«Weisses Gold» steckt in Smartphones, Laptops und E-Autos
Ist Lithium wirklich schädlich?

Die Nachfrage nach Lithium ist in den letzten Jahre explodiert. Der Rohstoff, der in jedem Handy- oder Autoakku steckt, steht dabei immer wieder wegen seiner umweltschädigenden Abbau-Methode in der Kritik. Blick beantwortet die wichtigsten Fragen zum «weissen Gold».
Publiziert: 16.09.2024 um 13:30 Uhr
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Aktualisiert: 16.09.2024 um 13:46 Uhr
Andreas Engel

1. Wofür wird Lithium gebraucht?

Lithium ist neben Graphit das zentrale Element in Lithium-Ionen-Batterien, die heute nicht nur in Akkus für Smartphones, Tablets oder Laptops zum Einsatz kommen, sondern auch bei E-Scootern, E-Bikes – und natürlich E-Autos. Besonders letztere fallen ins Gewicht: Je nach Grösse stecken in einer Batterie bis zu 20 Kilo Lithium – bei einem Smartphone sind es rund 3 Gramm! Wegen des E-Auto-Booms ist deshalb auch die Nachfrage nach dem Rohstoff in den letzten Jahren explodiert: Während 2008 weltweit noch 25'400 Tonnen Lithium gefördert wurden, stieg die Jahresproduktion im vergangenen Jahr auf über 180'000 Tonnen – Tendenz weiter steigend (siehe Frage 4).

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2. Wo kommt Lithium vor und wo wird es abgebaut?

Die grössten Lithium-Ressourcen – unabhängig davon, ob sie abgebaut werden können – befinden sich im Lithium-Dreieck an den Grenzen von Chile, Argentinien und Bolivien. Die grössten Vorkommen liegen laut US-Wissenschaftsbehörde USGS in Bolivien (21 Mio. Tonnen), Argentinien (19 Mio.) und Chile (9,8 Mio). Es folgen die USA (9,1 Mio.), Australien (7,3 Mio.) und China (5,1 Mio.). Überraschend: Nicht etwa in Bolivien oder Argentinien, sondern in Australien wurde 2023 das meiste Lithium abgebaut: 86'000 Tonnen – mehr als die Hälfte der weltweit geförderten Menge. Danach folgen als grösste Produzenten Chile (26'000 t), China (14'000 t) und Argentinien (6200 t). Auch in Brasilien, Portugal, Zimbabwe und den USA werden kleinere Mengen des Rohstoffs gewonnen.

3. Ist der Abbau von Lithium umweltschädigend?

Im grössten Abbauland Australien stammt Lithium aus Bergbau-Minen, in Chile und Argentinien kommt es aus Salzwüsten, den sogenannten Salaren. Dabei wird lithiumhaltiges Salzwasser aus unterirdischen Seen an die Oberfläche befördert und in grossen Becken verdunstet. Die verbleibende Salzlösung wird so lange weiterverarbeitet, bis das Lithium als weisses Carbonat – deshalb die Bezeichnung «weisses Gold» – zum Einsatz in Batterien geeignet ist. Besonders die Gewinnung in Südamerika steht in der Kritik: Einheimische in der chilenischen Atacama-Wüste klagen zunehmend über Frischwasser-Mangel. Zwar wird für die Lithium-Gewinnung selbst kein Trinkwasser benötigt, jedoch könnte die Entnahme grosser Mengen an Salzwasser laut Experten zum Nachströmen von Süsswasser führen, wodurch der Grundwasserspiegel am Rande der Salare abfällt.

Die Nachfrage nach Lithium ist in den letzten Jahren explodiert. Als weisses Carbonat kommt es vor allem in Lithium-Ionen-Akkus zum Einsatz.
Foto: imago/Photoshot/Construction Photography
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4. Stehen wir vor einer Lithium-Knappheit?

Experten schätzen, dass die weltweite Nachfrage allein im Mobilitätsbereich bis 2030 auf 240'000 Tonnen Lithium pro Jahr steigen könnte. Wenn die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreicht werden sollen, könnte die Nachfrage bis 2050 gar auf gigantische 1,1 Millionen Tonnen pro Jahr steigen. Das wiederum könnte laut der deutschen Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe bald zum Problem werden, wie der «Tagesanzeiger» jüngst berichtete: Schon für die bis 2030 in Deutschland geplanten rund 15 Millionen E-Autos gäbe es laut Studie nicht genug Lithium. Im schlimmsten Falle würden schon bald bis zu 300'000 Tonnen weltweit pro Jahr fehlen.

5. Wird Lithium bald teurer?

Auf die drohende Knappheit haben die Märkte längst reagiert: Der Preis für Lithiumcarbonat hat sich in den letzten zwei Jahren verzehnfacht. Allein seit Dezember 2021 ist der Preis pro Tonne von 27'000 auf heute 68'000 Franken gestiegen. Um die Abhängigkeit von China, wo die grössten Verarbeiter und Batteriehersteller sitzen, zu vermindern, wollen die grossen Abbaufirmen in den nächsten Jahren neue Produktionsstätten in anderen Ländern erschliessen. Und auch die Autohersteller rüsten auf: VW investiert bis 2030 rund 20 Milliarden Franken und plant eine weltweite «Batterie-Offensive» mit sechs Zellfabriken allein in Europa. Tesla-Chef Elon Musk will notfalls gar ein Lithium-Unternehmen kaufen.

6. Kann Lithium aus Akkus recycelt werden?

Langfristig soll ein Grossteil der eingesetzten Rohstoffe recycelt werden – dies würde den Bedarf an «neuem» Lithium senken. Doch bis gebrauchte Akkus tatsächlich in grösserem Umfang zurückkommen, dauert es mindestens noch bis 2030. Nach dem Einsatz im Auto, wo Hersteller heute bis zu zehn Jahre Garantie geben, finden die Occasions-Batterien oftmals auch in Second-Life-Modellen wie Stromspeichern Anwendung. Heute lohne sich Recycling von Lithium kaum, weil das Verfahren komplizierter und aufwendiger als bei anderen Metallen sei, erklärte Dieter Offenthaler, Geschäftsführer des Berner Recycling-Riesen Batrec, dem Beobachter: «Bei den aktuellen Mengen ist ein Lithium-Recycling wirtschaftlich kaum zu realisieren».

7. Gibt es Alternativen zu Lithium?

Langfristig könne komplett auf den Rohstoff Lithium in Akkus verzichtet werden. Autor Kai Borgeest nennt in seinem Buch «Elektronik in der Fahrzeugtechnik» als Alternative Natrium-Ionen-Akkus, die ähnlich funktionieren wie Lithium-Ionen-Akkus, allerdings eine etwas geringere Energiedichte aufweisen. Doch sie hätten auch Vorteile: Die hohe Natrium-Verfügbarkeit ermögliche günstigere Preise, die Akkus seien unempfindlich gegen Tiefentladung und hätten eine höhere Lebensdauer. Ausserdem würde zur Produktion der Kathode statt seltener Lithiumsalze einfaches Speisesalz genügen. Ausserdem immer wieder als Batterietechnik der Zukunft genannt: Feststoffakkus. Diese sollen eine um bis zu 50 Prozent bessere Umweltbilanz aufweisen und kaum kritische Rohstoffe enthalten. In der Schweiz plant die Firma Swiss Clean Battery eine Gigafactory für Feststoffakkus. Bereits 2024 soll die Produktion in Frauenfeld TG anlaufen.

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