«Wenn jemand ein Telefon hatte, durften wir ihn erschiessen»
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Deserteur im CNN-Interview:«Wenn er ein Telefon hatte, durften wir ihn erschiessen»

Vergewaltigung, Mord, Plünderungen
Russischer Deserteur packt über Kriegsverbrechen aus

Die ukrainische Zivilbevölkerung leidet unter der russischen Brutalität. Wie rigoros die Putin-Truppen vorgehen, erklärt ein russischer Deserteur.
Publiziert: 14.12.2022 um 11:53 Uhr
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Aktualisiert: 14.12.2022 um 14:11 Uhr

Butscha, Irpin, Lyman, Isjum: Die Bilder der russischen Gräueltaten in der Ukraine gehen seit Monaten um die Welt. Immer wieder ist von Kriegsverbrechen die Rede. Wie brutal die Soldaten tatsächlich sind, schildert nun ein russischer Deserteur gegenüber «CNN». Nikita Chibrin diente in der 64. Motorgewehrbrigade. Eine Einheit, der vorgeworfen wird, in verschiedenen ukrainischen Städten Kriegsverbrechen begangen zu haben.

«Es gibt Wahnsinnige, die es geniessen, einen Mann zu töten. Solche Wahnsinnigen sind dort aufgetaucht», sagt er. Die Befehle der Vorgesetzten waren deutlich: «Wir sollten jeden ermorden, der Informationen über die Positionen der Einheit weitergeben könnte – auch Zivilisten. Wenn jemand ein Telefon hatte, durften wir ihn erschiessen.»

Russische Plünderung: «Je teurer, desto besser»

Immer wieder kam es zu Gewalttaten an ukrainischen Frauen. «Sie vergewaltigten eine Mutter und ihre Tochter.» Ihre Vorgesetzten sollen davon gewusst haben. Deren Reaktion? «Ein Schulterzucken.» Die Verbrecher seien nie inhaftiert worden. Einzige Konsequenz: die Entlassung aus dem Krieg. Der verantwortliche Kommandant heisst Azatbek Omurbekow (39). Er soll die Ermordung hunderter Zivilisten in Butscha befohlen haben. Der Kreml hat jegliche Beteiligung an den Massentötungen bestritten.

Der russische Deserteur Nikita Chibrin war Teil einer der brutalsten russischen Kriegs-Einheiten. Jetzt spricht er über seine schockierenden Erlebnisse.
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Auch hinter Wertgegenständen sei die Truppe von Chibrin her gewesen. «Als wir Ende März Lipovka und Andrijiwka verliessen, nahmen einige Zivilautos mit und verkauften sie in Belarus.» Auch Computer, Schmuck oder sonstige Dinge wurden eingesteckt. Damit konnten sich die Soldaten brüsten. «Es herrschte die Mentalität: ‹Wenn du etwas stiehlst, bist du gut.› Je teurer, desto besser.» CNN hat das russische Verteidigungsministerium mit den Vorwürfen konfrontiert. Eine Antwort blieb bisher aus.

«Natürlich wird Russland verlieren»

Chibrin desertierte im September aus dem russischen Militär und floh über Belarus und Kasachstan nach Europa. In einem unbekannten Land habe er Asyl beantragt. Aus sicherer Entfernung betrachtet er die Kriegsentwicklung mit grosser Sorge. «Russland wird nicht aufhören, bis alle Soldaten gestorben sind. Sie betrachten die Kämpfer als Kanonenfutter. Das ist respektlos!»

An einen Sieg von Wladimir Putin (70) glaubt er nicht. «Natürlich wird Russland verlieren.» Weshalb? «Weil die ganze Welt die Ukraine unterstützt.» Deren Waffen seien um einiges moderner und besser als die der Kreml-Truppen. Dies habe er selbst vor Ort erlebt. Auch die Vorbereitung der russischen Soldaten beurteilt er als ungenügend. «Die Vorgesetzten gaben uns eine Waffe, ein Ziel und 5000 Kugeln.» Eine angemessene Kampf-Ausbildung? Fehlanzeige.

Nun will Chibrin seine Kollegen für deren Straftaten zur Rechenschaft ziehen. Er sei bereit, vor einem internationalen Strafgericht gegen seine Einheit auszusagen. Er selbst habe keine Straftaten begangen – behauptet er. (nab)

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