«Es können nicht alle drinnen schlafen»
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Tüftler zeigen Solar-Mobil:«Es können nicht alle drinnen schlafen»

Solar-Gipfelstürmer-Projekt «Peak Evolution» verschoben
Schweizer Behörden bremsen Höhen-Weltrekordler

Die Brüder Patrik und David Koller sowie David Pröschel wollen zum Gipfel des 6893 Meter hohen Ojos del Salado in Chile hochfahren. Dazu bauten sie einen Mehrzweck-Transporter zum Solar-E-Mobil um. Jetzt ist das Fahrzeug fertig, dennoch muss die Expedition warten.
Publiziert: 30.10.2022 um 04:16 Uhr
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Aktualisiert: 31.10.2022 um 08:35 Uhr
Raoul Schwinnen

Was nach einer Stammtisch-Idee von drei jungen Abenteurern klingt, hat einen seriösen Hintergrund. Für mehr Aufmerksamkeit ihres Vorhabens, schwere Landmaschinen von Diesel- auf umweltfreundlichen Elektroantrieb umzurüsten, entwickelten Patrik (28) und David Koller (30) sowie David Pröschel (31) das Projekt «Peak Evolution». Ziel: ein neuer Höhen-Weltrekord für Landfahrzeuge.

Nach drei Jahren Entwicklungs- und Umbauzeit und einigen Rückschlägen haben die drei Jugendfreunde aus dem Engadin eine erste Etappe geschafft. Ihr umgebautes Aebi-Expeditions-Elektrofahrzeug «Terren» (rätoromanisch für Erde) ist fertig und startklar fürs geplante Abenteuer (siehe Box). Der Dieselantrieb wurde durch zwei E-Motoren mit total 380 PS ersetzt. Damit ist der fünf Meter lange und 2,15 Meter breite Terren mehr als doppelt so stark wie das Basisfahrzeug Aebi VT 450. Viel Drehmoment und extragross dimensionierte 42-Zoll-Räder ermöglichen das Erklimmen einer Steigung von bis zu 100 Prozent mit einem Gesamtgewicht von zehn Tonnen (Leergewicht 4 t, Zuladung 6 t). Damit hat Terren mehr Zugkraft als ein durchschnittlicher 40-Tonnen-Sattelschlepper.

Bundespräsident begeistert

An der kürzlich zu Ende gegangenen Olma in St. Gallen war das Fahrzeug während zehn Tagen in voller Expeditionsausstattung inklusive eines mobilen Solarkraftwerks zu bestaunen. Selbst Bundespräsident Ignazio Cassis (61) machte sich ein Bild vom Fortschritt der E-Mobilität im Kommunal- und Landwirtschaftsbereich. Der Aussenminister wünschte dabei den Abenteurern viel Glück für ihre geplante Expedition und zeigte sich stolz, dass Schweizer Innovation so prominent in die Welt hinausgetragen wird.

Vor drei Jahren begannen die drei Freunde und Tüftler Patrik und David Koller sowie David Pröschel (v.r.) in ihrer Werkstatt in Sevelen SG mit der Entwicklung und dem Umbau eines Aebi-Mehrzwecktransporters.
Foto: Joseph Kakshouri/SI
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So läuft die Rekord-Expedition

Weil sich der Höhen-Weltrekord im Januar 2023 nicht mehr realisieren lässt, wird er um ein Jahr verschoben. Das heisst: Die Mission «Peak Evolution» startet neu voraussichtlich im September 2023 in der Werkstatt des Trios in Sevelen SG.

Während rund zwei Wochen und mit voraussichtlich vier Ladestopps stromert der maximal 40 km/h schnelle Terren nach Rotterdam (NL), wo er in einem 40-Fuss-Container nach Valparaiso in Chile verschifft wird. Nach 36 Tagen Überfahrt und der Ankunft in Chile fahren die Abenteurer auf 3700 m ü. M. zum Salar de Maricunga in der Nähe des Ojos del Salado. Dort tasten sie sich mit Erkundungstouren und weiteren Testfahrten an die ungewohnten Verhältnisse heran.

Zwei Wochen später folgt der Aufstieg zum Camp Atacama auf 5200 m ü. M., dem Basislager des Ojos del Salado. Während rund fünf Tagen will man dort die letzten Vorbereitungen treffen und auf ideales Gipfelstürmer-Wetter warten. Stimmen die Bedingungen, startet der Versuch, bis zum Kraterrand des 6893 m ü. M. gelegenen höchsten Vulkans in Chile hochzufahren. Langsam und voraussichtlich in rund fünf Tagen will der mit Energie aus mitgeführten Solarpanels gespeiste Terren den Ojos del Salado erklimmen – und so einen neuen Höhen-Weltrekord für Fahrzeuge aller Art schaffen. Bisher steht dieser bei 6688 Metern.

Mit 6893 Metern ist der Ojos del Salado der höchste aktive Vulkan Chiles.
Shutterstock

Weil sich der Höhen-Weltrekord im Januar 2023 nicht mehr realisieren lässt, wird er um ein Jahr verschoben. Das heisst: Die Mission «Peak Evolution» startet neu voraussichtlich im September 2023 in der Werkstatt des Trios in Sevelen SG.

Während rund zwei Wochen und mit voraussichtlich vier Ladestopps stromert der maximal 40 km/h schnelle Terren nach Rotterdam (NL), wo er in einem 40-Fuss-Container nach Valparaiso in Chile verschifft wird. Nach 36 Tagen Überfahrt und der Ankunft in Chile fahren die Abenteurer auf 3700 m ü. M. zum Salar de Maricunga in der Nähe des Ojos del Salado. Dort tasten sie sich mit Erkundungstouren und weiteren Testfahrten an die ungewohnten Verhältnisse heran.

Zwei Wochen später folgt der Aufstieg zum Camp Atacama auf 5200 m ü. M., dem Basislager des Ojos del Salado. Während rund fünf Tagen will man dort die letzten Vorbereitungen treffen und auf ideales Gipfelstürmer-Wetter warten. Stimmen die Bedingungen, startet der Versuch, bis zum Kraterrand des 6893 m ü. M. gelegenen höchsten Vulkans in Chile hochzufahren. Langsam und voraussichtlich in rund fünf Tagen will der mit Energie aus mitgeführten Solarpanels gespeiste Terren den Ojos del Salado erklimmen – und so einen neuen Höhen-Weltrekord für Fahrzeuge aller Art schaffen. Bisher steht dieser bei 6688 Metern.

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Beste Voraussetzungen, um diese Woche wie geplant mit dem grossen Abenteuer und der Verschiffung des Expeditionsfahrzeugs nach Chile zu starten. Wären da nicht die Schweizer Zulassungsbehörden mit ihrem undurchschaubaren Bürokratismus. «Das Problem ist nicht, dass die Anforderungen an die Strassenzulassung von Elektroumbauten zu hoch sind, sondern dass es schlicht keine einheitlich definierten Anforderungen gibt», enerviert sich David Pröschel. «Diese jetzt mit den zuständigen Institutionen festzulegen, hat uns Wochen gekostet und uns im Zeitplan zurückgeworfen», ärgert sich auch Patrik Koller. Wenn das Team deshalb einen Wunsch an die Politik frei hätte, wären das konkrete, auf Sicherheitsaspekte fokussierte Prüfkriterien statt wie jetzt landesweiter Wildwuchs, der jegliche Innovationskraft einbremst.

Dieser für die Abenteurer ärgerliche Behörden-Bürokratismus hat zur Folge, dass die Zeit, die Expedition noch dieses Jahr zu wagen, zu knapp wird. «Das Wetter für ein erfolgreiches Erklimmen des mit 6893 Meter höchsten aktiven Vulkans der Welt ist nur von November bis Januar geeignet», weiss David Koller. Abzüglich der Zeit für die Verschiffung und den Transfer ins Basecamp sowie das Akklimatisieren an die ungewohnte Höhe würden für den eigentlichen Rekordversuch nur noch wenige Tage bleiben – ohne Reserve für allfällige Verzögerungen. «Und wenn wir etwas aus den letzten drei Jahren gelernt haben, ist es die Tatsache, dass wir uns auf nichts verlassen dürfen, und wir immer mit bösen Überraschungen rechnen müssen», so David Pröschel.

Mission startet im September 2023

Nach langem Erwägen verschiebt das Trio deshalb die Expedition um ein Jahr. Der Start erfolgt neu voraussichtlich im September 2023. «Wieder ein Rückschlag», gibt David Koller zu. Doch will man jetzt versuchen, das Beste aus der Situation zu machen. «Wir nutzen die Zeit, um unser Fahrzeug in der Schweiz ausgiebig zu testen und die kommerzielle Seite unseres Unternehmens weiter voranzutreiben, indem wir das neue elektrische Antriebssystem im Arbeitsalltag im Kommunaldienst und in Skigebieten testen» gibt sich David Koller optimistisch. Oder indem weitere Sponsoren ins Boot geholt werden. «Trotz grosser Unterstützung hätten wir dieses Jahr unsere Expedition finanziell mit sehr knappem Budget realisiert», sagt Patrik Koller.

Jetzt hofft das Team auf weitere Sponsoren, damit sich das Abenteuer auch punkto Marketing professionell umsetzen lässt. So begleitet seit einem Jahr der renommierte Schweizer Doku-Filmer Claudio von Planta das Projekt – allerdings auf eigenes Risiko. Patrik Koller: «Die Zeit war zu kurz, um eine professionelle Finanzierung für die Verfilmung auf die Beine zu stellen.» Das soll sich jetzt ändern: Um bei der Wahl des Vertriebskanals unabhängig zu bleiben, will man den Doku-Film mithilfe des Verkaufs von NFTs (Non-Fungible Tokens) finanzieren (mehr Infos gibts unter www.peakevolution.ch).

Doch das abenteuerlustige Trio ist sich einig: Sein Weltrekordversuch ist «nur» Mittel zum Zweck. «Wir wollten ein elektrisches Arbeitsfahrzeug entwickeln. Und dieses steht jetzt fixfertig bereit. Damit ist ein erstes Ziel erreicht.»


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