Trump hat noch immer keinen Kandidaten
Warum Vizepräsidenten dieses Jahr das Rennen entscheiden

Ein so grosses und mächtiges Land wie die USA zu regieren, ist in Einzelarbeit kaum zu schaffen. Das wissen auch die Präsidentschaftskandidaten Biden und Trump. Die Wahl des Vizepräsidenten ist dieses Jahr wichtiger denn je.
Publiziert: 26.05.2024 um 12:24 Uhr
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Aktualisiert: 26.05.2024 um 16:10 Uhr
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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

In einem normalen US-Präsidentschaftswahlkampf ist die Bekanntgabe des Kandidaten fürs Vizepräsidium für die meisten Wähler eher Nebensache. Die Hauptattraktion ist der Präsidentschaftskandidat – wie Demokrat Joe Biden (81) oder Republikaner Donald Trump (77). Doch dieses Jahr ist der Wahlkampf alles andere als normal. Und die möglichen Vizepräsidenten so wichtig wie nie zuvor.

Vizepräsidenten haben genau eine Aufgabe

Die Vizepräsidentschaft der USA ist ein merkwürdiges Amt. Die Hauptaufgabe des Vizepräsidenten besteht darin, bereitzustehen, falls der amtierende Präsident stirbt oder zurücktritt. «Ich bin nichts, aber ich kann alles sein», sagte der erste Vizepräsident der USA, John Adams (1735–1826). Tatsächlich übernahmen bisher fünfzehn Vizepräsidenten das Amt des Präsidenten, acht davon nach dem Tod ihres Chefs und ein weiterer, als sein Vorgesetzter zum Rücktritt gezwungen wurde. Der Rest trat regulär zur Wahl an – wie beispielsweise Demokrat Biden nach seiner Zeit als Vizepräsident von Barack Obama (62).

Für US-Präsident Joe Biden ist schon lange klar, wen er zur Vizepräsidentin machen wird.
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Dieses Jahr entscheiden nicht nur die beiden Kandidaten Joe Biden und Donald Trump die US-Wahlen – sondern auch die Vizepräsidenten.
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In diesem Jahr ist die Wahl des Vizepräsidenten von besonders grosser Bedeutung. Auf der demokratischen Seite kandidiert ein Mann, der mit 81 Jahren alles andere als ein Jungspund ist. Oder wie es «Time Magazine» etwas morbide ausdrückt: Die Chance, dass Bidens Vize noch vor 2029 das Präsidentenamt übernehmen muss, liegt bei eins zu drei. Bei den Republikanern kämpft ein Mann um den Sitz im Weissen Haus, der den Grossteil seiner Zeit im Gerichtssaal verbringt. Falls er durch das amerikanische Volk gewählt werden sollte, wäre das ein Novum in der amerikanischen Politik. Klar ist aber: Er braucht eine rechte Hand, auf die er sich im Zweifelsfall verlassen kann.

Wahlkampf kann über Vize entschieden werden

Studien belegen, dass die Wahl des Vizepräsidenten (oder der Vizepräsidentin) im Wahlkampf doch entscheidend sein kann.

Eine Studie von «American Politics Research» aus dem Jahr 2016 besagt, dass Vizepräsidenten besonders in ihren Heimatstaaten und in den sogenannten «Swing States» zwischen 2,2 und 2,7 Prozent Zustimmung ausmachen können. Klingt nach wenig? Nicht für den aktuellen US-Präsidenten, Joe Biden. Der Demokrat dümpelt aktuell bei lediglich 38 Prozent landesweiter Zustimmung herum. Laut einer Umfrage von «Emerson College» sind es in den wichtigen Swing States nur rund 43 Prozent.

Er braucht also dringend Aufschwung. Doch Kamala Harris (59), seine Vizepräsidentin, ist genauso unbeliebt wie er. Zudem sind laut «Time Magazine» über die Hälfte der amerikanischen Wähler der Überzeugung, dass sie nicht das Zeug hätte, im Falle von Bidens Tod die Zügel in die Hand zu nehmen. Analysten empfehlen Biden, mit jemand anderem an seiner Seite ins Rennen zu gehen. Doch der Demokrat hält seine Treue zu Harris.

Und was macht Donald Trump?

Anders sieht es bei Republikaner Donald Trump aus: Der hat sich bisher kaum dazu geäussert, wen er als seine rechte Hand nominieren will. Klar ist: Es wird nicht Mike Pence (64) sein, sein Vize von 2017 bis 2021, mit dem er sich zerstritten hat. Eine mögliche Kandidatin, Kristi Noem (52), schoss sich selbst ins Aus, als sie in ihrer Autobiografie detailliert beschrieb, wie sie ihren Hund tötete – kein gutes PR-Material. Trump muss also weiter suchen.

Dabei gäbe es eine offensichtliche Lösung: Nikki Haley (52), ehemalige Gouverneurin von South Carolina und Ex-UN-Botschafterin unter Trump. Sie kandidierte selbst als Präsidentschaftskandidatin für die republikanische Partei und war Trumps grösste Konkurrenz. Am Mittwoch sagte Haley, dass sie im November ihr Kreuzchen neben Trumps Namen setzen wird. Am Donnerstag sagte Trump dann in einem TV-Interview, dass er Haley und ihre Stimme sehr schätze. Sie könnte «in irgendeiner Form» Teil seines Teams werden.

Mal sehen, ob Trumps Ego es zulässt, Haley, seine grösste Rivalin im parteiinternen Vorwahlkampf, zur Vizepräsidentin zu machen. Es wäre zu empfehlen: Sie könnte ihm Aufwind geben, besonders bei den moderaten Wählern, die vielleicht sonst für Biden stimmen würden. Bisher konnte sich Trump nämlich die Wähler, die gerne für Haley gestimmt hätten, nicht für sich gewinnen.

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