«Ich habe gerade keine Ahnung, was er sagt»
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Trump über Bidens Aussetzer:«Ich habe gerade keine Ahnung, was er sagt»

Joe Biden aus dem Rennen zu werfen ist kompliziert, aber...
«Es ist die einzige Möglichkeit, politischen Selbstmord zu verhindern»

Bidens schwache Debattenleistung beunruhigt selbst treue Anhänger. Experten sehen einen Kandidatenwechsel als einzige Möglichkeit, einen politischen Selbstmord der Partei zu verhindern.
Publiziert: 28.06.2024 um 13:02 Uhr
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Aktualisiert: 28.06.2024 um 14:25 Uhr
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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

In einer Sache sind sich die Demokraten Amerikas einig: Die Performance von US-Präsident Joe Biden (81) während der ersten TV-Debatte war erbärmlich. So erbärmlich, dass es aus allen Ecken heisst: «Biden muss weg – und zwar sofort!» Doch das ist leichter gesagt als getan. Trotzdem hat die demokratische Partei einige Möglichkeiten, wie sie Biden vom Wahlticket stossen können. Doch wäre das überhaupt sinnvoll?

Muss Biden gehen?

Sogar Bidens ehemalige Kommunikationschefin, Kate Bedingfield, hat keine positiven Worte für Biden übrig: «Es war eine wirklich enttäuschende Debattenleistung von Joe Biden.» Das ist der O-Ton vieler Demokraten in den USA. Auch im Ausland blasen Experten ins gleiche Horn.

Detlef Junker, Gründungsdirektor Emeritus Heidelberg Center for American Studies, sagt zu Blick: «Seine Berater haben ihm keinen Gefallen damit getan, ihn in diese Debatte zu schicken. Das muss selbst der Dümmste bei den Vorbereitungsdebatten in Camp David gemerkt haben.» Biden spielte ganz in Trumps Karikatur eines geschwächten Mannes, der seine besten Jahre hinter sich hat. Laut «Washington Post» beunruhigt das sogar Bidens treueste Anhänger.

Aus dieser Sache kann sich US-Präsident Joe Biden nicht mehr herausreden.
Foto: Getty Images
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Nur eine Stunde nach der Präsidentschaftsdebatte am Donnerstagabend forderte Andrew Yang – 2020 selber Präsidentschaftskandidat der Demokraten – Biden auf, zurückzutreten. «Leute, die Demokraten sollten jemand anderen nominieren – bevor es zu spät ist. #swapJoeout [#wechseltJoeaus]», schrieb Yang auf X. Abertausende liken den Post, der Hashtag verbreitet sich wie ein Lauffeuer.

Öffentlich stellen sich demokratische Funktionäre allerdings weiterhin hinter Biden. Offiziell heisst es: Eine schwache Leistung ändert die Wahlkampfbedingungen nicht. Ausserdem wäre es ein kompliziertes Unterfangen, Biden aus dem Wahlkampf zu nehmen.

Kann Biden gehen?

Theoretisch kann die Partei einen neuen Kandidaten am Parteitag Ende August nominieren, wenn Biden die Nominierung ablehnt. Dabei handelt es sich allerdings um ein umständliches Verfahren, das seit Jahrzehnten nicht mehr angewendet wurde. Gemäss den Regeln des Demokratischen Nationalkomitees (DNC) kann die Parteiführung Biden aber nicht einfach von der Liste streichen. Wer ihn ersetzen will, muss sich in einem offenen Nominierungsverfahren auf dem Parteitag durchsetzen.

Es ist also nahezu unmöglich, einen Kandidaten ohne dessen Zustimmung zu ersetzen, geschweige denn ihn reibungslos durch jemand anderen zu ersetzen. Ein solcher Schritt würde bedeuten, dass Parteiinterne die Ergebnisse der Vorwahlen überstimmen würden, in denen die demokratischen Wähler Biden nominiert hatten. Die einzige «simple» Lösung: Biden kündigt selbst den Rücktritt aus dem Wahlkampf an. Aber...

Will Biden gehen?

Biden deutete an, dass er das nicht vorhabe, und sagte seinen Anhängern in Atlanta, kurz nachdem er die Bühne der Debatte verlassen hatte: «Lasst uns weitermachen.» Bidens Wahlkampfsprecherin Lauren Hill war noch deutlicher und sagte am Freitag: «Natürlich wird er nicht aussteigen.»

Soll Biden gehen?

Auch wenn Biden – wider aller Erwartungen – die Nominierung ablehnen würde, ist es damit noch längst nicht getan. Oliver Diggelmann, Professor für Staatsphilosophie an der Uni Zürich, warnt gegenüber Blick: «Vermutlich aber ist es ohnehin schon zu spät, um einen neuen Kandidaten richtig aufzubauen.» Der parteiinterne Prozess, eine Alternative zu finden, birgt also grosse Risiken.

Der deutsche Amerika-Experte Junker findet im Gespräch mit Blick aber klare Worte: «Die Demokraten sind gezwungen, einen neuen Kandidaten zu nominieren. Das ist politisch und juristisch schwierig, es wäre aber die einzige Möglichkeit, einen politischen Selbstmord der Partei zu verhindern.»

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