Wie Donald Trump mit Fake News den Hass auf Migranten schürt
«Sie essen Katzen, sie essen Hunde – sie essen unsere Haustiere!»

Migranten, die Haustiere essen. Mit diesem Problem kämpft eine amerikanische Kleinstadt – angeblich. Die Verschwörungstheorie entlarvt sich schnell als frei erfunden. Trotzdem nutzt sie Donald Trump, um Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen. Eine Einordnung.
Publiziert: 12.09.2024 um 19:12 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2024 um 19:42 Uhr

Kurz zusammengefasst

  • Trump verbreitet gefährliche Lügen über Migranten
  • Polizei dementiert Gerüchte über Haustierverletzungen durch Migranten
  • Springfield nahm 20'000 haitianische Migranten auf
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

Was der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump (78) am Dienstag während der TV-Debatte mit der Demokratin Kamala Harris (59) sagte, klang, als hätte er es aus einem schlechten Gruselroman geklaut: «In Springfield fressen sie die Hunde. Die Leute, die hierherkamen, fressen die Katzen. Sie fressen – sie fressen die Haustiere der Menschen, die dort leben.» Es klingt lächerlich – doch dahinter steckt eine brandgefährliche Verschwörungstheorie.

Von einem toten Kind und Katzen-essenden Migranten

Bis 2020 zählte die idyllische Kleinstadt Springfield im US-Bundesstaat Ohio rund 60'000 Einwohner. Laut «CBS News» hat die Stadt in der Zwischenzeit rund 20'000 Migranten aus Haiti temporär aufgenommen. Damit wird das – für amerikanische Verhältnisse – kleine Springfield zum Brennpunkt der amerikanischen Migrationspolitik. Diesen Sommer schrieb Bryan Heck, der Bürgermeister der Stadt, einen Brief an Abgeordnete im US-Senat. «Springfield, Ohio, steht vor einer erheblichen Wohnungskrise.» Man brauche Unterstützung, um die Flüchtlingskrise zu meistern – sofort! Heck weiter: «Sonst werden wir untergehen.»

Auch die Einheimischen scheinen ihre Mühe mit dem haitianischen Neuzuwachs zu haben. Der starke Bevölkerungsanstieg trieb etwa die Wartezeiten bei Ärzten oder anderen öffentlichen Diensten in die Höhe. Und: Wie viele andere US-Städte kämpft auch Springfield mit Wohnungsknappheit, die Situation ist nun noch prekärer – und für viele frustrierend.

Was soll dieses KI-generierte Foto, auf dem der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump eine Ente und eine Katze umarmt?
Foto: X / @JudiciaryGOP
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Düsterer wurde die Stimmung, als es vergangenes Jahr zu einem Unfall kam: Im August 2023 krachte ein Haitianer mit ausländischem Fahrausweis mit einem Lieferwagen in einen Schulbus und tötete dabei einen 11-jährigen Jungen. Daraufhin explodierte die einwanderungsfeindliche Stimmung vor Ort.

In einer Facebook-Gruppe machen die Springfielder ihrem Ärger Luft. Auch mit kuriosen Geschichten, die nichts mit den eigentlichen Problemen – wie etwa die unzureichende Infrastruktur und dem traurigen Tod eines Kindes – zu tun haben. Ein Screenshot aus der Gruppe ging vor wenigen Tagen auf X viral. Eine Person behauptete, die Katze der Tochter eines Freundes sei «an einem Ast aufgehängt worden, so wie man ein Reh zum Schlachten aufhängt. Und sie haben es zerlegt, um es zu essen.» Dies sei in einem Haus passiert, in dem haitische Migranten leben.

Trump, Musk und Vance giessen Öl ins Feuer

Die Story verbreitete sich wie ein Lauffeuer: in den sozialen Medien, unter US-Politikern wie dem republikanischen Vize-Kandidaten J. D. Vance (40) oder dem republikanischen Senator Ted Cruz (53) – und dank Trump auf der ganzen Welt. 

Das Problem: Das alles ist so nie passiert. Die Polizei von Springfield dementierte die Gerüchte in einem Statement: «Es liegen keine glaubwürdigen Berichte vor, dass Haustiere von Personen aus der Einwanderergemeinschaft geschädigt, verletzt oder misshandelt wurden.»

Nichtsdestotrotz verbreiteten rechte und konservative Accounts – darunter auch X-Besitzer Elon Musk (53) – weitere Gerüchte. Eine Frau, die für das Töten einer Katze verhaftet wurde – ist weder aus Haiti noch aus Springfield. Ein Mann, der eine tote Gans trug, die angeblich aus einem öffentlichen Park geklaut wurde – ist ebenfalls weder Haiti noch aus Springfield. Aber für Hetze reichen auch Falschinformationen aus. Und auch der ehemalige (und vielleicht zukünftige) US-Präsident Trump ist sich dafür nicht zu schade.

Hat Trump einen politischen Fehler gemacht?

Kathleen Belew, eine Historikerin aus den USA, schrieb am Dienstag auf X, dass solche Dämonisierungskampagnen eine alte Taktik sind, die ernst genommen werden sollten. Die entlarvten Behauptungen über haitianische Flüchtlinge seien «nicht nur Unsinn», warnte Belew: «Die Leute, die diese Rhetorik verbreiten, wissen genau, was sie tun: Hass schüren. Und Gewalt folgt. Jedes Mal.»

Abgesehen von der Tatsache, dass Trump vor internationalem Publikum eine gefährliche Lüge verbreitet, war die Erwähnung der angeblich Katzen-konsumierenden Migranten ein politischer Fehler. Er mag seine Anhänger glücklich gemacht haben – doch viele unentschlossene Wähler könnten den Fakt, dass sich Trump auf Falschinformationen beruft, um Wahlkampf zu machen, abturnend finden.

Übrigens: Die Zuwanderer scheinen der Wirtschaft Springfields langfristig zu nutzen, wie «The Economist» schreibt. Als die haitianischen Einwanderer ankamen, besetzten sie Arbeitsplätze in der verarbeitenden Industrie, die von den Einheimischen nicht besetzt werden konnten. Der Beitrag scheint eine Fallstudie über die Kompromisse bei der Migration zu sein – eine Debatte, die oft zwischen Ökonomen, die auf die langfristigen Gesamtvorteile verweisen, und Politikern, die die kurzfristigen lokalen Probleme hervorheben, geführt wird.

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