Schweizer Segelteam will neuen Speed-Weltrekord
Wenn Segeln zum Fliegen wird

80 Knoten oder 150 km/h: So schnell will ein Team aus der Romandie mit dem selbst gebauten Boot SP80 nur mit Windkraft übers Wasser segeln – und einen neuen Geschwindigkeits-Weltrekord für Segelboote aufstellen.
Publiziert: 16.12.2023 um 11:10 Uhr
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Aktualisiert: 16.12.2023 um 11:17 Uhr
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Raoul SchwinnenRedaktor Auto & Mobilität

Spätestens seit die Schweizer Segelyacht Alinghi 2003 als erstes europäisches Schiff den renommierten America’s Cup gewann und diese Trophäe vier Jahre später erfolgreich verteidigte, bezeichnen wir Schweizer uns gerne auch als Segelnation.

Diesen Ruf untermauern möchte jetzt eine rund 50-köpfige Crew aus der Westschweiz unter Führung der drei begeisterten Wassersportlern Mayeul van den Broek, Benoit Gaudiot und Xavier Lepercq. Das Trio wurde in seiner Jugend vom Hydroptère inspiriert – ein Segelboot, das 2009 die mythische Tempogrenze von 50 Knoten (92 km/h) übertraf. Folglich studierten sie an der Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) Maschinenbau und lernten sich 2016 bei einem Designwettbewerb für funkferngesteuerte Boote kennen.

Vom Kitesport inspiriert

Mit denselben Interessen hatten die drei Freunde, der begeisterte Kitesurfer Benoit, Segler Mayeul und Ingenieur Xavier, schnell die Idee eines gemeinsam Temporekord-Projekts auf Wasser geboren. 2018 starteten sie ihr Vorhaben und statteten Kitesurfbretter mit belüfteten Kohlefaser-Flossen aus. Erste Versuche waren vielversprechend: Benoit schaffte in Südfrankreich ein Tempo von 41 Knoten (75,9 km/h). «Danach hatten wir Gewissheit, dass unsere Profil-Flossen zusammen mit einem Kite-Segel enormes Potenzial bieten», so Xavier Lepercq. Mithilfe eines selbst programmierten Simulators kam er zum Schluss, dass ein 80 Knoten schnelles Segelboot möglich sein sollte, mit dem der aktuelle Speedrekord von 2012 (65,45 Knoten bzw. 121,21 km/h) deutlich übertroffen werden kann. Das Projekt SP80 war geboren.

Dieses von einem Westschweizer Team gebaute Segelboot soll nächstes Jahr mit 80 Knoten (150 km/h) einen neuen Geschwindigkeits-Weltrekord aufstellen.
Foto: ZVG.
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In der Theorie war alles klar. Jetzt musste das schnellste Segelboot «nur» noch gebaut werden. Der erste Schritt dazu war ein massstabsgetreues Modell. Verschiedene Formen von Drachen und superventilierten Flossen wurden dazu entworfen und getestet. Nach vielen Monaten Entwicklungsarbeit und Änderungen am ursprünglichen Konzept segelte 2020 zum ersten Mal ein vier Meter langes, massstabsgetreues Modell auf dem Genfersee. Ein erstes Erfolgserlebnis.

Namhafte Sponsoren steigen ein

Dank namhafter Sponsoren wie der Schweizer Uhrenmarke Richard Mille und dem Münchner Autobauer BMW nimmt das Projekt weiter Fahrt auf. Das Schweizer Team beauftragt die renommierte italienische Werft Persico Marine mit dem Bau der kleinen Segelrakete. Im Frühling 2022 wird der Hauptrumpf mit dem Cockpit in die Werkstatt von SP80 an den Genfersee geliefert. Dort wird das Speed-Segelboot, dessen Form an einen Tarnkappenbomober erinnert, fertiggestellt und im August 2023 erstmals auf dem Genfersee zu Wasser gelassen.

Die Technik des SP80

Das rund zehn Meter lange und sieben Meter breite Schweizer Speedrekord-Segelboot SP80 setzt sich aus drei Hauptkomponenten zusammen: Das Cockpit ist der Aufenthaltsort der beiden Piloten und zentralisiert alle Befehle zur Boots- und Drachensteuerung. «Bei einem Tempo von 80 Knoten (150 km/h) kommen die nötigen Sicherheitsmassnahmen denen eines Kampfjets nahe», sagt Ingenieur Xavier Lepercq.

Das wichtigste Element an Bord ist das sogenannte Leistungsmodul. Dieses mechanische System regelt effizient die Kraftübertragung zwischen dem Kitesegel, den Hydrofoils und dem Boot und sorgt gleichzeitig für die Stabilität bei hohem Tempo. Der Drachen ist quasi der Motor des Boots. Das Kitesegel fängt die Windkraft ein und wandelt sie in Verbindung mit dem Haupttragflügelboot in Antriebskraft um. Für eine optimale Leistung lässt sich seine Grösse mit einer Fläche von 20 bis 50 Quadratmeter an die Windverhältnisse anpassen.

Das rund zehn Meter lange und sieben Meter breite Schweizer Speedrekord-Segelboot SP80 setzt sich aus drei Hauptkomponenten zusammen: Das Cockpit ist der Aufenthaltsort der beiden Piloten und zentralisiert alle Befehle zur Boots- und Drachensteuerung. «Bei einem Tempo von 80 Knoten (150 km/h) kommen die nötigen Sicherheitsmassnahmen denen eines Kampfjets nahe», sagt Ingenieur Xavier Lepercq.

Das wichtigste Element an Bord ist das sogenannte Leistungsmodul. Dieses mechanische System regelt effizient die Kraftübertragung zwischen dem Kitesegel, den Hydrofoils und dem Boot und sorgt gleichzeitig für die Stabilität bei hohem Tempo. Der Drachen ist quasi der Motor des Boots. Das Kitesegel fängt die Windkraft ein und wandelt sie in Verbindung mit dem Haupttragflügelboot in Antriebskraft um. Für eine optimale Leistung lässt sich seine Grösse mit einer Fläche von 20 bis 50 Quadratmeter an die Windverhältnisse anpassen.

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Damit beginnt ein neues Kapitel für die Schweizer Rekordjäger. Nach der Theorie folgt jetzt der praktische Teil. Nach einer Woche Schleppversuchen auf dem Genfersee wird das Boot für erste Drachensegelfahrten ans Mittelmeer in den französischen Surfhotspot Leucate transportiert. Dort finden jetzt weitere Tests statt, ehe im nächsten Jahr das Schweizer Rekordboot SP80 mit 80 Knoten den bestehenden Weltrekord von 65,45 Knoten pulverisieren will.

Container-Schifffahrt soll profitieren

Natürlich ist der Temporekord für das Westschweizer-Team SP80 wichtig. «Aber es geht nicht nur um den Rekord, sondern auch um neue Technologien, die das Segeln effizienter machen», erklärt das Team. Tatsächlich könnten die beim Rekordversuch unter Extrembedingungen gewonnen Erfahrungen und Daten am Ende dazu beitragen, die kommerzielle Schifffahrt weniger klimaschädlich zu machen. Denn auch in der Container-Schifffahrt wird bereits mit Kites und ähnlichen unterstützenden Antrieben experimentiert, die den Treibstoffverbrauch um bis zu 20 Prozent senken sollen.

Und so hofft das nautikbegeisterte Tüftlertrio aus der Romandie auf eine erfolgreiche Rekordfahrt mit dem SP80, aber auch, dass es seine Idee später kommerzialisieren kann.

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