Wer ist Sahra Wagenknecht?
Von der Rebellin zur Partei-Revolutionärin – und zurück

Aufstand gegen die «schlechteste Regierung aller Zeiten»: So bezeichnet Sahra Wagenknecht ihre anstehende Parteigründung. Es wird ein Hybrid zwischen links und rechts. Ein Porträt der Ausnahmepolitikerin.
Publiziert: 29.10.2023 um 15:49 Uhr
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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

Sie ist die berühmteste Linken-Politikerin Deutschlands und verhalf ihrer Partei zu Bekanntheit weit über die Landesgrenzen hinaus. Jetzt macht sie Schluss mit der Partei. Sahra Wagenknecht (54) hat ihren Austritt aus der Linken und die Gründung einer eigenen Partei angekündigt. Mit dem «Bündnis Sahra Wagenknecht» probt sie den Aufstand gegen die «schlechteste Regierung aller Zeiten» – und gegen die Partei, die ihr über 20 Jahre lang als politisches Zuhause gedient hat.

Überraschend ist das nicht, Wagenknecht eckte mit ihren Aussagen in den letzten Monaten auch im eigenen Lager wiederholt an – und findet gleichzeitig Anklang weit über ihre Stammwählerschaft hinaus. Wer ist die Frau, die in ihrer Karriere immer wieder heftige Kontroversen ausgelöst, aber genau so viel Bewunderung erhielt?

Hegel, Marx und Stalin als Vorbilder

1969 als Tochter einer deutschen Mutter und eines iranischen Vaters geboren, wuchs Wagenknecht im Kalten Krieg hinter dem Eisernen Vorhang auf, was ihre politische Prägung beeinflusst hat. Im Studium der Philosophie befasste sie sich mit Hegel, Marx und Stalin.

Die ehemalige Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht stellt eine neue Partei vor. Was steckt dahinter?
Foto: keystone-sda.ch
Sahra Wagenknecht gründet eine neue Partei und verlässt «Die Linke».
Foto: imago/Future Image
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Wagenknechts Aufstieg in der Welt der Politik begann in den 1990er-Jahren, als sie sich der postkommunistischen PDS anschloss, der Vorgängerin der heutigen Linkspartei. Im Jahr 2004 wurde sie erstmals für die Linke in den Deutschen Bundestag gewählt, ein kometenhafter Aufstieg, der ihr nicht nur Freunde brachte.

Der Moderator Günter Gaus fragte sie 2004 in seiner Interview-Reihe «Zur Person»: «Öffentlich bespöttelt, gelegentlich verhöhnt, manchmal verfemt – wie lebt es sich damit, eine Dissidentin zu sein?» Wagenknecht antwortete trocken: «Ich kann damit eigentlich leben, weil ich das Gefühl habe, dass ich nicht so eine winzige Minderheit nur repräsentiere.» Die Haltung zieht sich bis heute durch ihre politische Karriere.

Putin-Freundin wird von Höcke eingeladen

Der endgültige Bruch mit der Linken hat sich bereits zu Beginn des Ukraine-Kriegs abgezeichnet. Zusammen mit der Publizistin Alice Schwarzer (80) verfasste sie das am 10. Februar 2023 veröffentlichte Manifest für Frieden. In diesem fordern sie Bundeskanzler Olaf Scholz (65) dazu auf, nach dem russischen Überfall auf die Ukraine «die Eskalation der Waffenlieferungen zu stoppen» und stattdessen für Diplomatie und Verhandlungen einzutreten.

Der Aufruf und die darin angekündigte Kundgebung Aufstand für Frieden, auf der Wagenknecht sprach, wurden in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Der AfD-Politiker Björn Höcke (51) lobte den Aufruf Wagenknechts ausdrücklich und sah übereinstimmende Positionen, aufgrund derer er sie zu einem Eintritt in die AfD einlade. Wagenknecht wollte – und will – aber nie gemeinsame Sache mit der Rechtsaussenpartei machen. Seither war ihr Austritt aus der Partei nur eine Frage der Zeit.

Was will die neue Partei?

Mit ihrer neuen Partei, die bald aus dem «Bündnis Sahra Wagenknecht» entstehen soll, driftet die traditionell linke Politikerin weiter nach rechts. Eine «unglaubliche Repräsentationslücke» bescheinigt Wagenknecht dem deutschen Parteiensystem. Das neue Bündnis besetzt ein Feld im deutschen Parteiensystem, das bisher keine der bisherigen Parteien belegt – auch nicht die AfD.

Wagenknechts geplante Partei positioniert sich wirtschaftspolitisch links, gesellschaftspolitisch aber konservativ. Irgendwo zwischen den Linken und der AfD – bei beiden Parteien möchte Wagenknecht Stimmen abgreifen. Das ist neu für Deutschland. Ob sich ihre Vision auch durchsetzen kann, bleibt aktuell fraglich. Bereits 2018 hat sie mit ihrer Sammelbewegung «Aufstehen» versucht, die politische Landschaft Deutschlands aufzurütteln. Die Bewegung verschwand schnell wieder in der Versenkung – von ihrem jetzigen Vorhaben erhofft sie sich mehr Erfolg.

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