Schweizer Fotograf erzählt
So ist Grönland wirklich

Trump will Grönland kaufen. Absurd, findet auch Jonas Kambli (39). Der Fotograf kennt die Insel. Zwei Monate lang lebte er mit den Einheimischen zusammen, im Einklang mit der Natur, abgeschottet von der Aussenwelt. Uns erzählte er von seinen Erlebnissen.
Publiziert: 24.08.2019 um 14:59 Uhr
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Aktualisiert: 06.04.2021 um 16:21 Uhr
Livia Fischer

Die Idee, eine Insel kaufen zu wollen, finde ich per se komisch. Ich frage mich, was die Grönländer davon halten. Wie fühlen sie sich, wenn der amerikanische Präsident ihr Land zu seinem eigenen machen will? Von der Nachricht gehört haben sie bestimmt. Sie sind zwar ein Naturvolk, die Digitalisierung hat aber auch vor Grönland nicht haltgemacht. Praktisch jeder besitzt ein Smartphone. Für sie ist das Internet das Tor zur Welt.

Grönland. So weit entfernt und so reizvoll. Schon als kleiner Junge hat mich das Land fasziniert. Diese weisse, heile Welt. Was passiert, wenn Tradition und Moderne aufeinanderprallen? Gerade aus fotografischer Sicht habe ich mir das spannend vorgestellt. Ich wollte die Eislandschaft mit eigenen Augen sehen. Vor allem aber wollte ich wissen, wie die Leute dort leben. Also beschloss ich vor acht Jahren, den Winter im Norden Grönlands, in Uummannaq, zu verbringen. Dann, wenn sich die Sonne für 68 Tage nicht zeigt.

Soziales Leben – ja, aber nur drinnen

Wer im Winter nach Uummannaq will, muss mit dem Helikopter fliegen. Abflug einmal wöchentlich. Im Sommer, wenn der Fjord aufgetaut ist, fahren die Bewohner mit ihren Booten zu den nächsten Siedlungen. 20 bis 24 Kilometer entfernt vom 1300-Seelen-Dorf. Ich habe die Grönländer als offene Leute erlebt. Allerdings erst nach einiger Aufwärmzeit. Zu Beginn fiel es mir schwer, den Zugang zu finden. Sie waren skeptisch, waren sich meiner Absichten unsicher. Kommuniziert habe ich wenn möglich in englischer Sprache – meist aber mit Händen und Füssen. Ich versuchte Grönländisch zu lernen, bin aber kläglich gescheitert.

Der Berg Ummannaq ist das Wahrzeichen des gleichnamigen Dorfes. Seine Form soll eine Robbenflosse verkörpern.
Foto: © Jonas Kambli
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Die Familie steht für die Menschen im Mittelpunkt, der Zusammenhalt ist stark. Sie sind stolz auf ihre Kultur, auf ihre Wurzeln. Viele Junge sind deshalb im Clinch. Sie bekommen das Weltgeschehen mit, leben aber abgeschottet. Weit weg von ihren Träumen. Diese Zerrissenheit mit anzusehen, tat weh.

Das soziale Leben der Grönländer findet im eigenen Wohnzimmer, in öffentlichen Aufenthaltsräumen oder in der Turnhalle der Schule statt. Manche musizieren, vor allem Heavy Metal findet Anklang. Ein Mann konnte auf seiner E-Gitarre sogar Rammstein spielen. Im Dorf gibt es ein Pub und eine Disco. Dort trifft der Fischer in seinem Überkleid und den Gummistiefeln auf aufgebrezelte Frauen.

Robbenfleisch, Walhaut und Fast Food

Eine grosse Auswahl an Berufen gibt es nicht. Zumindest nicht in Uummannaq. Im Süden, etwa in der Hauptstadt Nuuk, ist die Situation leicht anders. Hier wird man Jäger, Fischer, Lehrer oder ist für die Gemeinde oder im Spital tätig. Die Arbeitslosenrate ist relativ hoch, und so mancher hat mit Alkoholproblemen zu kämpfen.

Apropos Jäger und Fischer: Bei vielen Einwohnern kommt der Fang zum Abendessen auf den Tisch, serviert mit einer Portion Reis. Vor allem Mattek, eine Fleischspezialität aus Walhaut und -schwarte, ist beliebt. Gegessen wirds roh, mit etwas Aromat. Ganz ehrlich? Für mich schmeckte es wie ein Schluck Salzwasser mit Fischgeschmack. Die Konsistenz ist zäh. Die Alternative: Fast Food aus dem Supermarkt. Dort gibt es tiefgekühlte Pizzen oder Hamburger sowie Süssigkeiten zu kaufen.

Der schönste Moment meiner Reise war, als die Sonne zum ersten Mal nach langer Zeit wieder aufgegangen ist. Das ganze Dorf feierte, begrüsste die Sonne. Auch die Natur mit all dem Eis und den Nordlichtern war atemberaubend. Fast schon surreal. Hier ist man noch gezwungen, im Einklang mit der Natur zu leben. Sie ist riesig. Und du als Mensch plötzlich nur noch sehr klein und unwichtig. Ein befreiendes Gefühl.»

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