«Wir schauen der US-Demokratie beim Sterben zu»
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Politik-Experte Thomas Greven:«Wir schauen der US-Demokratie beim Sterben zu»

Politik-Experte über den Konservativen-Kongress
«Wir schauen der US-Demokratie beim Sterben zu»

Für Donald Trump sind die USA in «vielerlei Hinsicht eine Dritte-Welt-Nation». Das sei, so schildert der Ex-Präsident der USA an der Conservative Political Action Conference, natürlich nur passiert, weil er nicht mehr an der Macht sei.
Publiziert: 07.08.2022 um 12:02 Uhr
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Aktualisiert: 07.08.2022 um 17:42 Uhr

Alles laufe schief: Wahlen, Wirtschaft, Kriminalität. Schuld sei – so lamentiert Trump bei einer Konferenz Rechtskonservativer in Texas am Wochenende – die «radikale Linke». Damit sind mehr oder minder alle gemeint, die nicht ultrakonservativ sind. Und er hat eine Warnung parat, die es in sich hat: «Was wir in den nächsten Monaten und Jahren tun, wird darüber entscheiden, ob die amerikanische Zivilisation zusammenbricht oder scheitert, oder ob sie triumphiert und gedeiht.» Trump schürt Angst – so wie seine Vorredner in Dallas.

«Wir müssen es vielleicht nochmal tun»
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Will Trump erneut kandidieren?«Wir müssen es vielleicht nochmal tun»

Auf der «Conservative Political Action Conference» (CPAC) jubelt das Publikum dem 76-Jährigen zu. Rund zwei Stunden redet er, etwa 1000 Menschen sitzen im Saal. Nicht alle Stühle sind besetzt, nicht alle Zuschauerinnen und Zuschauer bleiben bis zum Schluss. Trump ist der Hauptredner, am Donnerstag eröffnete kein Geringerer als Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban die Konferenz und rief zum Kampf gegen liberale Werte auf. Damit ist der Sound gesetzt. Zuvor hatte Trump Orban noch in seinem Golfresort im US-Bundesstaat New Jersey empfangen. Beide kommen auf der CPAC mit geradezu apokalyptischen Untergangsszenarien um die Ecke. Daher müsse die «radikale Linke» mit aller Kraft bekämpft werden, mahnen sie.

Trump und Orban waren die wichtigsten Gäste in Dallas
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CPAC-Konferenz:Trump und Orban waren die wichtigsten Gäste in Dallas

Die Veranstalter der CPAC beschreiben das Treffen zwar «als eine der grössten und einflussreichsten Zusammenkünfte von Konservativen weltweit». Gemässigte Konservative sucht man auf der Konferenz aber fast vergeblich. Dort kommen Rechtsnationale, Verschwörungstheoretiker und auch religiöse Rechte zusammen. In einem riesigen Hotelkomplex am Stadtrand versammeln sich gut drei Tage lang Hunderte Menschen, um sich zu vernetzten und ihren Idolen zu lauschen – unter denen sind die für Verschwörungstheorien bekannte US-Abgeordnete Marjorie Taylor Greene, die sich als «christliche Nationalistin» bezeichnet, und der Trump-Gefährte Steve Bannon.

Ex-Präsident Donald Trump setzte bei der «Conservative Political Action Conference» (CPAC) in Texas auf Furcht.
Foto: Anadolu Agency via Getty Images
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Ethik-Professor zu CPAC:Vernetzung über Landesgrenzen hinaus ist gefährlich

Vereint durch hasserfüllten Kampf

Bei der CPAC gibt es kaum Grenzen, und auch Anstand scheint hier streckenweise ein Fremdwort zu sein: Hier werden T-Shirts verkauft, auf denen US-Präsident Joe Biden mit Hitlerbart abgebildet ist. «Nicht mein Diktator», steht da drauf. Daneben hängt ein Shirt mit der Aufschrift: «Joe and the Hoe gotta go». Das heisst so viel wie «Joe und die Hure müssen gehen.» Damit ist Vize-Präsidentin Kamala Harris gemeint. Das englische Wort «Hoe» bedeutet auch Gartenhacke, doch das dürfte hier kaum gemeint sein. Einen Stand weiter ziert das Gesicht der demokratischen Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi Klopapierrollen – ebenfalls mit Hitlerbart. Und auf dem Flur wird eine Journalistin wegen ihrer Corona-Schutzmaske bedrängt.

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An Konferenz in Dallas (USA):Wie die Trump-Fans ihren Helden feiern

Angesprochen auf Biden sagen einige Besucher in fester Überzeugung, er sei nicht der legitime Präsident der USA. Der ehemalige republikanische Gouverneur von Florida und heutige Senator Rick Scott warnt davor, dass die «militante Linke» die «moderne Version der Bücherverbrenner» sei. Und das in einer Zeit, in der Konservative systematisch angeblich zu anzügliche Bücher aus dem Unterricht und den Schulbibliotheken verbannen.

Die Menschen bei der CPAC eint vor allem ein fast schon hasserfüllter Kampf gegen alles, was nicht in ihr Weltbild passt – Migration, Transsexuelle, Feminismus, Black Lives Matter, die Demokraten sowieso und alles, was ihrer Meinung nach irgendwie links ist. Sie scheint weniger eine gemeinsame Vision als viel mehr Hass und Hetze gegen liberale Werte zu verbinden. Und das alles im Namen der Freiheit. In dem grossen Hauptsaal der Konferenz, der sich jeden Tag etwas mehr füllt, werden immer wieder Videos gezeigt. Darin geht es um Angst – vor Sozialismus, der Antifa, dem Ende der traditionellen Familie oder der Meinungsfreiheit.

Doch das Herzensthema vieler scheint das Thema Geschlechtsidentität. Wenn auf der Bühne transfeindliche Kommentare gemacht werden, wird es im Saal besonders laut. Kaum ein Redner macht keinen Witz über Pronomen oder wettert gegen «Gehirnwäsche» an Schulen. Auch Trump beherrscht es, so den Saal zum Toben zu bringen. Lehrkräften, so fordert er, sollte untersagt werden, Schülerinnen und Schülern ohne elterliche Zustimmung etwas über Transsexualität beizubringen. Und das Bildungsministerium gehöre direkt abgeschafft.

«Election denier» werden Staatssekretäre

Nun könnte man all das als extreme Splitterveranstaltung in glühender texanischer Hitze abtun. Doch die Dinge, die hier gesagt werden, sind längst Konsens in weiten Teilen der republikanischen Partei. Viele der von Trump unterstützten Kandidatinnen und Kandidaten haben sich bisher bei den Vorwahlen der Republikaner durchgesetzt. Auf der CPAC sprechen Senatoren und Kongressabgeordnete – und solche, die bald wichtige politische Posten erlangen könnten.

Eine von ihnen ist die 52-jährige Kari Lake – ein Publikumsliebling. Sie wird gefeiert wie ein Popstar und tritt gleich zwei Mal auf. «Kari, Kari» ruft das Publikum und applaudiert. Die ehemalige Journalistin geht für die Republikaner als Gouverneurskandidatin in Arizona ins Rennen und ist für aggressive Rhetorik gepaart mit sanfter Stimme bekannt. Lake verbreitet immer wieder Lügen über Wahlbetrug bei der Präsidentschaftswahl 2020 und ist eines der extremsten Gesichter der Republikaner.

Sie gilt als «election denier» – auf Deutsch sinngemäss Wahlleugnerin. So werden in den USA Menschen bezeichnet, welche die Legitimität von Wahlen in Zweifel ziehen und von Wahlbetrug sprechen, sollten sie selbst nicht gewinnen. Auch sie machen den Menschen Angst – dass ihre Stimme nicht zählt, dass sie hintergangen werden. Besonders gefährlich für die Demokratie wird es, wenn diese Wahlleugner in Positionen gelangen, in denen sie für die Wahlaufsicht verantwortlich sind. Und das ist in den USA keine absurde Vorstellung.

Die Republikaner haben zuletzt in einigen Bundesstaaten solche «election denier» für den wichtigen Posten des Staatssekretärs ins Rennen geschickt – etwa in Pennsylvania, Arizona oder Nevada. Staatssekretäre sind in den Bundesstaaten für die Durchführung von Wahlen zuständig und können sich im schlimmsten Fall weigern, ein Wahlergebnis zu bestätigen. Mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen 2024 kann das fatale Folgen haben. Trump dürfte es freuen. (SDA)

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