Umstrittener Entscheid über Hagia Sophia
Istanbuls Wahrzeichen wird zur Moschee

Kirche, Moschee, Museum: Die Hagia Sophia zeugt von der bewegten Geschichte der Türkei. Präsident Erdogan will das Bauwerk nun wieder zum muslimischen Gotteshaus umwandeln. Und erntet dafür Kritik.
Publiziert: 12.07.2020 um 11:21 Uhr
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Aktualisiert: 08.10.2020 um 14:47 Uhr
Die Hagia Sophia in Istanbul ist eine der touristischen Hauptattraktionen der Türkei. Letztes Jahr besuchten über 3,5 Millionen Menschen das geschichtsträchtige Bauwerk.
Foto: AFP
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Valentin Rubin

Kein anderes Bauwerk in Istanbul verdeutlicht die vielseitige Geschichte der Metropole so deutlich wie die Hagia Sophia. Fast 1000 Jahre lang war der Sakralbau die wichtigste Kirche im Byzantinischen Reich. Mit der ­Eroberung durch die Os­manen im Jahr 1453 wurde das Gotteshaus zur Moschee. 1934 wurde die ­Moschee schliesslich in ein Museum umgewandelt – für alle Religionen zugänglich, ein Symbol der modernen Türkei.

Der Präsident Recep Tayyip Erdogan (66) will dem nun ein Ende setzen. Am Freitag gab das oberste Gericht bekannt, den ­Status der Hagia Sophia als Mu­seum annulliert zu haben. Damit ist der Weg für Erdogan frei, aus dem meist­besuchten Museum des Landes nach über 86 Jahren wieder eine Moschee zu machen.

Es ist die konsequente Weiterführung von Erdogans Politik, die Türkei wieder zu alter Grösse zurückzuführen. Das Land galt seit der Ausrufung der modernen Republik im Jahr 1923 als laizistisch, ­säkular, fortschrittlich. Die Verfassung sieht eine klare Trennung von Staat und Religion vor.

Erdogan erntet Kritik

Erdogan will mit seiner islamisch-­konservativen Regierungspartei AKP aber das osmanische Erbe wieder stärker gewichten. Auch darum sprach er am Freitag nach dem Entscheid des obersten Gerichts von «historischer Gerechtigkeit». Und erntete international scharfe Kritik.

Die EU, die USA sowie die russisch-orthodoxe ­Kirche nannten die Entscheidung bedauerlich, eine Provokation, ein massiver Rückschritt. Denn die byzantinischen Fresken, die arabischen Kalligra­fien, die islamischen Halb­monde, die christlichen Kruzifixe – all das, vereint unter der mächtigen Kuppel der Hagia Sophia, ist Zeugnis der kosmopoli­tischen Geschichte der ­Türkei. Eine Geschichte, die ­Erdogan am liebsten tilgen würde.

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