Hypercar-Meeting des Supercar Owners Circle (SOC) in Andermatt
Geiz ist eben doch nicht geil

Zum fünften Jubiläum rief der Supercar Owners Circle (SOC) die Hypercars der Welt nach Andermatt UR. Wir tauchen vor Ort in eine Welt ein, in der Autos locker mal fünf Millionen Franken kosten, ein Lamborghini fast profan ist – und jede Hose perfekt sitzt.
Publiziert: 13.10.2019 um 08:44 Uhr
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Aktualisiert: 13.10.2019 um 12:42 Uhr
Timothy Pfannkuchen

Nebel legt sich über den Furkapass und macht diese Szenerie noch abgefahrener: Wir gucken quasi «The Fast and the Furious» live und tauchen in eine Parallel-Autowelt ein. Der erste Bugatti. Noch einer. Und noch einer. Wie real gewordene Trugbilder aus einem benzinfeuchten Bubentraum sausen sie an uns vorbei: ein EB110, zwei Veyron, zwei Chiron. Dann Ferrari Enzo, LaFerrari, F40, F50. Wir übersehen fast zwei – uh, wie profan – Porsche 918 Spyder und McLaren P1 und Senna. Und blicken dafür einem von nur acht gebauten Alfa Romeo Disco Volante nach, wie er im Nebel verschwindet.

Ein Ferrari 599 Nibbio huscht durch. Wow! Anderntags wird er in Ambri TI auf dem alten Flugplatz sprinten – dort geben Hypercars ein Mal im Autoleben Vollgas –, als sei er keine wertvolle, wohl gut zwei Millionen Franken teure Rarität.

Schweizer Hypercar-Klub

Willkommen beim Supercar Owners Circle (SOC), im Jahr 2014 von den Schweizern Florian und Stefan Lemberger sowie Niels Schäfer gegründet, inzwischen quasi eine erfolgreiche Eventfirma statt nur ein Klub und zum fünften Mal Gastgeber eines langen Weekends, das Andermatt UR rund um die Luxusherberge Chedi ins globale Epizentrum der Hypercars verwandelt.

Zwei Bugatti (vorne Veyron Grand Sport Vitesse, hinten Chiron) auf SOC-Passfahrt.
Foto: SOC
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Vor dem geistigen Auge läuft sofort ein klassenkämpferischer Film ab. Verwöhnte Rich Kids, die Papis Moneten in Magnum-Champagnerflaschen und kreischfarbene Lamborghini umsetzen? Das ist tatsächlich – alles Quatsch! Nicht nur, weils hier kaum Lamborghini hat, da beispielsweise ein «normaler» Aventador nicht zur Mitgliedschaft reicht (es soll bitte rar, also mindestens der Aventador Superveloce sein). 

Dezent statt degeneriert

Sondern weil der SOC kein Verein für Prahlhanse ist, die im Occasion-Maserati um den Zürcher Bürkliplatz röhren und Protz mit Prestige verwechseln. Eher ists eine Internationale von Autofans der Welt mit erlesenen Autosammlungen und ein Gentlemen’s Club für Menschen, die so viel Geld haben, dass sie es nicht mehr zeigen müssen. Die Auswahl ist sehr streng, die Mitgliederzahl begrenzt, dafür die Atmosphäre familiär. Man trägt Girard-Perregaux statt güldener Rolex, gar Nike statt Balenciaga, und irgendwie vermissen wir hier nur Ralph Lauren, weil er ja ein Car Guy ist und hier so viele seine Polo-Hemden anhaben. Horacio Pagani himself ist dafür da. Kein Wunder, zählen wir gleich acht Pagani, darunter einen von nur fünf Huayra Imola für geschätzte drei Millionen Franken. Ein Wahnsinn! Und kein Wunder, reisen dazu hunderte Schaulustige an. 

Mal Fahr- statt «Stehzeuge»

Respekt, denn meist verkommen solche Fahrzeuge zu bedauernswert sterilen Sammlungs-«Stehzeugen», die dann Jahre später an Auktionen vergoldet werden. Hier fahren sie. Wir treffen einen von 77 Aston Martin One-77 und einen von sechs Koenigsegg One:1 mit 1360 PS. Der fährt wie alle im Konvoi über Furka-, Gotthard- und Oberalppass, als koste er nicht 4,6 Millionen Franken (zu jenem Preis wurde jüngst einer versteigert). Zum Diner tafeln SOC-Mitglieder und -Gäste nicht nur im Restaurant des Chedi, sondern auch mal in dessen Tiefgarage, inmitten von Oldies wie Ferrari 250 SWB, all den Bugatti und Koenigseggs. 

Diskretion ist Gebot

Aber Benzingespräche bleiben selbst mit prallem Portemonnaie halt Benzingespräche. Klar verraten Satzfetzen wie: «Der Aston ist in Monaco», dass ma es mit Autofans zu tun hat, die mal eben drei Millionen Franken für ein Auto ausgeben und – so eine Statistik von Bugatti über Chiron-Käufer – im Schnitt 42 Autos sowie 2,7 Privatjets und 1,2 Yachten haben. Nur der Wunsch nach Zitaten schliesst Türen. Wie sagte uns mal ein Exoteneigner? «Sobald Sie den Namen erwähnen, bin ich kein guter Arzt mehr, sondern ein teurer Arzt» – die Angst vor der Neidgesellschaft. 

Powerplay ohne Pubertät

Aber Standesdünkel? Fehlanzeige. Man plaudert und scherzt, ist per Du. Natürlich kaufe Geld keinen Geschmack, könnten wir jetzt lästern über jenen Gumball-Mercedes-AMG, dessen Fahrer die Finger nie von seiner albernen US-Polizeisirene lassen kann. Eine Ausnahme, denn so sehr alle Autofans im Herzen kleine Buben und Mädchen bleiben, so sehr fehlt hier das Pubertäre. Der Auto-Geheimorden verkneift sich Drifts, Lärmorgien, Tempoexzesse. Man kanns zwar obszön finden, dass es auf gesperrte Passstrassen geht: Gasgeben unter Polizeischutz quasi. Aber auch für Fasnächtler werden Strassen gesperrt, und hunderte Carspotter lasten rund ums Chedi ja neben der Upper-Class- auch die Drei-Sterne-Hotellerie aus. 

Wenig Sinn, aber Spass

Klar machen Hypercars in Andermatt (was nur einer der vielen SOC-Events ist) null Sinn – aber auch die (nur als Beispiel) RS-Version eines bürgerlichen Skoda Octavia und die Ferienfahrt nach Rimini (I) machen schon weniger Sinn als einfach Spass. Im Gegensatz zum SOC kompensieren wir dabei auch kein CO2 und spenden nicht wie der SOC für gute Zwecke. Jeder alte Golf-Diesel ist wohl eine grössere Sauerei als ein Bugatti, der eh nur wenige Kilometer im Jahr fährt. Wir grübeln: Unser Weltbild wankt zwar, aber Weltuntergänge sehen anders aus.

So bleibt am Ende nur die Frage, wieso wir den aus aller Welt angereisten Eignern der Maximalmobilität selbst in Jeans ansehen, dass sie ihr Glück gemacht haben. Hm. Uns scheinen es perfekt sitzende Hosen zu sein. Mit Edel- oder Mass-Jeans können unsere bei H&M gekauften wohl einfach nicht mithalten. Wie Autos sind Jeans halt immer zwei verschiedene Paar Hosen.

Alfa und Jeep am SOC 2019

Ausser Ferrari flitzten beim SOC in Andermatt noch andere Konzernprodukte von Fiat-Chrysler mit. Ein Alfa Romeo Stelvio Quadrifoglio und ein Jeep Grand Cherokee Trackhawk etwa – weil auch SOC-Mitglieder im Alltag «normale» Autos fahren und Alfa und Jeep beim Sprint auf dem Flugplatz in Ambri TI den Hypercars demonstrieren konnten: 510 Alfa-PS und 700 (!) Jeep-PS halten von 0 bis 100 km/h mit 3,8 bzw. 3,7 s bei gutem Start gar mit McLaren und Co. mit. Am Alfa-Steuer sass dabei Sacha Prost (29), Sohn der Formel-1-Legende Alain Prost.

Ausser Ferrari flitzten beim SOC in Andermatt noch andere Konzernprodukte von Fiat-Chrysler mit. Ein Alfa Romeo Stelvio Quadrifoglio und ein Jeep Grand Cherokee Trackhawk etwa – weil auch SOC-Mitglieder im Alltag «normale» Autos fahren und Alfa und Jeep beim Sprint auf dem Flugplatz in Ambri TI den Hypercars demonstrieren konnten: 510 Alfa-PS und 700 (!) Jeep-PS halten von 0 bis 100 km/h mit 3,8 bzw. 3,7 s bei gutem Start gar mit McLaren und Co. mit. Am Alfa-Steuer sass dabei Sacha Prost (29), Sohn der Formel-1-Legende Alain Prost.

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