Löscharbeiten nach Raketen-Angriff in Charkiw
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Russland schlägt erneut zu:Löscharbeiten nach Raketen-Angriff in Charkiw

Soldat in Charkiw packt aus
So kämpfen Ukrainer gegen Putins Eliteeinheit

Am 10. Mai marschierten russische Spezialeinheiten in der Region der ukrainischen Grossstadt Charkiw ein. Ein Soldat erlebte einen Kampf gegen Putins Bodenoffensive – nun erzählt er von dem überraschenden Angriff.
Publiziert: 23.05.2024 um 14:45 Uhr
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Aktualisiert: 23.05.2024 um 15:55 Uhr
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Natalie ZumkellerRedaktorin News

Drago (24) ist Kommandant der ukrainischen Spezialeinheit «Kraken-Kompanie», die auf Nachtjagd spezialisiert ist – lange war er im Donbass stationiert. Bereits bevor Putin vor fast zwei Wochen mit seiner Bodenoffensive in Charkiw begann, wurde Drago mit seiner Einheit in die Region im Osten des Landes versetzt.

Gegenüber der britischen «Times» erzählt er von einem überraschenden Kampf gegen die russische Spezialeinheit «Speznas». So hätten er und seine Männer die Truppen bereits seit längerer Zeit beobachtet – diese haben sich just hinter der Grenze formiert.

«Sie kamen durch die Sümpfe und Bäume, fast unbemerkt»

Angreifen konnten sie die Russen jedoch nicht – die ATACMS-Raketen der USA dürfen wegen eines Verbots in dem Gebiet bisher nicht eingesetzt werden. «Wir mussten warten, bis sie über die Grenze kamen», erklärte der 24-Jährige.

Eine ukrainische Spezialeinheit traf nahe der russischen Grenze auf eine Eliteeinheit Putins. (Symbolbild)
Foto: IMAGO/ZUMA Wire
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Als die russischen Einheiten am 10. Mai dann vorrückten, trafen sie im Dorf Krasne auf Dragos «Kraken-Kompanie». Die russische Artillerie begann um 3 Uhr morgens mit dem Beschuss – und überraschte damit die ukrainischen Truppen. Diese hatten mit einem Frontalangriff mit Fahrzeugen gerechnet.

«Sie kamen durch die Sümpfe und Bäume, fast unbemerkt von unseren Angriffsdrohnen», so Drago. Bis zur Dämmerung konnten die Ukrainer standhalten – dann tauchte plötzlich Putins Eliteeinheit auf.

Von hinten angegriffen

Rund 20 Männer umfasste die «Speznas»-Einheit, welche Dragos sechsköpfiges Team von hinten angriff. Dieses musste sich aufteilen. Schnell fanden sie sich jedoch in einem Grabensystem von Putins Männern umstellt. Den Versuch Dragos, sich freizuschiessen, beantworteten die Russen mit Granaten.

Durch die angeforderte Artillerieunterstützung schaffte es die Einheit des jungen Mannes, in Deckung zu gehen. «Die Artillerie tötete mindestens drei von ihnen, und sie zogen sich zurück». Doch auch die ukrainische Seite verlor bei dem Kampf einen Soldaten, einem zweiten wurde in die Lunge geschossen.

Versorgte Verwundeten unter Granatenbeschuss

Der Verlust macht Drago zu schaffen: «Zuerst war mein Kopf leer. Es war so hart, meinen Freund tot auf dem Boden liegen zu sehen. Ich war erschöpft und am Boden zerstört, dass der Mann, der hierhergekommen war, um uns zu retten, gestorben war.» Er sei sich aber bewusst gewesen, dass er das Leben des Verwundeten retten musste – er zog ihn in einen Graben und versorgte seine Wunde.

Dort wurde er von einer Granate getroffen – dabei erlitt Drago eine Gehirnerschütterung und verlor seine Waffe. Mit einer Kalaschnikow eines toten Russen kämpfte er jedoch weiter. Gleichzeitig traf ein erstes Evakuierungsfahrzeug ein, das einen Teil der ukrainischen Truppe aus dem Gebiet bringen konnte.

Dragos Männer schafften es jedoch nicht in das Fahrzeug. Unter Beschuss und gut sichtbar für die Russen stellte sich der 24-Jährige auf eine nahe gelegene Brüstung. Durch die riskante Aktion signalisierte er einem zweiten Evakuierungsfahrzeug seine Position. Durch eine Rauchgranate, die der Einheit Sichtschutz gab, gelang es Dragos Einheit schlussendlich, das Dorf zu verlassen.

Verteidigung einer Hochebene als oberste Priorität

Die «Kraken-Kompanie» hielt die Russen 16 Stunden lang auf – dies gab weiteren ukrainischen Truppen und Eliteeinheiten Zeit, sich aufzustellen. Nun geht es um die Verteidigung einer Hochebene, die, sollten die Russen sie einnehmen, einen freien Beschuss auf die Grossstadt Charkiw ermöglichen würde.

Drago ist dabei zuversichtlich: «Es ist ein hartes Stück Arbeit, aber wir haben die Lage entlang der Frontlinie stabilisiert, und andere Einheiten sind zur Unterstützung eingetroffen. Sie greifen immer noch von verschiedenen Seiten an, aber wir versuchen auch, ihre Schwachstellen zu finden, um die Front zu erweitern und sie zurückzudrängen.»

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