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«Sirrende Geräusche von den Kampfjets»
So erlebte Blick-Journalistin Olha Petriv (36) den Krieg

Die ukrainische TV-Journalistin Olha Petriv (36) ist vor dem Krieg in die Schweiz geflohen. Geholfen hat ihr dabei ihre Familie – und ein unbekannter Mann am Bahnhof von Kiew.
Publiziert: 23.05.2022 um 00:41 Uhr
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Aktualisiert: 23.05.2022 um 10:12 Uhr
Sven Ziegler

Wut, Trauer, Verzweiflung – plötzlich brechen die Emotionen aus Olha Petriv (36) heraus. Sie hat Tränen in den Augen. Eine Stunde lang erzählt sie auf dem Balkon der Wohnung in Adliswil ZH ihre Geschichte, von ihrer langen Reise hierher in die sichere Schweiz. Olha Petriv ist aus der Ukraine geflohen. Vor dem Krieg, vor den Bomben. Vor Putins Truppen.

Petriv ist in Kalusch aufgewachsen. Die Stadt mit 60'000 Einwohnern liegt ganz im Westen der Ukraine. Mit 17 Jahren zieht es Petriv in die ukrainische Hauptstadt Kiew. Ihr Ziel ist klar: Sie will TV-Reporterin werden. Die junge Frau studiert, schafft es anschliessend zum TV-Channel 5, einem der grössten Fernsehsender des Landes. Dass Petriv zuerst als fest angestellte und später als freie Journalistin über die bewegendsten Jahre der Ukraine berichten wird, ahnt sie noch nicht.

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Im Osten des Landes erlebt sie erstmals den Krieg

Im November 2013 brechen in der Ukraine Proteste aus. Die prorussische Regierung weigert sich, ein Assoziierungsabkommen mit der EU zu unterzeichnen. Hunderttausende Einwohner des Landes gehen auf die Strasse. Und Petriv ist mittendrin. Sie sieht, wie Hunderte Protestler von den Sicherheitskräften erschossen werden. Wie der damalige Präsident Viktor Janukowitsch (71) aus dem Land gejagt wird. «Wir alle dachten: Jetzt bricht eine neue Zeit an. Das war auch so – aber es kam nicht so, wie wir meinten», erinnert sie sich heute.

Die ukrainische Journalistin Olha Petriv (36) ist aus der Ukraine geflohen.
Foto: Philippe Rossier
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Im Osten des Landes brechen Kämpfe aus. Prorussische Separatisten liefern sich im Donbass Kämpfe mit der ukrainischen Armee. «Ich bin durch Luhansk und Donezk gereist, habe das Elend der Leute gesehen. Tausende Ukrainer sind gestorben, viele geflüchtet. Manche haben sich in Butscha oder Kiew niedergelassen, hofften dort auf ein besseres Leben.» Petriv erlebt den Krieg als Journalistin hautnah mit.

Ende vergangenen Jahres beginnt Russland dann damit, Truppen an den ukrainischen Grenzen zusammenzuziehen. «Seit Monaten gab es Alarmsignale», erinnert sich Petriv heute. «Doch wir haben diese ignoriert. Niemand hat geglaubt, dass es wirklich einen Krieg ausserhalb der Donbass-Region geben könnte.»

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Alle wollen raus aus Kiew

Am 24. Februar um 5 Uhr morgens erwacht Petriv. Sie hört Explosionen, denkt zuerst an Feuerwerk. Sie blickt aus dem Fenster ihrer Wohnung nahe des internationalen Flughafens Boryspil. Doch da war kein Feuerwerk. Nur Raketen und Panzer. «Ich bin im Frieden eingeschlafen und im Krieg aufgewacht», sagt sie. Petriv ruft ihre Mutter an, diese weint. «Sie meinte, ich solle einen Flug nehmen und aus dem Land fliehen. Ich habe verzweifelt gelacht und ihr gesagt, es gebe keinen Flug mehr. Es gebe keinen Flughafen mehr. In diesem Moment habe ich nur gedacht: Wir müssen weg. Egal, wie, aber schnell.»

Gemeinsam mit ihrer Schwester Iryna (41) verstaut sie die wichtigsten Dinge in einem Rucksack. Irynas Kindern Sophia (13) und Kyle (10) sagen die Schwestern, dass sie gemeinsam zu den Grosseltern fahren. Sie bleiben betont ruhig, wollen keine Panik erzeugen. Doch als Petriv kurz auf den Balkon im 19. Stock ihres Wohnhauses tritt, sieht sie unter sich Menschen. Sie rennen, fahren mit Autos davon. Alle wollen raus aus Kiew.

Schnell wird klar: Mit dem Auto sind die 700 Kilometer bis nach Kalusch nicht zu schaffen. Also fahren sie zu einer Freundin von Iryna. «Unterwegs haben wir gegoogelt, was wir tun müssen, wenn eine Bombe in der Nähe von uns einschlägt. Es gab laute, sirrende Geräusche von den Kampfjets, die direkt über uns geflogen sind. Die Kinder versteckten sich instinktiv unter ihren Rucksäcken.» Bei Irynas Freundin verriegeln sie die Fenster, überlegen sich die nächsten Schritte. Nach zwei Tagen ziehen sie weiter, an den Hauptbahnhof von Kiew.

Hauptsache, weg vom Krieg

«Als wir am Bahnhof ankamen, herrschte pures Chaos», erinnert sich Petriv. Überall hätten Menschen gestanden, hätten sich in Züge Richtung Westen gequetscht. Als sich die Familie von den Gleisen entfernt, spricht sie ein Mann an. Petriv erinnert sich nicht mehr an ihn, wohl aber an seine Worte. «Er sagte uns, wir müssten in den Zug einsteigen und fliehen. Er meinte: ‹Wo wollt ihr hin? Zurück nach Kiew, in die Stadt? Bald herrscht überall Krieg. Steigt ein und flieht.›» Also steigt Petriv mit ihrer Schwester und den beiden Kindern in den Zug. 13 Stunden lang quetschen sie sich zwischen die anderen Menschen. Bis nach Kalusch.

Eine Woche lang hält es Petriv in Kalusch aus. Dann reist sie weiter nach Lwiw. Sie will helfen. Sie schmiert Brote, schenkt heisse Getränke aus. «Die Leute kamen mit neugeborenen Kindern im Arm. Es war Anfang März und bitterkalt. Keiner wusste, wohin er fliehen sollte – Hauptsache weg vom Krieg.»

Nach zwei Wochen ist für Petriv klar: Sie und ihre Familie müssen die Ukraine verlassen. Ihr Ziel: die Schweiz, wo Petrivs langjähriger Partner lebt. Genau einen Monat nach Kriegsausbruch, am 25. März 2022, überquert die Familie die Grenze nach Ungarn. Am Flughafen von Budapest checken sie das wenige Gepäck ein.

Olha Petriv und ihre Schwester Iryna mit den beiden Kinder kommen schliesslich bei Olhas Freund in Adliswil ZH unter. Olha und ihr Freund schlafen auf einer Luftmatratze im Arbeitszimmer, das Schlafzimmer überlassen sie den anderen. «Wenn man in der Not ist, braucht man plötzlich nicht mehr viel», sagt Petriv heute.

«Olha erklärt die Schweiz» – das neue Format auf Blick TV

Tausende Flüchtlinge aus der Ukraine sind bereits in die Schweiz eingereist. Viele von ihnen kommen direkt aus dem Krieg, haben Leid und Not miterlebt. In ihrer neuen Heimat fehlt die Orientierung: Wie komme ich an Essen? Wie erhalte ich finanzielle Unterstützung, kann ich ein Bankkonto eröffnen oder eine SIM-Karte kaufen? Und wie funktioniert das mit den Behörden? Bei wem muss ich welches Formular einreichen, um unter dem Schutzstatus S aufgenommen zu werden? Im neuen Blick-TV-Format «Olha erklärt die Schweiz» bringt die ukrainische TV-Journalistin Olha Petriv (36) zweimal pro Woche geflüchteten Menschen das Land näher –einfach, unkompliziert und in ukrainischer Sprache.

Philippe Rossier

Tausende Flüchtlinge aus der Ukraine sind bereits in die Schweiz eingereist. Viele von ihnen kommen direkt aus dem Krieg, haben Leid und Not miterlebt. In ihrer neuen Heimat fehlt die Orientierung: Wie komme ich an Essen? Wie erhalte ich finanzielle Unterstützung, kann ich ein Bankkonto eröffnen oder eine SIM-Karte kaufen? Und wie funktioniert das mit den Behörden? Bei wem muss ich welches Formular einreichen, um unter dem Schutzstatus S aufgenommen zu werden? Im neuen Blick-TV-Format «Olha erklärt die Schweiz» bringt die ukrainische TV-Journalistin Olha Petriv (36) zweimal pro Woche geflüchteten Menschen das Land näher –einfach, unkompliziert und in ukrainischer Sprache.

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