Uno-Ermittler fanden Elektronik-Teil in Nordkorea-Wrack
In Kims Raketen stecken Schweizer Bauteile

Für Nordkorea gelten strenge Ausfuhrregeln. Dennoch gelingt es Kim Jong Uns Regime immer wieder, illegal Technik im Westen zu kaufen – auch aus der Schweiz.
Publiziert: 11.02.2018 um 00:30 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 00:25 Uhr
Cyrill Pinto

Akribisch inszenierte Nordkorea den Start seiner Interkontinentalrakete: Diktator Kim Jong Un (34) gab vom Kontrollraum per Telefon den Befehl zur Zündung der Unha-3. Das dreistufige Projektil hob ab und beförderte einen Satelliten ins All. Damit bewies das kommunistische Regime der Welt: Wir können grosse Objekte Tausende Kilometer weit befördern, also auch Atombomben.

Der Raketenstart 2012 wurde weltweit verurteilt – auch von der Schweiz. Das Aussendepartement rief Nordkorea auf, «sofort alle Aktivitäten im Zusammenhang mit ballistischen Raketen einzustellen».
Was die offizielle Schweiz da noch nicht ahnte: Die nordkoreanische Rakete flog auch dank Technik aus der Schweiz, wie zwei Untersuchungsberichte des Uno-Sicherheitsrats aus den Jahren 2014 und 2015 belegen. Bis heute blieben sie hierzulande unbeachtet.

Bestandteile aus 13 Ländern

Die Berichte zeichnen nach, wie das Wrack der ersten beiden Unha-3-Stufen von der südkoreanischen Marine aus dem Gelben Meer geborgen wurde. Uno-Ermittler nahmen die Fundstücke genauer unter die Lupe: Die Spezialisten entdeckten Bestandteile aus 13 Ländern, darunter USA und Südkorea. Und sie fanden – so bestätigte es das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) gegenüber SonntagsBlick – den Gleichstromwechsler eines Schweizer Herstellers. Das elektronische Bauteil, auch Konverter genannt, dient dazu, die Spannung einer mitgeführten Batterie auf die benötigte Voltzahl zu bringen. Für den Start von Kims Rakete war dies unabdingbar.

Die dreistufige Unha-3 (Galaxie-3) bei ihrem Start 2012: Die Rakete hob auch dank Elektronik aus der Schweiz ab.
Foto: (AP Photo/KCNA, File)
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Die Spezialisten entdeckten Bestandteile aus 13 Ländern, darunter USA und Südkorea.
Foto: AP

Das Seco musste den Uno-Ermittlern erklären, wie das Schweizer Elektronikteil in die nordkoreanische Langstreckenrakete geraten war.

Über zwei Jahre dauerte es, bis das Staatssekretariat eine knappe Antwort lieferte: «Die Schweiz konnte die Lieferkette des Konverters nicht nachverfolgen. Dies, weil die Teile in grosser Menge hergestellt und auch übers Internet vertrieben werden», heisst es im Bericht der Uno, der SonntagsBlick vorliegt.
Seco-Sprecher Fabian Maienfisch bestätigt den Vorgang: «Wir haben die notwendigen Abklärungen durchgeführt und die Expertengruppe über die Resultate informiert.»

Das betroffene Schweizer Unternehmen habe sich ausserordentlich kooperativ gezeigt und «umfangreiche Nachforschungen mit seinen Distributoren angestellt», so Maienfisch.

Dennoch sei es nicht gelungen aufzuzeigen, wie die Teile nach Nordkorea gelangt waren.
«Da keinerlei Hinweise auf ein fehlbares Verhalten des Schweizer Unternehmens vorlagen, wurde auch keine Strafuntersuchung eröffnet», sagt Maienfisch. Die Bundesanwaltschaft bestätigt: Wegen des Schweizer Bauteils in der nordkoreanischen Rakete führte sie kein Verfahren.

Drohnen mit Schweizer GPS-Empfängern

Doch der Konverter in Kims Rakete blieb nicht das letzte Schweizer Bauteil an Bord seiner Flugobjekte: Im Oktober 2013 und März 2014 stürzten zwei Drohnen – laut Uno sehr wahrscheinlich aus nordkoreanischer Produktion – über südkoreanischem Gebiet ab.

Die unbemannten Flugkörper sollten den Gegner hinter der Grenze ausspionieren und wurden während Manövern der Volksbefreiungsarmee gestartet. Auch hier war je ein wichtiges Teil eines Schweizer Herstellers verbaut: Ein GPS-Empfänger zur Positionsbestimmung stammte aus der Eidgenossenschaft.

Und auch in diesem Fall meldete sich die Uno in Bern, wieder wurde das Seco beauftragt, Abklärungen zu treffen. Das Staatssekretariat setzte sich mit der Schweizer Herstellerfirma in Verbindung. Diese schaute in ihre Bücher und stellte fest: Die sensiblen Geräte wurden an einen Zwischenhändler in Taiwan verkauft. Der exportierte die Schweizer GPS-Empfänger wohl anschliessend nach Nordkorea.

Das Seco betont: «Es fanden keine Lieferungen aus der Schweiz direkt nach Nordkorea statt.»

Heikle Lieferungen unterbinden

Tatsächlich belegt der Uno-Bericht, dass die Nordkoreaner auf ein ausgeklügeltes System zurückgreifen, um die sanktionierten Waren nach Nordkorea zu schleusen.

Demonstriert gerne seine Macht: Kim Jong Un gibt das Okay zum Raketenstart.
Foto: AFP

Am Beispiel eines Drohnen-Autopiloten aus Kanada stellen die Uno-Ermittler dar, wie es gelang, die Ausfuhrkontrollen über ein Geflecht von insgesamt acht verschiedenen Firmen zu umgehen und die verbotene Elektronik über China nach Nordkorea zu transferieren.

Die Uno fordert alle Mitgliedsländer auf, weitergehende Anstrengungen zu unternehmen, um heikle Lieferungen nach Nordkorea zu unterbinden.

Das Seco hält dagegen: «Die Schweiz setzt sämtliche Uno-Sanktionen gegenüber Nordkorea vollständig um.» Sämtliche Sendungen für Pjöngjang müssten im Voraus beim Seco angemeldet werden. Sie würden ausnahmslos vom Zoll physisch überprüft.

Offenbar reicht das nicht, um Kims Raketen- und Atomprogramm nachhaltig zu behindern. Bis kurz vor den Olympischen Spielen im Nachbarland Südkorea testete Nordkorea eine Rakete nach der anderen.

Dialog als letzte Option

Ein Kommentar von Repoter Cyrill Pinto

Vor fast genau einem Jahr liess Kim Jong Un (34) seinen Bruder Kim Jong Nam (†46) in Malaysia ermorden. Seitdem muss jedem klar sein, dass die Bestrebungen des nordkoreanischen Diktators vor allem einem dienen: seinem Machterhalt.

Die kommunistische Folklore und ein übertriebener Führerkult sollen dies bloss kaschieren. Der junge Kim sah seine Macht seit dem Amtsantritt 2011 bedroht – von innen und aussen. Die rapiden Fortschritte in Nordkoreas Atom- und Raketenprogramm bestätigen dies.

Widerstand im Innern wird durch ein alles durchdringendes Spitzelsystem, Sippenhaft, Arbeitslager und Todesurteile gebrochen, Druck aus dem Ausland durch konsequentes Vorantreiben des atomaren und ballistischen Rüstungsprogramms.

Kim Jong Un liess nicht nur seinen älteren Bruder, sondern auch etliche Mitglieder seines inneren Machtzirkels ermorden – auch sein Onkel gehörte zu den Opfern. Und unter dem jungen Kim wurden mehr als doppelt so viele Raketen- und Atombomben getestet als unter seinen Vorgängern. Die internationale Politik der Sanktionen ist damit gescheitert.

Nach dem Ende der Olympischen Spiele wird sich zeigen, ob Nordkoreas Einladung zum Dialog ernst gemeint ist. Will die Weltgemeinschaft verhindern, dass sich der isolierte Staat weiter einigelt, muss sie die Chance nutzen.

Eine echte Alternative hat der Westen mit Blick auf das fortgeschrittene Raketen- und Atomprogramm schon lange nicht mehr.

Ein Kommentar von Repoter Cyrill Pinto

Vor fast genau einem Jahr liess Kim Jong Un (34) seinen Bruder Kim Jong Nam (†46) in Malaysia ermorden. Seitdem muss jedem klar sein, dass die Bestrebungen des nordkoreanischen Diktators vor allem einem dienen: seinem Machterhalt.

Die kommunistische Folklore und ein übertriebener Führerkult sollen dies bloss kaschieren. Der junge Kim sah seine Macht seit dem Amtsantritt 2011 bedroht – von innen und aussen. Die rapiden Fortschritte in Nordkoreas Atom- und Raketenprogramm bestätigen dies.

Widerstand im Innern wird durch ein alles durchdringendes Spitzelsystem, Sippenhaft, Arbeitslager und Todesurteile gebrochen, Druck aus dem Ausland durch konsequentes Vorantreiben des atomaren und ballistischen Rüstungsprogramms.

Kim Jong Un liess nicht nur seinen älteren Bruder, sondern auch etliche Mitglieder seines inneren Machtzirkels ermorden – auch sein Onkel gehörte zu den Opfern. Und unter dem jungen Kim wurden mehr als doppelt so viele Raketen- und Atombomben getestet als unter seinen Vorgängern. Die internationale Politik der Sanktionen ist damit gescheitert.

Nach dem Ende der Olympischen Spiele wird sich zeigen, ob Nordkoreas Einladung zum Dialog ernst gemeint ist. Will die Weltgemeinschaft verhindern, dass sich der isolierte Staat weiter einigelt, muss sie die Chance nutzen.

Eine echte Alternative hat der Westen mit Blick auf das fortgeschrittene Raketen- und Atomprogramm schon lange nicht mehr.

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