«Unter Trump reichte das Geld für mehr»
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Wählerin aus Pennsylvania:«Unter Trump reichte das Geld für mehr»

US-Experte Hossli reist durch die Swing States – wo Biden Stimmen verliert
«Unter Trump hatten wir ein paar Dollar mehr in der Tasche»

Eine Reise durch das Landesinnere Amerikas offenbart: Viele Menschen wollen Trump zurück im Weissen Haus.
Publiziert: 14.07.2024 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 14.07.2024 um 15:00 Uhr
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Peter HossliReporter & Leiter Journalistenschule
Pam Olthof (58) verkauft Fanartikel von Donald Trump. «Viele unserer Kunden wählten einst Demokraten, nun sind sie bei Trump.»
Foto: Nathalie Taiana

Laut schreit die Flagge, die Pam Olthof (58) über ihrem Laden gehisst hat: «Get your Trump gear here!», kauft hier eure Trump-Sachen. Auf den Tischen und Regalen liegt allerlei Krimskrams, der für den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump (78) wirbt: Mützen, Golfbälle, Spielkarten, Magnete. «Am besten verkaufen sich die Flaggen mit seinem Konterfei», sagt Olthof.

Seit sechs Jahren geht sie dorthin, wo Trump auftritt. Bis zu sieben Tage vor einer Rede baut sie ihren Stand auf und verkauft Fanartikel. Diese Woche in Butler, im Westen von Pennsylvania. Das Geschäft laufe besser denn je, sagt sie. «Viele unserer Kunden haben früher die Demokraten gewählt, jetzt sind sie bei Trump.»

Und das ausgerechnet im grössten Swing State des Landes.

In den Swing States entscheidet sich, wer ab 2025 im Weissen Haus sitzt.
Foto: Nathalie Taiana
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Pennsylvania: Das Land für Trump, die Städte für Biden

Pennsylvania gehört zu den Schlüsselstaaten, in denen die Mehrheit mal demokratisch, mal republikanisch wählt. Das Duell in den Schlüsselstaaten wird die Wahl im November entscheiden. Gewinnen wird, wer mehr Anhänger an die Urnen bringt.

Blick fuhr diese Woche mit dem Auto von New York nach Milwaukee, wo am Montag der Parteitag der Republikaner beginnt. Die 1700 Kilometer lange Reise ins Landesinnere führte neben Pennsylvania durch drei weitere Swing States: Ohio, Michigan und Wisconsin. Eine Fahrt durch die Gemütslage der letzten Supermacht.

Das Städtchen Butler liegt im malerischen Amerika. Sanfte Hügel und frisch gemähte Vorgärten prägen das Bild. Vor mancher Haustür weht ein Sternenbanner.

Trump gewann im November 2016 alle 19 Wahlmännerstimmen in Pennsylvania und zog ins Weisse Haus ein. Vier Jahre später verlor er gegen Biden und musste wieder gehen.

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In Butler hält er eine Rede, weil er die Landbevölkerung mobilisieren will. Hier sind die Menschen konservativer, religiöser – und wählen entsprechend republikanisch. US-Präsident Joe Biden (81) dürfte in Grossstädten wie Philadelphia und Pittsburgh triumphieren.

Krankenpflegerin Frances Schneider (39) aus Butler, Pennsylvania. «Trump sagt unangenehme Wahrheiten. Das ist nichts für diejenigen, die verhätschelt werden wollen.»
Foto: Nathalie Taiana

Händlerin Olthof trägt ein Kleid aus einem Sternenbanner. Natürlich wolle sie Geld verdienen, sagt sie. Aber nicht nur. «Ich glaube an das Produkt, das ich verkaufe, ich glaube an Trump.» Weil er an kleine Leute wie sie denke. Ihr Leben sei unter Trump besser gewesen als jetzt unter Biden, die Steuern niedriger, das Benzin billiger.

Stört sie Trumps laute Seite nicht? «Komm schon», sagt sie. «Er ist ein erfolgreicher New Yorker, dafür muss man ein bisschen hart sein.»

Auffallend viele Frauen kaufen Trump-Artikel. Mütter kommen mit ihren Töchtern, Grossmütter mit ihren Enkelinnen. Der Mann, der weitherum als Sexist gilt, kommt bei konservativen Frauen gut an. «Sein Verhalten stört mich nicht», sagt Frances Schneider (39), eine Krankenschwester aus Butler, die mit ihrer Tochter Taylor (20) einkauft. «Trump spricht unangenehme Wahrheiten aus. Das ist nichts für Leute, die verhätschelt werden wollen.»

Sie wähle Politiker, die die Steuern senken «und die verstehen, dass Abtreibung kein Verhütungsmittel ist».

Was hält sie von Biden? «Ich weiss nicht, wofür der Präsident steht, er ist nicht mehr in der Lage, ganze Sätze zu bilden.»

Ohio: Die armen Schwarzen laufen zu Trump über

Von Pennsylvania führt der Highway über die Grenze nach Ohio, vorbei an verfallenen Industriestädten wie Youngstown, hinauf zum Eriesee nach East Cleveland. Die Stadt gilt als eine der ärmsten und wegen der hohen Kriminalität gefährlichsten Gegenden der USA. Eine Familie verdient durchschnittlich 22'000 Dollar im Jahr, ein Drittel lebt unter der Armutsgrenze.

World Famous Superfly Barber Shop in East Cleveland, Ohio.
Foto: Nathalie Taiana

Viele Restaurants sind geschlossen, Supermärkte verbarrikadiert, die Strassen voller Schlaglöcher. Alte Männer treffen sich zum Schwatzen bei McDonald’s – oder im World Famous Superfly Barber Shop. Art McKoy (80) gründete den Salon vor 40 Jahren, als er aus dem Vietnamkrieg zurückkehrte. Seitdem rasiert er schwarze Köpfe. «Weil ich aus jedem Kopf etwas Schönes machen kann», sagt er. «Und weil ich den Puls der Menschen spüre.»

Was er derzeit bei den Schwarzen spüre, sei kompliziert, gibt der Barbier zu. «Unter Trump hatten wir alle kurzfristig ein paar Dollar mehr in der Tasche, deshalb werden dieses Jahr mehr Schwarze Trump wählen.»

Er bleibt bei Biden. «Trump will das System auf den Kopf stellen. Seine Richter treffen Entscheidungen, die dem schwarzen Amerika schaden.»

Ohio galt lange Zeit als Schlüsselstaat schlechthin, eine Art Aargau Amerikas, der Seismograf des Landes. In den letzten Jahren ist Ohio konservativer geworden. Trump gewann hier 2016 und 2020. Dieses Jahr dürfte sein Sieg noch deutlicher ausfallen, weil schwarze Wähler zu ihm überlaufen.

Die Frage des Reporters nach Bidens Alter beleidigt Friseur McKoy. Er hat die Gruppe «Alte für Biden» gegründet, weil ihn die Witze über Biden ärgern. «Wer sich über Biden lustig macht, macht sich über mich lustig – und ich bin nicht bereit, mich in den Schaukelstuhl zu setzen und Däumchen zu drehen.»

Art McKoy (80), Besitzer des «World Famous Superfly Barber Shop» in East Cleveland, Ohio, mit Recognize Real (34), einem Rapper, der in East Cleveland aufgewachsen ist und noch nie wählen durfte.
Foto: Nathalie Taiana

McKoy wurde auf einer Farm in North Carolina geboren. Mit 13 Jahren zog er nach Cleveland, später diente er dem Land als Soldat. Ihn interessieren Politiker, die etwas für Schwarze tun. «Aber bitte keine Almosen, sondern Jobs.»

Eines sei in all den Jahren in Amerika gleich geblieben: der Rassismus. Nur die Methoden hätten sich geändert. Schwarze würden nicht mehr verkauft und gehängt. «Die neue Sklaverei ist das Gefängnis – mit einer Million eingesperrter Schwarzer, die umsonst arbeiten.»

Er rasiert den Kopf von Recognize Real (34), einem Rapper, der in East Cleveland aufgewachsen ist – und noch nie wählen durfte. Mit neun Jahren klaute er zum ersten Mal ein Auto und landete im Gefängnis. Er stahl wieder, sass mehrere Jahre im Knast und verlor seine demokratischen Rechte.

Während McKoy Real die Koteletten stutzt, meldet die «New York Times», die Demokraten prüften, ob Vizepräsidentin Kamala Harris (59) den gebrechlichen Biden als Kandidaten ablösen solle. «Sie ist gut», sagt der Barber. «Wenn sie weiss wäre, würden sie sie sofort nehmen. Aber eine Schwarze wird nicht die erste Frau im Weissen Haus sein.»

Michigan: Die Israel-Politik schadet Biden

Dearborn, Michigan, beherbergt die grösste arabisch-amerikanische Gemeinschaft. Gläubige beten in Amerikas grösster Moschee, der Bürgermeister ist ein Araber, auf den Strassen hört man mehr Arabisch als Englisch.
Foto: Nathalie Taiana

Aus einem Restaurant tönt türkische Tanzmusik. Aus dem Café nebenan duftet es nach jemenitischem Gebäck. Und das Baba Ganoush beim Libanesen zwei Häuser weiter schmeckt besser als in Beirut. Dearborn, Michigan, erinnert an diesem lauen Sommerabend an eine moderne arabische Stadt. Junge Leute flanieren, viele Kinder, Frauen tragen Kopftuch, andere Miniröcke.

Einst gründete Henry Ford in Dearborn die Ford Motor Company. Heute beherbergt die Stadt bei Detroit die grösste arabisch-amerikanische Gemeinde. Gläubige beten in der grössten Moschee Amerikas, der Bürgermeister ist Araber, auf den Strassen hört man mehr Arabisch als Englisch.

Rund 300'000 arabische Amerikaner leben in und um Dearborn – und Biden fürchtet um ihre Stimmen im hart umkämpften Swing State. Er gewann ihn 2020, Trump 2016. Die Umfragen zeigen ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Lange konnten sich die Demokraten auf Dearborn verlassen. Doch wegen Bidens kompromissloser Unterstützung Israels im Gazakrieg wandten sich arabische Amerikaner von ihm ab. Sie starteten das Projekt «Abandon Biden» – Gebt Biden auf. «Wer gegen Palästina ist, bekommt meine Stimme nicht», sagt Ibrahim Labak (21), angehender Ingenieur. Er trägt eine Baseballkappe und Nike-Schuhe und sitzt lässig auf einer Suzuki.

Dearborn, Michigan, beherbergt die grösste arabisch-amerikanische Gemeinschaft. Gläubige beten in Amerikas grösster Moschee, der Bürgermeister ist ein Araber, auf den Strassen hört man mehr Arabisch als Englisch.
Foto: Nathalie Taiana

Seine Eltern kamen einst aus Syrien in die USA, «um ein besseres Leben zu führen», wie er sagt. Wie andere Araber fanden sie es in Dearborn, gründeten eine Familie, schlugen Wurzeln. Woher sie kamen, blieb wichtig. «Die arabische Kultur ist die Grundlage unseres Lebens», sagt Labak. Er nennt Dearborn «das arabische Land der Vereinigten Staaten, aber es liegt in den Vereinigten Staaten». Was er damit meint: «Es ist ein freies Land.»

Er wähle im November zum ersten Mal, «und zwar das kleinere Übel». Das sei Trump. «Beide sind anti-palästinensisch, aber Biden hat wirtschaftlich wenig erreicht.»

Dann setzt er seinen Helm auf und steigt auf sein Motorrad. «Das gibt mir einen Kick, den mir kein Auto geben kann», sagt er und braust durch die Nacht.

Sarah Hachem (29), Sekretärin in einer Schule, wuchs als Libanesin in Kuwait auf, lebt seit 2014 in den USA, aus Dearborn, Michigan. «Unter Trump lief es einfach besser.» Sie mag, dass Trump sich nicht verstecke, sondern zeige, wer er sei.
Foto: Nathalie Taiana

Nebenan im Park sitzen Sarah Hachem (29) und Mukalad Aldulaimy (32) auf einer Bank. Sie sind ein Paar, aber unverheiratet. Vor zehn Jahren sind beide in die USA eingewandert. Er ist Iraker, aufgewachsen in Dubai, sie Libanesin aus Kuwait. Er entwickelt Autos für Ford, sie leitet eine Schule. Sie wählt Trump, er tendiert zu Biden.

Beide mögen den Geist von Dearborn. «Obwohl die Leute ihre Wurzeln ehren, sind sie nicht engstirnig», sagt sie. Er betont, dass er in den USA mehr Rechte habe als in Dubai, wo er 22 Jahre gelebt hat, ohne Staatsbürger werden zu können. «Hier in Amerika gehöre ich dazu, habe Rechte und kann wählen.»

Er fühle mit den Menschen im Nahen Osten, aber der Konflikt sei nicht entscheidend. «Mir liegt unser Land am Herzen», sagt sie. Amerika. «Unter Trump ist es besser geworden.» Ihr gefällt, dass Trump sich nicht versteckt, sondern zeigt, wer er ist.

Und was denkt er? «Trump ist mir nicht stabil genug.»

Wisconsin: Die Unabhängigen wollen keinen König im Weissen Haus

Rund um den Lake Michigan führt der Highway nach Kenosha, Wisconsin, an vielen Badenden vorbei. Auf einer Wiese am Lake Michigan hat Hazel Dickfoss eine Reihe von Zelten aufgestellt. Zelte, wie sie Soldaten zur Zeit der amerikanischen Revolution bewohnten. Mit Freunden stellt sie eine Schlacht des Revolutionskriegs nach.

Damals verhinderten freiheitsliebende Amerikaner einen König. «Bei dieser Wahl geht es um dasselbe», fügt sie hinzu, «ich wähle Biden, damit kein König ins Weisse Haus einzieht.» Trump würde die demokratischen Rechte beschneiden und wahr machen, was er angedroht hat: «Er will die Diktatur.»

Hazel Dickfoss (81) aus Lake Geneva, Wisconsin. Sie wählt Biden. «Ein Krimineller sollte nicht Präsident sein.»
Foto: Nathalie Taiana

Hazel Dickfoss ist 81 Jahre alt und lebt in Lake Geneva, Wisconsin, einem der Schlüsselstaaten für die bevorstehenden Wahlen. Sie ist weder Demokratin noch Republikanerin, sondern wählt unabhängig – und ist damit das Zünglein an der Waage in Wisconsin.

Denn hier zählt jede Stimme. Bei den letzten beiden Wahlen war das Ergebnis äusserst knapp. Trump gewann 2016 mit einem Vorsprung von 0,7 Prozent, Biden siegte 2020 noch knapper mit 0,63 Prozent mehr Stimmen.

Weil die Bevölkerung sowohl ländlich als auch städtisch geprägt ist. Viele Fabriken schlossen, was die Gewerkschaften schwächte. Bei Protesten gegen Polizeigewalt im Sommer 2020 brannten in der Stadt Kenosha viele Häuser und Autos, was zu einer Abkehr von den Demokraten führte und die Republikaner stärkte.

In Wisconsin kann man sich auch noch am Wahltag registrieren lassen. Die Registrierung erfolgt nicht nach Parteien, was Prognosen erschwert. Umso mehr Geld fliesst in die Mobilisierung von Wählern. Vornehmlich deshalb hält Trump seinen Parteitag in Milwaukee ab, der grössten Stadt des Staates.

Hazel Dickfoss kam in Cambridge in England zur Welt, ihr Akzent verrät sie. Mit 18 Jahren ging sie 1961 für ein Jahr nach Wisconsin, um als Au-pair zu arbeiten. Sie verliebte sich, blieb, heiratete, zog zwei Kinder gross und war im Verkauf tätig.

Seit 1965 ist sie US-Bürgerin – und hat keine Wahl verpasst. «Weil ich als Einwanderin meine Rechte ehren will.»

Mehrmals schon wählte sie Republikaner, etwa George H. W. Bush und dessen Sohn George W. Bush. «Trump kann ich nicht wählen, er hat die Republikaner zerschlagen.» Die Partei würde nur noch das tun, was er sage, ohne über die Folgen seiner Aussagen nachzudenken. «Und ich finde, ein Krimineller sollte nicht Präsident sein.» Zumal verurteilte Verbrecher wie Trump in manche Länder nicht einreisen dürften, darunter Kanada.

Biden sei so alt wie sie, betont Dickfoss, «und ich bin bei Verstand». Sicher, in vier Jahren könne er das nicht mehr tun. «Aber er hat ein gutes Herz und gute Leute um sich herum – es geht ja nicht nur darum, wer Präsident ist, sondern mit wem er arbeitet, auf wen er hört.»

Sie hofft und betet, dass Biden gewinnt. «Es muss genug Amerikaner geben, die sehen, welche Gefahr Trump für die Freiheit dieses Landes darstellt.»

Die Reise ins Landesinnere zeigt ein anderes Bild. Viele wünschen sich Trump zurück ins Weisse Haus.

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