Belgien hat ein Dschihadisten-Problem. Darüber sind sich Experten spätestens seit den den Anschlägen von Paris einig. Die Hauptstadt, vor allem der Stadtteil Molenbeek, ist längst als Rückzugsort für Terroristen entlarvt.
Trotzdem: 126 Tage lang konnte Abdeslam in der Nähe seines Elternhauses in dem Problemquartier untertauchen, bis er am vergangenen Freitag von der belgischen Polizei geschnappt wurde.
Die belgischen Sicherheitsbehörden feierten die Festnahme wie einen Sieg über den Terror. Jetzt, nur drei Tage später, stellt das Land entsetzt fest: Es war keiner.
Nach den Anschlägen am Brüsseler Flughafen und an der U-Bahn-Station Maelbeek mit mindestens 35 Toten muss sich der belgische Geheimdienst von allen Seiten den Vorwurf gefallen lassen, er habe die Sicherheitslage in seinem Land nicht im Griff.
Molenbeek und Maelbeek – sie sind Symbole für das Versagen des belgischen Staates. Trotz Razzien und Verhaftungen: Die Chronik der Ereignisse seit Paris zeigt, wie aussichtslos der Kampf gegen die Terroristen war.
14. November 2015: Am Tag nach den Anschlägen in Paris wird bekannt, dass drei der Attentäter aus Molenbeek stammen. Zwei von ihnen, Bilal Hafdi und Brahim Abdeslam, sprengten sich bei Selbstmordattentaten in die Luft. Ein weiterer Verdächtiger, Salah Abdeslam, entkommt. Abdeslam wird von Gehilfen zurück nach Belgien gefahren - und schlüpft sogar durch Polizeikontrollen. Nach ihm wurde zu spät gefahndet. Abdelhamid Abaaoud, der Drahtzieher der Anschläge und ebenfalls aus Molenbeek, kann sich rechtzeitig nach Syrien absetzen.
15. November 2015: Innerhalb von wenigen Tagen führt die belgische Polizei mehrere Anti-Terror-Razzien in Molenbeek durch, jedoch ohne auf eine heisse Spur von Abdeslam zu stossen.
18. November 2015: Abdelhamid Abaaoud wird bei einer Anti-Terror-Aktion im französischen Saint-Denis getötet.
21. November 2015: Terrordrohungen in Brüssel. Nach Hinweisen auf geplante Anschläge in der Hauptstadt ruft die belgische Regierung die höchste Warnstufe aus. Wieder finden Razzien statt, zahlreiche Verdächtige werden verhaftet.
29. November 2015: Im Brüsseler Problemviertel Molenbeek durchsucht die belgische Polizei zwei Wohnungen. Ohne Erfolg. Es ist eine absichtlich gelegte falsche Fährte, wie der französische Geheimdienst später herausfindet.
30. November 2015: CNN berichtet unter Berufung auf Ermittlerkreise, dass sich Salah Abdeslam womöglich nach Syrien abgesetzt hat – ein fataler Irrtum, wie sich später herausstellen sollte.
29. Dezember 2015: Die belgische Polizei nimmt zwei mutmassliche Islamisten fest, die einen Anschlag in Brüssel in der Silvesternacht geplant haben sollen.
Ende Februar 2016: Es tauchen Dokumente auf, die belegen, dass die Geheimdienste schon im Sommer 2014 Hinweise darauf hatten, dass die Brüder Abdeslam extrem radikalisiert und möglicherweise in terroristische Aktivitäten verwickelt seien, diesen jedoch erst Monate später nachgingen. Bekannt wird auch, dass ein Richter Abdeslam im Februar 2015 für ungefährlich erklärte. Und obwohl sein Name wenig später auf einer Liste des belgischen Überwachungsdienstes, die auch Interpol vorliegt, auftaucht, wird der Fall von der Staatsanwaltschaft geschlossen.
15. März 2016: Bei einer Wohnungsdurchsuchung im Brüsseler Stadtteil Vorst kommt es zu einem Gefecht zwischen der Polizei und dem mutmasslichen algerischen Terroristen Mohamed Belkaïd. Kurz darauf wird bekannt: Auch Abdeslam hielt sich in der Wohnung auf, doch die Polizisten kamen zu spät. Der 26-Jährige konnte mit einem anderen Mann gerade noch rechtzeitig fliehen.
18. März 2016: Salah Abdeslam wird in einer Wohnung in Molenbeek festgenommen.
21. März 2016: Die belgische Polizei schreibt einen möglichen Komplizen Salah Abdeslams, den 24 Jahre alten Najim Laachraoui, zur Fahndung aus. Seine Fingerabdrücke wurden in zwei Wohnungen in Belgien gefunden, die die Attentäter von Paris genutzt haben sollen.
22. März 2016: Bei Terroranschlägen am Brüsseler Flughafen und an der U-Bahn-Station Maelbeek sterben mindestens 35 Menschen. Der IS bekennt sich zu den Attentaten. Zu den Terrorverdächtigen gehört auch der gesuchte Najim Laachraoui.