|
Aktualisiert: 29.01.2024 um 08:17 Uhr
Blick_Portrait_1329.JPG
Myrte MüllerAussenreporterin News

An der texanischen Grenze zu Mexiko spielen sich dramatische Szenen ab. Die texanische Nationalgarde verweigert US-Grenzwächtern den Zutritt ans Ufer des Rio Grande. Die US-Regierung will einen kilometerlangen Stacheldraht wieder abreissen, der Migranten aus Mexiko abhalten soll; Texas will genau das verhindern. An der Grenze stehen sich darum bewaffnete US-Regierungsorganisationen gegenüber. Einige Politiker sprechen schon von Bürgerkrieg. Droht eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen den Grenzwächtern? Blick hat die wichtigsten Fragen beantwortet.

Was ist am Rio Grande passiert?

Um die steigenden Migrantenzahlen (2,5 Mio. Menschen erreichten 2023 Texas) einzudämmen, ergriff der republikanische Gouverneur Greg Abbott (66) 2023 drastische Massnahmen. Er liess am Ufer des Grenzflusses kilometerweit rasierklingenscharfen Stacheldraht ziehen. Auch eine Bojen-Barriere im Flussbett mit angebrachten Kreissägeblättern soll Migranten das Hinüberschwimmen auf US-Gebiet erschweren.

Nur: Die sogenannte Anti-Einwanderungsoperation «Operation Lone Star» (OLS) von Texas verstösst gegen Bundesrecht. Denn die Migration ist in den USA Bundessache und nicht Angelegenheit der jeweiligen Grenzstaaten.

Nationalgardisten des Bundesstaates Texas bewachen in Eagle Pass den Shelby Park, wo Migranten, die über den Grenzfluss Rio Grande in die USA fliehen wollten, aufgefangen werden.
Foto: Anadolu via Getty Images
1/2
Texanische Soldaten laden weiterhin Stacheldraht am Ufer des Rio Grande ab. Dort wurde der Zaun bereits über viele Kilometer an die Grenzmauer gesetzt.
Foto: Getty Images
1/18

Was steckt hinter der «Operation Lone Star»?

An der Operation sind 10'000 Beamte der texanischen Nationalgarde beteiligt. Ihr Grenzeinsatz läuft seit 2021 und kostet den Bundesstaat nur zwei Milliarden US-Dollar im Jahr.

Die Erfolgsbilanz lasse sich sehen, vermeldet die texanische Regierung. Man habe rund eine halbe Million Migranten gefasst, knapp 38'700 Verbrecher verhaftet und 454 Millionen Päckchen der Droge Fentanyl sichergestellt. Die Migrantenzahlen seien 2022 nur um neun Prozent gestiegen – wenig im Vergleich zum Zuwachs von 62 Prozent in den Grenzstaaten Arizona, Kalifornien und New Mexico.

Was stört Joe Biden am texanischen Alleingang?

Nach US-Bundesrecht sind nur die Grenzpolizisten befugt, ankommende Migranten zu überprüfen – und nicht die Nationalgarde eines Bundesstaates. Aus humanitären Gründen lehnte die Biden-Regierung zudem den Menschen verletzenden Stacheldraht sowie die «schwimmende Wand» ab und klagte bereits vor Monaten. Das Oberste Gericht gab Washington recht. Es verfügte, dass die Bundesbehörde den Stacheldraht wieder entfernen darf.

Texas aber rebelliert. US-Präsident Joe Biden (81) habe jahrelang Hunderttausende Migranten ins Land gelassen, so Greg Abbott in US-Medien. Texas nehme es selbst in die Hand. Der Gouverneur und Trump-Freund pfeift auf das Urteil des Supreme Court und blockiert Bidens Grenzpolizei bei der Ausübung ihrer Arbeit.

Wie könnte Joe Biden die Meuterei niederschlagen?

Normalerweise untersteht die Nationalgarde dem jeweiligen Bundesstaat. Doch durch Anwendung des sogenannten Titel-10-Status könnte die US-Regierung die Nationalgarde eines Bundesstaates aus Gründen der inneren Sicherheit «föderalisieren» – also unter Bundeskommando stellen – und somit dem Gouverneur die Befehlskraft entziehen. Unter den Demokraten wird der Ruf nach dem Titel-10-Status lauter.

Noch hat Biden nichts entschieden. Mit gutem Grund: Greg Abbott weiss eine grosse Mehrheit der Republikaner auf seiner Seite. So erklärten sich noch am letzten Donnerstag 25 der 26 republikanischen Bundesstaaten öffentlich solidarisch mit den texanischen Rebellen. Im Wahlkampf könnte der Graben durch die USA zum politischen Pulverfass werden.

Warum warnen Republikaner vor einem Bürgerkrieg?

Viele Trump-Anhänger glauben, dass Joe Biden über Wahlbetrug an die Macht kam, und applaudierten dem Sturm aufs Kapitol im Januar 2021. Eine Umfrage von «Economist» und YouGov ergab: 54 Prozent der befragten Republikaner halten einen Bürgerkrieg in den kommenden Jahren für wahrscheinlich.

Der republikanische Politiker Carl Higbie (40) droht, dass die Meuterei der Texaner gegen die Biden-Regierung einen Bürgerkrieg auslösen könnte, sollte Biden den «Titel-10-Status» anwenden. Die Gouverneurin von South Dakota Kristi Noem (52) nennt Texas bereits ein «Kriegsgebiet». Laut Gouverneur John Kevin Stitt (51), würden auch sein Bundesstaat Oklahoma, Tennessee, Florida und andere Grenzstaaten ihre Nationalgarden gegen das Weisse Haus mobilisieren.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Liebe Leserin, Lieber Leser
Der Kommentarbereich von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast. Noch kein Blick+-Abo? Finde unsere Angebote hier:
Hast du bereits ein Abo?