Ausschnitt aus dem Verkaufsprospekt von 1971.

Dino 246 GT
Der schönste Ferrari, der kein Ferrari war

Danny Wilde, alias Tony Curtis, steigt in Nizza aus dem Privatjet, am Fussende der Flugzeugtreppe steht bereits ein orange-roter Dino 246 GT bereit ...
Publiziert: 17.05.2011 um 23:53 Uhr
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Aktualisiert: 15.04.2019 um 18:25 Uhr
Von Bruno von Rotz

Danny Wilde, alias Tony Curtis, steigt also in Nizza aus dem Privatjet und am Fussende der Flugzeugtreppe steht bereits ein orange-roter Dino 246 GT bereit. So führt die erste Episode der Fernsehserie «Die Zwei» (englisch: The Persuaders) einen der Hauptdarsteller ein und es dauert keine zwei Minuten, da gestellt sich Lord Brett Sinclair, alias Roger Moore, mit einem gelben Aston Martin DBS V8 dazu und eine herrliche Wettfahrt noch Monte Carlo bahnt sich an, bei der Verkehrsregeln nur eine beschränkte Rolle zu spielen scheinen. Runde 3 1/2 Minuten dauert die unterhaltsame Fahrt und zeigt den Dino 246 GT von seiner besten Seite.

Eigentlich kein Ferrari

Bei einer Online-Abstimmung einer grossen Ferrari-Community wurde der Dino zum schönsten Strassen-Ferrari aller Zeiten erkoren. Ein grosses Kompliment für ein Fahrzeug, das nie ein Ferrari-Markenemblem trug und unter der separaten Marke «Dino» vermarktet wurde.

Ferrari wollte zu der Zeit unter der Marke Ferrari keine Autos mit weniger als zwölf Zylindern herausbringen und gründete kurzerhand die neue Marke «Dino», deren Namen an den früh verstorbenen Sohn Enzo Ferraris erinnern sollte.

Der erste Mittelmotor-Sportwagen aus Maranello

Einige Konstruktionselemente des Dino 206/204 GT gingen auf den Rennsportwagen Dino 206S zurück, Prototypen, die die spätere Serienkonstruktion bereits antönen liessen, wurden von Pininfarina 1965 bis 1967 in Paris, Turin und Frankfurt unter dem Namen «Berlinetta Speciale» gezeigt.

Im Jahre 1968 dann wurden die ersten 99 Produktionsfahrzeuge gefertigt, noch mit Aluminiumkarosserie und zwei Liter Hubraum, was 180 PS bei 8’000 U/min bedeutete. 1970 erschien dann der Dino 246 GT mit 2,4 Liter Hubraum, Graugussmotorblock und nun 195 PS. Der Aluminium-Anteil an der Karosserie wurde immer geringer, am Schluss war nur noch die Haube vorne aus Leichtmetall.

Wohltönend wie eine Sinfonie

Der Motor ist das Herz dieses Sportwagens und obschon kein Zwölfzylinder wie seine grösseren Brüder, verströmt der Dino 206/246 GT Klangwellen, die für viele wie Musik tönen. Die Tonart wechselt durch das nutzbare Drehzahlband und ab 6’000 Umdrehungen ist die Geräuschkulisse der eines Rennwagens würdig.

Fahrmaschine

Es sind weniger die messbaren Fahrleistungen (gemäss Test in der AR 6/1971 0 bis 100 km/h in 7,5 Sekunden, Spitze 235 km/h) sondern das Go-Kart-ähnliche Fahrgefühl und die Handlichkeit, die bei diesem Sportwagen auch heute noch beeindruckt.

Ein gut gewarteter Dino fühlt sich im Jahr 2011 noch modern und schnell an, wenn man sich einmal mit dem relativ flachstehenden Lenkrad und den gewöhnungsbedürftigen Sitzen, die nicht für grossgewachsene Mitteleuropäer konstruiert zu sein scheinen, abgefunden hat.

Die Sitzposition ist gut, die Rundumsicht für einen Mittelmotorsportwagen ausgezeichnet und sogar etwas Gepäck passt in das kleine Abteil hinter dem Motor. Dem Wochenendausflug steht nichts im Wege.

Nicht launisch, aber aufwändig

Gepflegte Dinos lassen ihre Besitzer kaum im Stich und sind wesentlich zuverlässiger, als man erwarten könnte. Insbesondere die 2,4-Liter-Motoren erreichen hohe Laufleistungen. Abnutzung ist auch hier eine Funktion der Fahrweise.

Bei der Wartung aber sollte man nicht sparen und mancher Arbeitsvorgang ist wegen des Quereinbaus des Motors und der damit verbundenen erschwerten Zugänglichkeit aufwändiger als bei vergleichbaren Fahrzeugen.

Rund 20 Liter Superbenzin verbrauchten die Testfahrer im Jahre 1971 pro 100 km, bei heutigen Strassenverhältnissen und der Zeit angepasster Fahrweise reichen auch 13 bis 16 Liter für zügiges Vorwärtskommen.

Top Klassiker – die Zeiten der Schnäppchen sind vorbei

In den späten Siebzigerjahre waren Dinos normale Gebrauchtwagen und wechselten auch mal für vierstellige Summen den Besitzer, aber diese Zeiten sind schon lange vorbei.

In Zeiten der Ferrari-Hausse Ende der Achtzigerjahre stieg der Wert teilweise über 300 000 Franken, um sich hinterher wieder etwas zu beruhigen. Heute werden gute Dinos meist für Summen über 150 000 Franken gehandelt, die offene Version und die frühen 2-Liter-Autos sind wegen der geringeren Stückzahl noch wertvoller.

Warum wohl hatte sich der fiktive amerikanische Millionär Wilde den kleinen Dino mit «nur» sechs Zylindern und Mittelmotor ausgesucht, wenn es doch beim selben Hersteller auch Zwölfzylinder wie den Ferrari 365 GTB/4 Daytona gegeben hatte? Mehr Spass hätte er mit den schwereren und unhandlicheren grossen Ferraris auf den kurvigen Bergstrassen kaum gehabt.

Und auch das Privatrennen gegen den Aston wäre dank der überzeugenden Fahrdynamik des 246 GT wohl eindeutig für Wilde ausgegangen. Er jedenfalls blieb dem kleinen Boliden während der ganzen Produktionsdauer der Fernsehserie treu, das Auto soll im Übrigen in Italien noch existieren, genauso wie rund 60% der etwa 3’800 produzierten Dino 206/246 GT/GTS.

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