Ungarns Präsident gibt sich als Friedensstifter
Orban verrät Details über Kriegsgespräch mit Putin

Zuerst Selenski, dann Putin, jetzt Jinping – und Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban ist erst am Anfang seiner Friedensmission. In einem Interview spricht er über seine Erkenntnisse und Überzeugungen.
Publiziert: 08.07.2024 um 14:40 Uhr
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Aktualisiert: 08.07.2024 um 16:39 Uhr
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Natalie ZumkellerRedaktorin News

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban (61) hat offensichtlich das Reisefieber gepackt – ohne zuvor Absprache mit anderen EU-Ländern zu treffen, hat sich Orban auf eigene Faust auf eine von ihm selbst als Friedensmission bezeichnete Tour begeben. Nachdem er vergangene Woche in der Ukraine bei Selenski (46) war, besuchte er danach direkt Wladimir Putin (71). Am Montag traf er in China auf Xi Jinping (71).

Für den laut der «Bild»-Zeitung «bereits jetzt zum Scheitern verurteilten Versuch», Frieden zu stiften, erntet Orban viel Kritik. So würde er die neu erworbene Position seines Landes, das seit 1. Juli den Vorsitz im Rat der Europäischen Union innehat, ausnutzen. Im Interview mit der Zeitung rechtfertigt Orban seine Entscheidung und erklärt seine Pläne.

Ungarns Ministerpräsident packt über seine «Friedensmission» aus.
Foto: keystone-sda.ch
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«Müssen jetzt von der Kriegs- in die Friedenspolitik kommen»

Mit seinen Besuchen will der ungarische Ministerpräsident eine Eskalation auf dem Schlachtfeld verhindern – er befürchtet, dass es aufgrund einer wachsenden russischen Entschlossenheit und der höheren Verfügbarkeit von Waffen «in den kommenden Monaten an der Front schlimmer wird». 

Diese Erkenntnis sei durch die Gespräche mit den beiden Präsidenten verstärkt worden. «Glauben Sie mir, die kommenden zwei, drei Monate werden viel brutaler sein, als wir denken», so Orban. «Darum ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um von der Kriegs- zu einer Friedenspolitik zu kommen.» 

Diesen Aussagen folgt am Montag ein russischer Luftangriff auf zwei ukrainische Städte, bei dem unter anderem ein Kinderspital beschossen und mindestens 24 Menschen getötet wurden.

Zu seiner Mission motivieren würden ihn die vielen Menschenleben, die verloren gehen. «Das ist die wichtigste moralische Motivation.» Doch auch die Eigeninteressen Europas bewegen Orban zu den Besuchen. «Das, was hier passiert, ist sehr schlecht für uns.»

«Hört auf, euch gegenseitig umzubringen!»

Deswegen will Orban neben Russland, der Ukraine und China mit den USA und der EU auch weitere Schlüsselfiguren in seine Friedensmission miteinbeziehen. Sich selbst sieht er dabei als «neutralen Vermittler». «Ich streite nicht darüber, wer recht hat und wer nicht. Denn mein Ziel ist Frieden und Waffenstillstand.»

Nichtsdestotrotz übt er Kritik an der «Kriegspolitik» Europas. Zu sehr würde man an den USA hängen, man müsse mehr «autonome Politik betreiben». Die Hauptopfer der beiden Kriegsparteien seien laut Orban die europäische Wirtschaft und die europäische Bevölkerung. 

«Leute, wir, die Welt, wollen Frieden, hört auf, euch gegenseitig umzubringen! Lasst uns anfangen zu verhandeln. Oder zumindest zu verstehen, dass es vor Ort keine Lösung gibt.» 

Auch Putin will Frieden

Bei seinen Gesprächen mit Putin und Selenski seien Orban einige Ähnlichkeiten aufgefallen: «Putin hat eine klare Vorstellung, was passiert und wie Russland gewinnen wird. Dasselbe gilt für Selenski.» Die Vorstellung, Russland besiegen zu können, sei jedoch «völlig unkalkulierbar».

Laut Orban sei auch Putin für den Frieden: «Im Grunde weiss jeder, dass es besser wäre, wenn schon morgen früh kein Russe und kein Ukrainer sterben wird.» Orban gibt sich als Russlandkenner. «Sie haben eine andere Geschichte, eine andere Kultur, andere Instinkte und Einstellungen. Ein anderes Verständnis von Freiheit und ein anderes Verständnis von nationaler Souveränität.» Und eins steht für Orban fest: Die Vorwürfe, Putin plane einen Angriff auf die Nato, stimmen nicht. «Kein ernsthafter Mensch kann davon sprechen, dass Russland die Absicht hat, die Nato anzugreifen», sagt er. 

Wer das laut Orban auch verstanden hat: die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (69). Orban ist überzeugt, dass der Krieg nie ausgebrochen wäre, wenn Merkel noch an der Spitze Deutschlands wäre. Dies ist sie jedoch nicht mehr – weswegen Orban im Herbst auf einen Trump-Triumph in den USA hofft. 

Trump ist «der Mann des Friedens»

«Er ist ein Geschäftsmann, er ist ein Selfmademan, er hat eine andere Herangehensweise an alles. Und ich glaube, das ist gut für die Weltpolitik», lobt Orban den US-Amerikaner. In seinen Augen ist Trump ein «Mann des Friedens». So habe er viel getan, um Frieden in alten Konflikten in sehr komplizierten Regionen der Welt zu schaffen. 

Trump habe auch als einziger US-Präsident keinen Krieg angefangen – Orbans Vertrauen in den Präsidentschaftskandidaten ist «gross». 

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