Wie glaubhaft ist Trumps Versöhnungs-Rede?
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Donald Trump gibt auf!«Es war die Ehre meines Lebens, euer Präsident zu sein»

Was wirklich hinter dem Video steckt
Wie glaubhaft ist Trumps Versöhnungs-Rede?

Donald Trump hat sich diese Nacht mit versöhnlichen Worten an die Welt gewandt. Nachdem er 48 Stunden zuvor seine Anhänger zum Sturm auf das Kapitol aufwiegelte. Ist sein Sinneswandel ernst gemeint? Quellen im Weissen Haus sagen nein, berichtet die «New York Times».
Publiziert: 08.01.2021 um 21:24 Uhr
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Aktualisiert: 11.01.2021 um 11:59 Uhr
Fabian Vogt

Donald Trump (74) hat vergangene Nacht ein Video veröffentlicht, das die Welt verblüffte. Der US-Präsident wirkte staatsmännisch, beinahe demütig. Vermutlich zum ersten Mal in den vergangenen vier Jahren kam Donald Trump sympathisch rüber. «Es war die Ehre meines Lebens, euer Präsident zu sein» sagte er, und dass er dafür sorgen wolle, die Machtübergabe reibungslos und geordnet sicherzustellen.

Keine 48 Stunden zuvor sprach er vor seinen Anhängern davon, «niemals aufzugeben, niemals eine Niederlage einzugestehen». Vor ihm flatterten Tausende Trump-Fahnen im kalten Januarwind, getragen von einem Meer grösstenteils maskenloser Anhänger, die ihrem Idol mit «USA! USA!»-Zurufen ihre Treue schworen. Es war der letzte Akt einer beispiellosen Hetzkampagne von Trump auf alle und jeden, die ihn seiner Meinung nach um das Präsidentenamt bringen wollen. Die letzten Monate verbrachte Trump kaum mehr damit zu regieren, zu beschäftigt war er, Lügen zu verbreiten, politische Gegner zu diffamieren und seine Wähler gegen das Wahlergebnis aufzuputschen. Es war der Donald Trump, den viele Menschen in den vergangene vier Jahren kennen und zu verachten gelernt hatte. Seine Hetzerei gipfelte in der Schande von Washington, dem Sturm auf das Kapitol.

Verwandlung von Mr. Hyde in Dr. Jekyll

Als darum Donald Trump vergangene Nacht erneut ans Rednerpult stand, dachten wohl viele, ein Double stünde ihnen gegenüber. Plötzlich war aus dem wütenden New Yorker ein Staatsmann geworden. Eine umgekehrte Verwandlung von Mr. Hyde in Dr. Jekyll innert Wochenfrist – ganz ohne Zaubertrank.

Der Sturm auf das Kapitol gehört zu den schwärzesten Stunden der US-Geschichte.
Foto: imago images/Bildbyran
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Wie die «New York Times» nun berichtet, hat Trump diese 180-Grad-Kehre aber durchaus nur mit Hilfsmitteln geschafft. Laut ungenannten Quellen musste der Präsident von seinen Beratern davon überzeugt werden, das Video aufzunehmen. Er selber soll sich stark dagegen gesträubt haben. Umstimmen konnte man ihn erst, als man Trump aufzeigte, welche legalen Konsequenzen seine Aufwiegelung des Mobs für ihn persönlich haben könnten. Pat A. Cipollone (54), Rechtsberater des Weissen Haus, soll ihn eindringlich gebeten haben, den Sturm auf das Kapitol zu verdammen. Eine Aufforderung, der Trump schlussendlich nachkam. Seine Berater schrieben ihm den Text, er las ihn wortgetreu rund 2 Minuten und 30 Sekunden ab. Dabei sprach er von «abscheulichen Attacken», warnte die Krawallmacher vor Konsequenzen. Und sagte, es sei nun Zeit für «Heilung und Versöhnung».

Die «New York Times« bezweifelt jedoch, dass diese Worte ernst gemeint waren. Trump soll Pläne geschmiedet haben, nächste Woche an die Grenze im Südwesten zu fliegen und noch ein letztes Mal auf seine Immigrations-Politik aufmerksam zu machen, die in den USA sehr unterschiedlich aufgenommen wurde. Zudem soll er seinen Berater gesagt haben, den Medien eine Art Abschluss-Interview zu geben. Die Berater befürchten, in diesem könnte man wieder den altbekannten Trump hören und alle versöhnlichen Töne würden verstummen.

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