Wie Ware im Internet angeboten – Missbrauchsfall erschüttert Deutschland
Behörden schickten Bub (9) zu Kinderschänder zurück

Ein neunjähriger Junge aus Staufen (D) musste Unvorstellbares ertragen. Zwei Jahre lang wurde er missbraucht und vergewaltigt. Tragen die Behörden am Martyrium des Jungen eine Mitschuld?
Publiziert: 17.01.2018 um 08:26 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 15:30 Uhr
Der vorbestrafte Pädophile Christian L. (37) lebte mit dem Missbrauchsopfer (9) unter einem Dach.
Foto: ZVG
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Dominique Rais

Missbraucht, vergewaltigt und wie eine Ware im Internet angeboten. Der Fall des Neunjährigen aus Staufen (D) sorgt für Entsetzen (BLICK berichtet). Während zwei Jahren durchlebte der Sohn von Berrin T.* (47) unvorstellbare Qualen. Verantwortlich dafür: seine eigene Mutter und ihr Lebensgefährte Christian L.*(37), ein vorbestrafter Pädophiler. 

Sie gelten als Hauptverdächtige im Missbrauchsfall von Staufen. Dank eines anonymen Hinweises wurde der Pädophilen-Ring bereits im September 2017, mit der Verhaftung der beiden, von der Polizei zerschlagen. Doch erst vergangenen Donnerstag wurde der Fall publik. Seither werden immer mehr Details bekannt. Die zuständigen Behörden geraten zunehmend in die Kritik. Hätte das Martyrium des Jungen verhindert werden können?

Behörden haben nicht gehandelt

Christian L. ist einschlägig vorbestraft. Im August 2010 stand er wegen des Missbrauchs einer damals 13-Jährigen in 23 Fällen und des Besitzes von Kinderpornografie vor dem Landgericht Freiburg. L. legt ein Geständnis ab. Das Landgericht Freiburg verurteilte L. zu vier Jahren und drei Monaten Haft, wie die «Badische Zeitung» schreibt.

Angelika L., die Mutter des Pädophilen Christian L., sagt im Interview mit «Spiegel TV», dass er eine «schwere Kindheit» gehabt habe. Er sei ein ungewolltes Kind gewesen. Denn L. sei aus einer Vergewaltigung hervorgegangen. Der Vater sei Alkoholiker gewesen und habe ihn oft geschlagen. Es sind die verzweifelten Versuche einer Mutter, Erklärungen für das grauenhafte Verhalten ihres Sohnes zu finden. Dennoch sei er für sie gestorben. «Was er getan hat, ist widerwärtig», so die L.'s Mutter zu «Bild am Sonntag».

Dem heute 37-Jährigen wurde mit der Verurteilung im Jahr 2010 zudem der Kontakt zu Kindern und Jugendlichen untersagt. Trotzdem lebte L. mehr als ein Jahr mit dem Missbrauchsopfer und dessen Mutter unter einem Dach. Ein klarer Verstoss gegen die Auflagen. Geahndet wurde dieser jedoch nicht.

Zurück in die Obhut der Mutter

Erst im Frühling 2017 wird ein Ermittlungsverfahren wegen L.s Verstoss gegen das Kontaktverbot aufgenommen. Das Jugendamt des Kreises Breisgau-Hochschwarzwald nimmt den Jungen vorläufig in Obhut. Doch das Familiengericht sieht davon ab, das Kind langfristig von seiner Mutter zu trennen. 

Der damals Achtjährige wird nur Tage später wieder in die Obhut von Berrin T. übergeben. Die Auflage: L. darf die Wohnung in Staufen nicht betreten, und gemeinsame Aktivitäten zwischen dem Jungen und L. sind verboten. Kontrolliert wurde das jedoch nicht – ein schlimmer Fehler.

Keinerlei «Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Kindes»

Im Juli 2017 wird er vom Amtsgericht Staufen zu vier Monaten Haft verurteilt. L. legt Berufung ein. Das Urteil wird nie rechtskräftig. Der Missbrauchsfall des neunjährigen Jungen aus Staufen ist laut Landeskriminalamt (LKA) der schwerste Fall von sexuellem Missbrauch in Baden-Württemberg, mit dem es die Behörden je zu tun hatten.

Wie gross ist die Mitschuld der Behörden am Martyrium des Neunjährigen? Gericht und Jugendamt weisen entsprechende Vorwürfe von sich, denn schliesslich habe es keinerlei «Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Kindes» gegeben.

Doch Fakt ist: Der Neunjährige wurde mehrfach missbraucht und vergewaltigt. Nebst Berrin T. und Christian L. wurden sechs weitere Pädophile verhaftet. Einer von ihnen ist laut der Freiburger Oberstaatsanwalt ein 37-jähriger Schweizer. Er stammt aus dem Kanton St. Gallen, wie «20 Minuten» schreibt.

*Namen der Redaktion bekannt

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