Protasewitsch sitzt in Lukaschenkos Folter-Schloss
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Aktivist in Belarus:Protasewitsch sitzt in Lukaschenkos Folter-Schloss

Verhafteter Journalist in Belarus
Protasewitsch sitzt in Lukaschenkos Folter-Schloss

Der Aktivist Roman Protasewitsch sitzt offenbar in «Haftanstalt Nr. 1». Das 200 Jahre alte Schlossgebäude ist aus einem traurigen Grund bekannt.
Publiziert: 29.05.2021 um 17:52 Uhr
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Aktualisiert: 31.05.2021 um 11:41 Uhr
Fabienne Kinzelmann

Schloss Pischtschalauski ist ein harmloser Name für einen schlimmen Ort. Auch «Haftanstalt Nummer 1» heisst das klassizistische Gebäude mit seinen noch drei bestehenden Türmchen aus dem Jahr 1825, das auf einem Berg über die Minsker Altstadt ragt.

Belarus-Diktator Alexander Lukaschenko (66) hat mehrere Gefängnisse, in denen Regimegegner bedroht, gefoltert und gebrochen werden. Doch nur das heruntergekommene Minsker Gefängnisschloss hat Todeszellen. Seit Lukaschenkos Amtsantritt 1994 wurden hier mindestens 170 Menschen hingerichtet.

Es ist der einzige Ort in Europa überhaupt, wo die Todesstrafe vollzogen wird. Und es ist der Ort, wo der am vergangenen Sonntag verhaftete Aktivist und Journalist Roman Protasewitsch (26) mutmasslich festgehalten wird.

Das Minsker Gefängnisschloss ist die einzige Haftanstalt in Europa, in der Hinrichtungen durchgeführt werden.
Foto: ddp/Vasily Firsov
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Reporter ohne Grenzen fürchtet Ausreiseschwierigkeiten

In einem «Geständnisvideo» sagt Protasewitsch, dass er sich in der Haftanstalt befindet. Ausdruckslos spricht er einen Text, er hat dunkle Flecken am Kopf, sein Gesicht wirkt geschwollen, möglicherweise ist auch die Nase gebrochen. Die im Exil lebende Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja (38) sagt: «Er wurde eindeutig geschlagen und steht unter Druck. Es besteht kein Zweifel, dass er gefoltert worden ist. Er wurde als Geisel genommen.»

«Das ist eine weitere Eskalationsstufe», sagt Christopher Resch (38) von Reporter ohne Grenzen über Lukaschenkos Husarenstück. «Die Flugzeugentführung und die Festnahme von Protasewitsch sollen einschüchtern – und zwar alle Journalisten und Journalistinnen im Land, aber auch im Exil.»

Reporter ohne Grenzen hat in Litauen wegen der «kriminellen Entführung eines Flugzeugs» Strafanzeige gegen Lukaschenko eingereicht. Die EU will im kommenden Monat über konkrete Sanktionen entscheiden, den Luftraum für belarussische Flugzeuge hat sie bereits gesperrt.

«Es könnte für Oppositionelle jetzt aber schwieriger sein, auszureisen», befürchtet Resch. Ihn besorgt, dass es kaum noch möglich ist, sich ein Bild der Lage vor Ort zu verschaffen. «Das Land ist mehr oder weniger abgeriegelt.»

Protasewitsch-Freundin sitzt in berüchtigtem Okrestina-Knast

Nach Angaben des belarussischen Journalistenverbands haben Lukaschenkos Behörden im vergangenen Jahr 477 Journalisten verhaftet und rund 50 unabhängige Webseiten blockiert. Kurz vor Protasewitschs Verhaftung wurde auch die unabhängige Nachrichtenseite tut.by vom Netz genommen, nach Informationen der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch befanden sich Anfang Woche mindestens 13 der dort tätigen Journalisten in Gewahrsam.

Protasewitschs ebenfalls verhaftete Freundin, die russische Studentin Sofia Sapega (23), befindet sich nach bisherigen Informationen im Okrestina-Gefängnis, wo Lukaschenko seit vergangenem Sommer Tausende der protestierenden Belarussinnen und Belarussen misshandeln liess – manche nur für wenige Tage, andere für Wochen.

Berichte, Fotos und Videos zeugen von den Zuständen. «Am Eingang stand ein Mann, der schrie: ‹Schneller, ihr Schlampen!› (...) Er packte mich am Hals und trat mich gegen die Wand», erzählte eine 20-Jährige der BBC. Ein anderer Mann berichtet: «Wir wurden gezwungen, die ganze Nacht auf dem Hof zu stehen. Wir konnten hören, wie Frauen geschlagen wurden.» Der russische Journalist Nikita Telischenko (30) berichtete, wie Inhaftierte übereinander gestapelt auf dem Boden lagen.

Gut möglich, dass Protasewitsch das Minsker Gefängnisschloss lebend verlässt. Spuren von Folter und Misshandlung werden bleiben.

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