Wieder Häftlings-Horror in Belarus
Regime-Kritiker sticht sich vor Gericht mit Stift in den Hals

Statt sich vor Gericht zu verteidigen, nutzt ein Regime-Kritiker in Belarus seinen Prozess und berichtet von Folter. Dann begeht der Aktivist vor den anwesenden Zuschauern einen Suizidversuch.
Publiziert: 01.06.2021 um 19:33 Uhr

Wieder schockiert eine Meldung eines Häftlings aus Belarus. Nachdem vergangene Woche die erzwungene Zwischenlandung eines Flugzeugs zur Festnahme von Regierungs-Kritiker Roman Protasewitsch (26) geführt hatte und international Entsetzen auslöste, ist es jetzt erneut zu tragischen Szenen mit einem Regime-Gegner in der Diktatur gekommen.

Seit vergangenem September sitzt der 41-jährige Aktivist Stepan Latypov im Knast, nachdem er bei Demonstrationen gegen das Regime festgenommen worden war. Am Dienstag muss er schliesslich in der belarussischen Hauptstadt Minsk vor Gericht erscheinen. Doch dort erwartet der Gegner von Belarus-Diktator Alexander Lukaschenko (66) offenbar keinen fairen Prozess. Stattdessen nutzt der Häftling den Prozess für eine Verzweiflungstat.

Latypov versucht gar nicht erst, sich zu verteidigen

Latypov nimmt im Gerichtssaal hinter dicken Gitterstäben auf einer Holzbank Platz. Als ihm das Wort übergeben wird, versucht er gar nicht, sich gross zu verteidigen. Er nutzt die Gelegenheit und sagt das, was Lukaschenko und der ganze belarussische Machtapparat unbedingt geheim halten wollen: Insgesamt 51 Tage lang sei er gefoltert und gequält worden. Dann richtet sich Latypov direkt an seinen Vater und sagt: «Papa, sie haben mir geschworen, dass sie auch auf meine Familie und Verwandten losgehen werden, sollte ich mich vor Gericht nicht schuldig bekennen!»

Belarus-Aktivist Stepan Latypov beging vor Gericht einen Suizidversuch.
Foto: Screenshot Twitter
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Dann steigt Latypov auf die Holzbank in seiner Zelle, zieht einen Stift hervor und sticht sich damit in den Hals. Die anwesenden Wärter können den Suizidversuch nicht verhindern. Im Saal bricht lautes Geschrei aus. Es dauert eine ganze Weile, bis die Beamten die Schlüssel für die Zellentür hervorgeholt und aufgeschlossen haben. Als sie endlich zum Angeklagten gelangen, hat der bereits das Bewusstsein verloren.

Wie es Stepan Latypov geht, ist unklar. Lokale Medien berichten, der Gefangene sei am Leben, sein Zustand sei aber kritisch. Videoaufnahmen zeigten, wie der 41-Jährige blutverschmiert aus dem Gerichtsgebäude getragen wird. (cat)

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Diese Stellen sind rund um die Uhr für Menschen in suizidalen Krisen und für ihr Umfeld da:

Adressen für Menschen, die jemanden durch Suizid verloren haben

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