VA Prigoschin redet Klartext zu SMO«Der 24. Februar war kein aussergewöhnlicher Tag»
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Neues Prigoschin-Video:«Der 24. Februar war kein aussergewöhnlicher Tag»

«Völliger Unsinn»
Wagner-Boss entlarvt Putins liebste Propaganda-Lüge

Jewgeni Prigoschin wettert immer wieder gegen das russische Militär. Doch nun widerspricht er gar der Propagandaerzählung über die Nato, die als Rechtfertigung für den Krieg genutzt wird. Damit diskreditiert der Wagner-Chef Putin, sagt Militärexperte Gerhard Mangott.
Publiziert: 23.06.2023 um 16:00 Uhr
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Aktualisiert: 24.06.2023 um 10:06 Uhr
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Jenny WagnerRedaktorin News

«Die Führung des Verteidigungsministeriums täuscht den Präsidenten sorgfältig», sagt Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin (62) am Freitag in einem Video, das er auf seinem Telegramkanal veröffentlicht hat. Dass er gegen die Kriegsführung wettert, ist nicht neu. Doch nun wirft er Wladimir Putin (70) vor, auf die Lügen anderer hereingefallen zu sein.

Das Ministerium und vor allem auch Verteidigungsminister Sergei Schoigu (68), sollen den Präsidenten bewusst mit Fehlinformationen versorgt haben, damit er eine Eskalation mit der Ukraine befürchtet und zum ersten Schlag ausholt.

Die Ukraine habe «den Donbass nicht bombardiert, sondern nur russische Stellungen», fährt Prigoschin fort. «Das Verteidigungsministerium erzählt, dass die Ukraine Russland gemeinsam mit der Nato angreifen wollte.» Was nicht stimme. Der Grund für die «Spezialoperation Z» basiere also auf Lügen – eine Aussage, die in Russland für Aufsehen sorgt.

Jewgeni Prigoschin sorgt mit seinen jüngsten Anschuldigungen für Aufruhr in Russland.
Foto: DUKAS
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Putin persönlich diskreditiert

Gerhard Mangott (56), Militärexperte an der Uni Innsbruck, erklärt: «Prigoschin entzieht der ‹speziellen Militäroperation› damit jede Legitimität und zerstört die zentralen Narrative der russischen Führung für diesen Krieg.» Und weiter: «Damit diskreditiert er Putin persönlich und verstärkt Zweifel in der Bevölkerung über die Sinnhaftigkeit des Kampfes», so der Experte.

Prigoschin spricht in der 30-minütigen Wutrede danach über die schlechte Planung des Krieges. Schoigu «vernichtete Tausende von Menschen – den kampfbereitesten Teil der Armee», so der Oligarch. Und dennoch werde Putin auch weiterhin mit Desinformationen über die Lage an der Front gefüttert. Die zerstörten Leopard-Panzer und feindlichen Truppen seien «völliger Unsinn».

Dabei redete Prigoschin am Anfang der Invasion noch in ganz anderen Tönen über den Krieg. Ende Februar 2022 sagte er noch, Putin habe das «absolut Richtige getan» und «einen Angriff auf Russland verhindert», heisst es in den zahlreichen Telegramposts.

Wagner-Boss steckt in der Klemme

«Prigoschin wirft Putin keine Fehlentscheidung vor, als er die Invasion anordnete, sondern kritisiert unehrliche Berichte an Putin», ordnet Mangott die jüngsten Äusserungen des Wagner-Chefs ein. Und: «Es ist damit ein weiterer Versuch, die zivile und militärische Führung des Verteidigungsministeriums abzuwerten – der schärfste Angriff bislang.»

Prigoschin wendet sich nicht wirklich von Putin ab. Aber, so Mangott: «Er behauptet indirekt, dass Putin Lügen glaubte, also nicht Herr der Lage war, als die Invasion begann.» Ein schwerer Vorwurf gegen den Kremlchef.

Für Prigoschin wird die Luft immer dünner. Putin unterzeichnete ein Dekret, laut dem bis zum 1. Juli alle Söldnertruppen dem russischen Verteidigungsministerium untergeordnet werden. Prigoschin verliert also an Macht und würde dann unter seinem Erzfeind Schoigu stehen. Er weigert sich, zu akzeptieren, dass Putin sich in diesem Konflikt offenbar auf Schoigus Seite schlägt.

Prigoschin steht «mit dem Rücken zur Wand»

«Prigoschin steht derzeit unter starkem Druck. Er steht mit dem Rücken zur Wand», fasst Mangott die Situation zusammen. Ihm bleibe kaum noch eine Möglichkeit, die Macht über seine Söldner zu behalten. Im März schon wurde ihm verboten, weiter Gefangene zu rekrutieren. Dann wurde dem Staatsfernsehen sogar untersagt, die Wagner-Gruppe bei der Berichterstattung über die Ukraine zu erwähnen.

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Die Schlacht in Bachmut konnte Russland nur dank der Wagner-Truppe für sich entscheiden, trotzdem bekommt Prigoschin kaum Anerkennung dafür und verliert jetzt die Macht über seine Söldner. Doch nach seinem jüngsten Ausraster wird Putin wohl kaum zurückrudern.

Und es wird noch schlimmer für Prigoschin. Bislang stärkten ihm viele prorussischen Kriegsblogger den Rücken. «Seine Äusserungen könnten zur Folge haben, dass sich die Militärblogger von Prigoschin distanzieren», erklärt Mangott. Denn: «Bisher kritisierte er nur die Art der Kriegsführung, so wie die Blogger auch. Jetzt zweifelt er den Sinn des Krieges an, was die Mehrheit der Blogger nicht tut.»

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