Unerträglicher Gestank
So vegetieren die IS-Dschihadisten im Knast in Nordsyrien

Die Kurdenmiliz YPG war massgeblich bei der Bekämpfung des IS beteiligt. Nun müssen sich die Freiheitskämpfer um die IS-Terroristen kümmern – in völlig überfüllten Gefängnissen mit kaum genug Ressourcen.
Publiziert: 30.10.2019 um 16:09 Uhr
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Aktualisiert: 31.10.2019 um 08:52 Uhr
Nach Angaben der YPG sind rund 5'000 IS-Kämpfer im Gefängnis in Hassake.
Foto: AFP
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Abgemagert und verdreckt liegen die Häftlinge in orangenen Overalls teilnahmslos Seite an Seite auf dem Boden. Der Platz ist so knapp, dass sich die grauen Schaumstoffmatratzen überlappen, auf denen die Anhänger der Terrormiliz «Islamischer Staat» (IS) in dem kurdisch kontrollierten Gefängnis der nordsyrischen Stadt Hassake liegen. Ihre Notdurft müssen sie in einer Latrine verrichten, die durch eine niedrige Mauer abgetrennt ist.

Rund 5'000 IS-Anhänger sind in dem Gefängnis bei drückender Hitze zusammengepfercht, darunter auch Kinder und Jugendliche. Neben Irakern und Syrern ist auch eine nicht bekannte Zahl von Franzosen, Deutsche und Briten dort inhaftiert. Reporter der Nachrichtenagentur AFP hatten nun die seltene Gelegenheit, die von den kurdischen «Volksverteidigungseinheiten» (YPG) kontrollierte Haftanstalt im Nordosten Syriens zu besuchen.

Sorge um Flucht der Dschihadisten

Seit der türkischen Offensive gegen die YPG-Miliz herrscht die Sorge, dass die tausenden inhaftierten Dschihadisten und ihre Angehörigen die Chance nutzen, um aus den oft nur unzureichend gesicherten Lagern und Gefängnissen zu entkommen. Gerade die Europäer fürchten, dass die europäischen IS-Anhänger im Fall eines Ausbruchs zurück nach Europa einsickern. Ihre Staatsbürger zurücknehmen wollen sie aber nicht.

Der Gefängnisleiter in Hassake, der sich als Sarhat vorstellt, versichert, dass keine Insassen ausgebrochen seien. Vor einem Monat habe es bei der Essensausgabe jedoch einen Aufstand gegeben. Manchmal würden auch flüchtige IS-Kämpfer auf das Gefängnis feuern, um den Insassen zu zeigen, dass sie nicht allein sind. Einige der Insassen gelten als so gefährlich, dass die Wärter zögern, die Luke zu ihrer Zelle zu öffnen.

Keiner der Insassen in dem Gefängnis in Hassake hat in den vergangenen Monaten die Sonne gesehen, und kaum jemand hat Kenntnis der Ereignisse jenseits der Gefängnismauern. Rund ein Drittel der Insassen ist verletzt oder leidet an Krankheiten wie Hepatitis und AIDS, doch gibt es auf der Krankenstation nur 300 Plätze. Viele der Kranken sind nur noch Haut und Knochen, nicht wenige haben Gliedmassen verloren.

Offene Schusswunden

Auf der Krankenstation herrscht ein unerträglicher Gestank. Die Glücklicheren haben ein Bett, die anderen liegen auf dem Boden. Unter den Verletzten ist der 24-jährige Belgier Abdallah Nooman, der sein T-Shirt anhebt, um eine offene Wunde zu zeigen. «Meine Organe quellen heraus», sagt der junge Mann. Die Wunde habe er erlitten, als ein Mitkämpfer beim Säubern seiner Waffe versehentlich einen Schuss abgegeben habe.

Das Gefängnis von Hassake ist eine von sieben Haftanstalten, die die kurdische Selbstverwaltung betreibt. Viele der Gefangenen wurden im März nach der Einnahme der letzten IS-Bastion Baghus im Osten Syriens festgenommen. Damals gerieten auch zehntausende Frauen und Kinder in kurdische Gefangenschaft, doch sind sie nicht in Gefängnissen, sondern im Camp Al-Hol und anderen Lagern untergebracht.

Ausländische Kämpfer

Unter den Gefangenen in Hassake ist auch Bassem Abdel Asim. Der 42-jährige Niederländer wurde bei einem Luftangriff verletzt und kann sein rechtes Bein nicht benutzten. Er würde gerne seine Frau wiedersehen, die er mit dem Versprechen von Türkei-Ferien in das IS-Kalifat gelockt hatte. «Sie können mich danach hängen», sagt er, «doch zuerst würde ich ihr gern sagen, dass es mir Leid tut, sie in ein Land im Krieg gebracht zu haben.»

Auch der junge Brite Aseel Mathan sitzt in Hassake. Mit 17 hatte er sich den Dschihadisten im irakischen Mossul angeschlossen. Heute bereut er, dem Ruf des selbsternannten Kalifen Abu Bakr al-Bagdadi gefolgt zu sein, der in der Nacht zu Sonntag bei einem US-Militäreinsatz im Nordwesten Syriens getötet wurde. Der 22-Jährige wünscht sich nichts mehr, als zu seiner Familie in Grossbritannien zurückzukehren.

Eine baldige Rückkehr ist aber unwahrscheinlich und das Los der Gefangenen insgesamt ungewiss. Wie lange die kurdische Selbstverwaltung noch die Kontrolle bewahren kann, ist offen, nachdem sie die Truppen von Präsident Baschar al-Assad gegen die Türken zu Hilfe gerufen hat. Sollte Assad in den Kurdengebieten wieder die Kontrolle übernehmen, würden auch die inhaftierten Dschihadisten in seine Hände gelangen. (SDA)

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