Auf den Spuren des Mythos Lotus
Vier Liebesgeschichten auf Speed

Einmal Lotus, immer Lotus: Wer einmal am Steuer eines dieser legendären Sportwagen sass, ist ihm verfallen. SonntagsBlick besucht einen Lotus Track Day auf dem Anneau du Rhin, wo uns vier Schweizer Fahrer ihre Lotus-Liebesgeschichte erzählen.
Publiziert: 05.01.2020 um 04:55 Uhr
Martin A. Bartholdi

«Man kennt sich, auch wenn man sich nicht kennt.» So umschreibt Dino Wintsch (43) den Spirit von Lotus-Fahrern untereinander. Wintsch zieht den Reissverschluss seines Rennoveralls hoch, zieht sich den Helm über den verschwitzten Kopf und steigt wieder in seine – je nach Modell tragen Lotus teils weibliche «Nachnamen» – Exige 430 Cup. Mit aufheulendem 3,5-Liter-Motor kehrt er auf die elsässische Rennstrecke Anneau du Rhin (F) zurück.

Wintsch ist einer von 100 Teilnehmern des Track Days. Der St. Galler Händler Lotus West, grösste Vertretung der britischen Traditionsmarke in der Schweiz, organisiert alljährlich einen Tag auf der Rennstrecke für Kunden und Schweizer Lotus-Fans. Keine kleine Fangemeinde, wie die über 100 Track-Day-Teilnehmer beweisen. Dies trotz der bewegten Lotus-Geschichte – und unsicheren Zukunft.

Wie ein Mythos entsteht

Anno 1952 gründete Colin Chapman (1928–1982) sein Lotus Engineering und entwickelte Sportwagen für Rennstrecke und Strasse. Die spektakulären Autos von Lotus Cars werden zu Legenden, etwa der Esprit von 1976 als Dienstwagen von James Bond, als der Bolide sich in «Der Spion, der mich liebte» (1977) in ein U-Boot verwandelt. Gleichzeitig revolutioniert Chapman die Formel 1: Er führt das Monocoque-Chassis ein, etabliert die noch heute genutzte Bauform mit seitlichen Kühlern, nutzt als Erster den Bodeneffekt für mehr Anpressdruck. Der Erfolg gibt ihm mit sechs Fahrer- und sieben Konstrukteurstiteln recht.

Einmal im Jahr organisiert die Garage Lotus West aus St. Gallen für ihre Kunden und andere Lotus-Fans einen Track Day.
Foto: Alois Bucher
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Der Ideenreichtum des erfinderischen Briten begeistert Lotus-Fans noch heute. «Chapman hat immer nach einem neuen Kniff oder Schlupfloch im Reglement gesucht», erzählt Thomas Eggel (56), der aus dem Wallis hierher gekommen ist. Ihn fasziniert der Leichtbau: «Ein BMW M2 oder ein Porsche 911 GT3 RS haben mehr Power, sind gegen eine Exige aber chancenlos, weil zu schwer.»

Liebe nach der ersten Kurve

Die Faszination Lotus erschliesst sich beim Fahren – da sind sich hier alle einig. Martin Alge (48) erlebte das auf seiner Elise-Probefahrt. «Die Elise war quasi sofort gekauft. Ich fragte mich nur noch, wie ich das dem Verkäufer nicht so offensichtlich zeigen könnte – aber das ging nicht!» Alle loben das puristische Fahrvergnügen mit wenig Elektronik, dafür präziser Lenkung und knackiger Handschaltung. «Ein Lotus sieht nicht nur wie ein Sportwagen aus, sondern fährt sich so», sagt Alge. Christian Nüssli (58) ergänzt: «Einen Lotus können Sie beim Händler kaufen, auf der Strasse zur nächsten Rennstrecke fahren und gleich beim Rennen starten – und erst noch in die vorderen Ränge fahren.»

Nüssli weiss, wovon er spricht, war er doch 30 Jahre lang Rennen gefahren, bis es den Reiz verlor. Doch sein erster Lotus brachte ihn dazu, den Rennhelm prompt wieder vom Nagel zu nehmen. «Ich habe für die Strasse eine Elise gekauft und beim Fahren gemerkt: Mir fehlt was.» Nüssli fuhr mit der Elise Bergrennen und Slalom. Heute startet er im Lotus V6 Cup Suisse (siehe Box).

Lotus V6 Cup Suisse

Der Lotus V6 Cup Suisse richtet sich an alle Schweizer Fahrer von Lotus-V6-Modellen, sprich Exige und Evora. Norbert Sieber, Chef von Lotus West in St. Gallen, rief den privaten Markenpokal 2017 ins Leben. «Die Idee entstand im Gespräch mit Kunden, der Cup steht aber allen Lotus-V6-Besitzern offen.»

Bei der ersten Durchführung nahmen zwölf Fahrer am Lotus V6 Cup Suisse teil. Nach 13 Teilnehmern 2018 hatten sich 2019 schon 21 Fahrer eingeschrieben. Sie traten in den Kategorien «Production» (Serienautos) und «Competition» (Rennfahrzeuge) an. Dieses Jahr findet der private Markenpokal bereits zum vierten Mal statt. Die Anmeldung wird am 10. Januar 2020 freigeschaltet.

Rennkalender:

4. April Slalom Interlaken BE

25. April Slalom Frauenfeld TG

16. Mai Slalom Bière VD

27. Juni Slalom Chamblon VD

10./ 11. Juli Bergslalom Stuben am Arlberg (A)

19./ 20. September Bergslalom Eichenberg (A)

26. September Slalom Romont FR

10. Oktober Slalom Ambrì TI

Der Lotus V6 Cup Suisse richtet sich an alle Schweizer Fahrer von Lotus-V6-Modellen, sprich Exige und Evora. Norbert Sieber, Chef von Lotus West in St. Gallen, rief den privaten Markenpokal 2017 ins Leben. «Die Idee entstand im Gespräch mit Kunden, der Cup steht aber allen Lotus-V6-Besitzern offen.»

Bei der ersten Durchführung nahmen zwölf Fahrer am Lotus V6 Cup Suisse teil. Nach 13 Teilnehmern 2018 hatten sich 2019 schon 21 Fahrer eingeschrieben. Sie traten in den Kategorien «Production» (Serienautos) und «Competition» (Rennfahrzeuge) an. Dieses Jahr findet der private Markenpokal bereits zum vierten Mal statt. Die Anmeldung wird am 10. Januar 2020 freigeschaltet.

Rennkalender:

4. April Slalom Interlaken BE

25. April Slalom Frauenfeld TG

16. Mai Slalom Bière VD

27. Juni Slalom Chamblon VD

10./ 11. Juli Bergslalom Stuben am Arlberg (A)

19./ 20. September Bergslalom Eichenberg (A)

26. September Slalom Romont FR

10. Oktober Slalom Ambrì TI

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Verschlungene Liebespfade

Wie eng die Verbindung zwischen einem Lotus und seinem Fahrer sein kann, zeigt sich bei Thomas Eggel. Er musste seinen Elan verkaufen, als er Vater wurde. Doch den Verkauf bereute er stets, und acht Jahre später gab er der Versuchung nach und kaufte sich einen neuen. «Der Zufall wollte es, dass ich meinen eigenen Elan wiedergefunden habe», erinnert er sich. «Der Besitzer hatte nichts verändert. Als ich einstieg, wars, als hätten die acht Jahre ohne Elan nie existiert.»

Die nächste Lotus-Liebe?

Solche Liebesgeschichten und Lobgesänge sind an der Strecke allgegenwärtig. Dass die drei aktuellen Modelle Elise, Exige und Evora runde zehn Jahre alt sind und die Marke immer mal wieder kurz vor dem endgültigen Aus steht, will hier niemand hören. Doch Fakt ist: Zahlreiche Besitzerwechsel haben nach dem Tod von Gründer Chapman 1982 den Mythos verblassen lassen. Seit 2017 gibt es jedoch wieder Hoffnung: Lotus ist seither Teil des chinesischen Geely-Konzern, der schon Volvo wieder in die Spur gebracht hat. Mit Milliarden-Investitionen und dem 2000-PS-Elektrosportler Evija soll Lotus ein Porsche-Schreck werden.

Doch die Lotus-Fahrer und -Fans auf dem Anneau du Rhin kümmerts nicht sonderlich. «Lotus war immer ein Underdog, man gönnt der Marke Siege», sagt Wintsch – und findet, es solle so bleiben. Er begrüsst neue Modelle, aber sie müssten den Lotus-Spirit haben: puristisch, leicht und weiterhin ohne Zwischenstopp von der Strasse auf die Rennstrecke. «Ein bisschen hemdsärmelig eben. Dafür wurde ein Lotus früher belächelt, aber heute weiss jeder, wie schnell er ist.»

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