Wird AfD jetzt stärkste Kraft?
5 Szenarien, wie es nach dem Wahl-Knall in Thüringen weitergehen kann

Thomas Kemmerich will nun doch Neuwahlen in Thüringen. Das könnte die Rechtspopulisten stärken. Doch auch andere Szenarien sind denkbar.
Publiziert: 07.02.2020 um 14:35 Uhr
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Aktualisiert: 05.03.2020 um 10:07 Uhr
Fabienne Kinzelmann

Thomas Kemmerich (54) ist der 24-Stunden-Mann. «Der Rücktritt ist unumgänglich», musste der mit den Stimmen der rechtspopulistischen AfD gewählte Ministerpräsident nach gerade mal einem Tag einräumen.

Wie geht es nach dem AfD-Coup weiter in Thüringen? BLICK erklärt die fünf möglichen Szenarien:

1. Neuwahlen

Die FDP will Neuwahlen beantragen. Ein Antrag müsste von mindestens einem Drittel der Thüringer Abgeordneten beschlossen werden – die FDP selbst hat nur 5 der nötigen 30. Danach wird es noch schwieriger: Damit es tatsächlich zu Neuwahlen kommt, müssten dem Antrag dann mindestens zwei Drittel der Abgeordneten (60 von 90) stimmen.

Thomas Kemmerich will sein Ministerpräsidenten-Amt abgeben.
Foto: imago
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Doch die Thüringer CDU (21 Stimmen) rebelliert gegen Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer (57). Die Fraktion unter Landeschef Mike Mohring (48) hat sich gegen Neuwahlen ausgesprochen. FDP, SPD, Grüne und Linke haben zusammen nur 47 Stimmen. Möglicherweise müsste die FDP also auf Stimmen von rechts hoffen: Die AfD hat 22 Abgeordnete im Landtag.

2. Vertrauensfrage

Bekommt er keine Zwei-Drittel-Mehrheit für Neuwahlen, will Kemmerich die Vertrauensfrage stellen. Verliert er sie, muss innerhalb von drei Wochen ein neuer Ministerpräsident gewählt werden – ansonsten gibt es Neuwahlen. Und zwar innerhalb von 70 Tagen.

Egal, welche der beiden Möglichkeiten zu Neuwahlen führt: Die Sorge ist gross, dass Neuwahlen die AfD stärken. Bereits aus der Landtagswahl im Oktober gingen sie als zweitstärkste Kraft hervor. Nachdem FDP und CDU beim Wahl-Knall um Ministerpräsident Thomas Kemmerich keine gute Figur abgegeben haben, könnten die politischen Ränder weiter gestärkt werden. Konservative CDU- und FDP-Wähler, die die Linke klar ablehnen, könnten ihre Stimme bei Neuwahlen der AfD geben.

3. Misstrauensvotum

Bereits vor Kemmerichs Rücktrittserklärung haben Linke, SPD und Grüne über ein Misstrauensvotum nachgedacht. Eine Fraktion oder mindestens ein Fünftel der Abgeordneten könnte einen Misstrauensantrag gegen Kemmerich einreichen. Dazu muss lediglich das Misstrauensvotum nach Artikel 73 auf die Tagesordnung gesetzt werden.

Bei einem Misstrauensvotum bräuchte es einen Gegenkandidaten zu Kemmerich. In der Thüringer Landesverfassung heisst es dazu: «Der Landtag kann dem Ministerpräsidenten das Misstrauen nur dadurch aussprechen, dass er mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt.»

Enthält sich die CDU, könnte Rot-Rot-Grün, die bereits einen Koalitionsvertrag ausgehandelt haben, also Kemmerich mit dem bisherigen Amtsinhaber Bodo Ramelow (Linke) ersetzen.

4. Expertenregierung

Eine andere Lösung: Der FDP-Politiker Thomas Kemmerich könnte eine Expertenregierung führen. Dafür spricht sich zum Beispiel die Werteunion, ein Zusammenschluss konservativer Christdemokraten, aus. Werteunion-Chef Alexander Mitsch (53): «Vielleicht eine überparteiliche.» Neuwahlen würden das Problem nicht lösen, sondern die politischen Ränder stärken.

Ein prominentes Vorbild dafür gibt es in Österreich: Hier führte die parteilose Brigitte Bierlein (70) nach der Ibiza-Affäre von Juni 2019 bis Januar 2020 eine solche Expertenregierung.

5. Minderheitsregierung

Eine Minderheitsregierung könnte es nach einem konstruktiven Misstrauensvotum mit Rot-Rot-Grün geben. Immer noch nicht ganz vom Tisch ist allerdings auch eine Minderheitsregierung unter Thomas Kemmerich.

SPD und Grüne haben ihm dafür zwar eine Absage erteilt, doch die CDU in Thüringen könnte sich darauf noch einlassen. Sie hat sich gegen den Wunsch der Bundes-CDU unter Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer gegen Neuwahlen ausgesprochen und will erstmal nach einer «politischen Lösung» suchen. Zusammen kämen die beiden Parteien allerdings nur auf 26 Stimmen und müssten bei jedem politischen Vorhaben umständlich neue Mehrheiten suchen.

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