Schulz war gut, Merkel besser
Darum geht das TV-Duell an die Kanzlerin

Martin Schulz hat im TV-Duell mit Angela Merkel besser abgeschnitten als erwartet. Dennoch geht die Debatte an die Kanzlerin. Die inhaltlichen Unterschiede waren nicht sehr gross.
Publiziert: 03.09.2017 um 23:55 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 16:49 Uhr
Johannes von Dohnanyi

Die amtierende Bundeskanzlerin Angela Merkel hat das erste und einzige TV-Wahlkampfduell mit dem sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten mit 55 Prozent der Zuschauerstimmen für sich entschieden (Schulz erreicht laut ARD-Umfrage bloss 35 Prozent). Das Publikum bescheinigte der deutschen Regierungschefin hohe Sachkompetenz und Glaubwürdigkeit.

Herausforderer Martin Schulz schlug sich nach Ansicht der Zuschauer überraschend besser als erwartet. Trotzdem: Die sozialdemokratischen Chancen, die zur Zeit fast 16 Prozentpunkte Rückstand auf die CDU bis zu den Bundestagswahlen am 24. September noch auszugleichen, haben sich auch nach diesem Abend insgesamt nicht wesentlich verbessert.

Mehr Profil dank Moderatoren-Fragen

Unbestreitbar ist, dass Schulz aus einer ungünstigen Position heraus startete: In zwei der drei Regierungen unter Angela Merkel seit 2005 waren die Sozialdemokraten als Juniorpartner beteiligt. Ihre Arbeit konnte Schulz also nicht insgesamt schlechtreden. Mehr als Detailkritik an der Arbeit der Grossen Koalition war nicht drin.

Gleich vier gestandene deutsche TV-Moderatoren haben Merkel und Schulz in die Mangel genommen.
Foto: AP Photo

Immerhin: Das Fragenfeuerwerk von satten vier Moderatoren brachte auch klare Positionen und Versprechungen. 

So legte sich Merkel darauf fest, dass es unter ihrer Führung keine Verlängerung der Lebensarbeitszeit auf 70 Jahre geben werde. Eine entsprechende Forderung hatte der Wirtschaftsflügel der CDU im vergangenen Jahr erhoben. 

Und Martin Schulz, der mit dem Versprechen auf mehr soziale Gerechtigkeit angetreten ist, sagte eine Steuerreform zu, die geringe und mittlere Einkommen entlasten würde. Deutschland brauche hohe Investitionen in das Bildungssystem, sagte der SPD-Kandidat unter anderem. 

Beide wollen wegen Diesel-Affäre handeln

Gleicher Meinung waren die beiden Duellanten bei dem Thema, dass die Deutschen zur Zeit wohl so aufregt wie kein zweites: der Diesel-Abgasskandal. Das Management der grossen deutschen Autohersteller habe die Kunden, die Politik und die eigene Industrie betrogen, so der Tenor von Merkel und Schulz. Er werde sich, versprach Schulz, für die Einführung der Möglichkeit einer Sammelklage nach amerikanischem Vorbild einsetzen. Dass dies, wie Merkel betonte, nach geltendem deutschen Recht nur schwer möglich sein wird, nahm der Sozialdemokrat zwar zur Kenntnis, ohne aber von seinem Versprechen abzurücken.

Foto: KEY

Unterschiede zwischen den Beiden gab es aber auch in der Frage, wie mit den durch die Abgasmanipulation entstandenen Schäden für die Autofahrer umzugehen sei. Schulz forderte eine höhere „Abwrackprämie“ für die betroffenen Fahrzeuge, als dies von der Industrie bisher angeboten werde. Merkel warnte, dass der Betrug die deutsche Fahrzeugindustrie insgesamt gefährdet habe. «800.000 Arbeitsplätze müssen erhalten werden. Dafür arbeite ich.»

«Das ist die Sprache, die Erdogan versteht» 

Differenzen gab es auch beim Thema Türkei. So erklärte Schulz kategorisch, im Fall des Wahlsieges die Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei abbrechen zu wollen. Er werde, sagte der SPD-Kandidat, bei den europäischen Partnern auch dafür werben, die von Brüssel versprochenen Vorleistungen in Milliardenhöhe zu stoppen. Der türkische Präsident Recep Tayyib Erdogan trete inzwischen alle Grundwerte der EU mit Füssen.

Angela Merkel und Martin Schulz standen sich im einzigen TV-Duell vor den Wahlen gegenüber.
Foto: Keystone

An diesem Punkt konnte Kanzlerin Merkel sich den Hinweis nicht verkneifen, dass sie schon immer gegen eine türkische Mitgliedschaft in der EU gewesen sei. Schon in den nächsten Tagen will sie innerhalb der noch regierenden grossen Koalition und in Brüssel für ein Ende der Vorleistungszahlungen an Ankara, aber auch für grösseren wirtschaftlichen Druck auf die Türkei werben: «Das ist die Sprache, die Erdogan versteht.» Allerdings, sagte die Kanzlerin, wolle sie alles dafür tun, dass die Tür von Erdogan und nicht der deutschen Regierung zugeworfen werde.

Thema Flüchtlinge: Merkel würde wieder so handeln

Wie zu erwarten, nahm das Thema der deutschen Flüchtlingspolitik in den vergangenen Jahren grossen Raum in der Debatte ein. Noch einmal verteidigte die Kanzlerin ohne Wenn und Aber ihre Entscheidung im Spätsommer 2015, die deutschen Grenzen für die Flüchtlinge zu öffnen. «Es gibt für den Regierungschef einfach Situationen, in denen er oder sie eine Entscheidung fällen muss.» Sie würde, fügte Merkel an, auch heute wieder genauso entscheiden.

DARF NICHT MEHR VERWENDET WERDEN
Foto: REUTERS

Sowohl Schulz als auch Merkel versprachen in ihren Beiträgen, im Falle eines Wahlsiegs die Abschiebung islamistischer Gefährder und Straftäter zu beschleunigen. «Solche Leute haben bei uns nichts verloren. Sie müssen weg», redete sich Schulz fast schon in Rage. Er musste dann allerdings auch zugeben, dass es oft nicht am Willen der Regierenden, sondern an den gesetzlichen Regeln liegt, wenn Abschiebungsentscheide nicht unmittelbar umgesetzt werden können. «Der islamistische Terror ist eine Geissel, der wir mit Entschlossenheit entgegentreten müssen», betonte Merkel, die allerdings, wie Schulz auch, vor der Hoffnung auf schnelle Lösungen warnte.

Einigkeit im Umgang mit den USA 

Und bei allem Unmut über die Politik von US-Präsident Trump warnte sie davor, internationale Krisen wie die in Nordkorea, in Afghanistan oder Syrien ohne die USA lösen zu wollen. Nicht nur in der Klimapolitik gebe es ernsten Dissens mit dem Weissen Haus, gab sie zu. Und deshalb müsse Europa zusammenstehen, um mehr Gewicht auf der internationalen Bühne zu bekommen. «Ohne die USA wird es allerdings nicht gehen.» 

Auch wenn Martin Schulz, der ja nicht in der Regierungsverantwortung steht, sich drastischer über die Trump-Regierung äusserte - im Endeffekt konnte er der Position der Kanzlerin nur zustimmen. 

Und so summierte sich am Ende die Regierungserfahrung von Angela Merkel und ihre besonnene und nie aufgeregte Führung in Berlin dazu, dass sie die Debatte mit SPD-Kandidat Martin Schulz nach 90 Minuten als Siegerin für sich entschied.

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