«Ich sorge mich um die zerbrechlichsten Kinder»
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Unicef-Bildungschef zu BLICK:«Ich sorge mich um die zerbrechlichsten Kinder»

Unicef-Bildungschef Robert Jenkins (50) über die dramatischen Folgen der Corona-Krise
«Ich sorge mich um die zerbrechlichsten Kinder»

Die Schulschliessungen sind für Kinder in armen Ländern eine Katastrophe. Für Millionen ist die Schule der einzige Ort, wo es Essen und medizinische Betreuung gibt. BLICK sprach mit Robert Jenkins, Bildungschef bei der Unicef in New York. Er ist in grosser Sorge.
Publiziert: 07.05.2020 um 19:21 Uhr
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Aktualisiert: 08.05.2020 um 17:04 Uhr
Die Corona-Krise bringt weltweit viele Menschen in Not. Unicef hilft ihnen, wie hier dieser Frau in der Elfenbeinküste, die nach dem Tod ihrer Schwägerin zu deren neugeborenen Drillingen schaut.
Foto: UNICEF
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Interview: Guido Felder

Die Unicef schlägt Alarm: Weil wegen Corona die Schulen geschlossen sind, bekommen zurzeit 370 Millionen Kinder keine Schulmahlzeiten. BLICK erreichte Robert Jenkins (50), Leiter Bildung bei Unicef, am Hauptsitz in New York und sprach mit ihm über die schlimmen Auswirkungen, die ein Schulunterbruch in armen Ländern haben kann.

Herr Jenkins, wie leiden die Kinder in den ärmsten Ländern unter der Corona-Krise?

Ich bin sehr besorgt. Es fehlt nicht nur an Bildung, sondern auch an der Grundversorgung, die viele Schulen in armen Regionen anbieten. Ich denke da an Essen und medizinische Hilfe. Oft ist das Essen in der Schule für ein Kind die einzige vollwertige Mahlzeit am Tag. Jetzt, wo so viele Kinder nicht zur Schule können, fehlt dieses Angebot. Zudem beobachten wir in einigen Ländern, dass ohne Schule sexuelle Gewalt gegenüber Mädchen sowie ungewollte Schwangerschaften zunehmen.

Mit welchen Auswirkungen rechnen Sie?

Wir haben Erfahrungen von der Ebola-Krise in Westafrika. Viele Kinder hatten nicht nur in der Bildung einen Rückstand, sondern es ging ihnen auch gesundheitlich nicht gut. Nach der Rückkehr in die Schule brauchten viele psychische und physische Unterstützung. Damit müssen wir auch nach der Corona-Krise rechnen.

In welchen Ländern sind Kinder am meisten von den Corona-Auswirkungen betroffen?

Es sind vor allem jene Länder, die schon vorher sehr anfällig waren, wo Krieg oder andere humanitäre Katastrophen herrschen. Die Corona-Krise spitzt die ohnehin schon prekäre Lage weiter zu.

Gibt es auch europäische Länder, in denen Kinder unter der Corona-Krise leiden müssen?

Die Krise ist global. Alle Kinder werden auf unterschiedliche Weise irgendwie von ihr erfasst.

Verstehen in den weniger entwickelten Ländern die Kinder überhaupt, was die Corona-Krise ist?

Wir unternehmen alles, um Kinder über die Gefahr und die nötigen Massnahmen zu informieren. Wir benützen Kanäle wie TV, Radio, Internet und Zeitungen, gehen aber auch über Lehrer und Sozialarbeiter. Sie verstehen es recht gut.

Wie sieht Ihre Hilfe aus?

Wir fokussieren uns zurzeit auf die Förderung des Fernunterrichts, indem wir zum Beispiel Computer, Fernseher oder Handys zur Verfügung stellen. So können während der Schulschliessung die Kinder nicht nur unterrichtet werden, wir erreichen sie auch besser. Zudem bereiten wir uns auf die Wiedereröffnung der Schulen vor, um Kindern dann die nötige Unterstützung für den Neustart anzubieten.

Was ist Ihre grösste Sorge?

Wenn für Schüler die Ausbildung unterbrochen wird, braucht es gerade in besonders armen und abgelegenen Regionen einen doppelten Effort, sie wieder in die Schule zurückzubringen. Meine grösste Sorge ist, dass wir es nicht schaffen, die zerbrechlichsten Kinder, die am meisten leiden, zurückzuholen.
Die Corona-Krise bringt weltweit viele Menschen in Not. Unicef hilft ihnen, wie hier dieser Frau in der Elfenbeinküste, die nach dem Tod ihrer Schwägerin zu deren neugeborenen Drillingen schaut.
Foto: UNICEF
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