Bürgermeisterin von Dayton in Ohio ist enttäuscht vom Präsidenten
«Grosse Reden schwingen und abhauen – das ist sein Stil»

Nan Whaley (44) ist seit 2014 Bürgermeisterin von Dayton im Bundesstaat Ohio. Die Demokratin ist bekannt dafür, dass sie kein Blatt vor den Mund nimmt. BLICK hat sie zum Interview getroffen – und ist gleich zu Beginn ins Fettnäpfchen getreten.
Publiziert: 03.08.2020 um 23:22 Uhr
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Aktualisiert: 24.10.2020 um 21:03 Uhr
Nan Whaley, Bürgermeisterin von Dayton Ohio, ist von Donald Trumps Politik im Rust Belt nicht begeistert.
Foto: keystone
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Interview: Nicola Imfeld, Dayton (USA)

BLICK: Dayton liegt im Herzen des Rust Belt. Donald Trump hat 2016 eine Renaissance der Industrie angekündigt. Hat er sein Versprechen gehalten?
Nan Whaley: Erstens: Sagen Sie bitte nicht Rust Belt! Das hören wir hier überhaupt nicht gern. Wer will schon in einem rostigen Gürtel leben? Wir gehören zum industriellen Mittleren Westen.

Bitte entschuldigen Sie.
Zu Ihrer Frage: Trump hat hier nicht viel erreicht. In der Region Dayton haben wir seit der Jahrtausendwende die Hälfte aller Fabrikarbeitsplätze verloren. Aber es ist nicht so, dass es der Industrie schlecht geht. Der Produktions-Output ist in Dayton gar so hoch wie nie zuvor. Aufgrund der Automatisierung brauchen die Firmen einfach immer weniger Menschen. Das kann auch Donald Trump nicht ändern.

Wie schwer ist Ihre Stadt von Corona betroffen?
Wir haben zum Glück nicht viele Infizierte. Aber wirtschaftlich trifft uns die Pandemie besonders heftig. Tausende Arbeitsstellen gingen auf einen Schlag verloren. Wir hoffen nun auf Hilfe der Bundesregierung aus Washington. Aber Donald Trump als Präsident zu haben, hilft in dieser Krise natürlich nicht. Er hat wie ein Verrückter agiert. Es gibt keine klare Linie.

Die Arbeitslosenquote war in Dayton vor der Corona-Pandemie so tief wie schon lange nicht mehr. Wie kam es denn dazu?
Viele Fabrikarbeiter haben in die Logistik gewechselt. Das Problem ist, dass diese Arbeitsplätze deutlich schlechter bezahlt sind. Das Problem trifft auf den ganzen Mittleren Westen zu: Die Arbeitslosenquote ist tief, die Menschen arbeiten. Aber sie sind trotzdem auf finanzielle Unterstützung angewiesen, weil sie nicht fair entlöhnt werden. Das zeigt: Trumps Wirtschaft funktioniert nicht für alle. Es ist eine Schande.

Was unternehmen Sie als Bürgermeisterin dagegen?
Wir investieren in Dayton enorm in die Bildung. Unsere Colleges sind zugänglich für alle. Auch wenn man das Geld nicht hat, kommt man rein. Das ist in den USA nicht selbstverständlich. Es ist wichtig, dass die Jungen sich ausbilden lassen. Man kann nicht mehr wie früher nach der obligatorischen Schulzeit in eine Fabrik gehen und seine Familie ernähren. Die Wirtschaft lässt das nicht mehr zu.

Finden Sie das fair?
Nein. Wenn man arbeitet, sollte man einen gerechten Lohn erhalten. Es sollte nicht nur auf die Bildung ankommen. Aber die Realität ist nun mal eine andere. Ich versuche, unsere Stadt darauf vorzubereiten.

Was hat die Trump-Regierung für Sie konkret getan?
Nichts! Ich habe nie etwas gehört und nie etwas gesehen – weder von Trump noch von seinen Leuten. Mit der Administration von Obama standen wir noch im stetigen Austausch.

Dabei muss Trump doch gerade in dieser Region ein Interesse haben, präsent zu sein. Ohio ist ein wichtiger Staat, will er 2020 wieder gewinnen.
Das macht er aber nicht mit Politik. Er wird in Dayton wieder eine Wahlkampfveranstaltung abhalten, wenn es die Corona-Situation ermöglicht. Grosse Reden schwingen – und dann wieder abhauen. Das ist sein Stil.

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