Aufstieg und Fall des inhaftierten Audi-Chefs
Das Aus für den Herrn der Ringe

Über elf Jahre lang war Rupert Stadler unumstrittener Chef bei Audi und genoss die Rückendeckung der Piëchs und Porsches. Obwohl seine Rolle im VW-Dieselskandal noch unklar ist, könnte nun seine Karriere zu Ende sein.
Publiziert: 23.06.2018 um 18:10 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 16:48 Uhr
Andreas Faust

Ein Telefonat kann das Leben verändern. Diese Erfahrung musste Audi-CEO Rupert Stadler (55) am letzten Montag machen, als Ermittler frühmorgens vor seiner Villa in Ingolstadt (D) standen und ihn vorläufig festnahmen. Der Vorwurf: Verdunkelungsgefahr. Stadler soll vor dem Hintergrund laufender Ermittlungen im VW-Abgasskandal die Beeinflussung von Zeugen erwogen haben.

Ein abgehörtes Telefonat soll dies nahelegen. Im September 2015 war unzulässige Software zur Manipulation des Schadstoffausstosses in VW-Dieselmotoren gefunden worden. Seitdem wird in Deutschland und den USA gegen den Konzern ermittelt.

Die Gefährten

Es gilt die Unschuldsvermutung, aber Stadlers Festsetzung in Untersuchungshaft wirft abermals Fragen nach seiner Rolle im Abgasskandal auf. Der Bayer galt neben dem ehemaligen CEO Martin Winterkorn als eine der Schlüsselfiguren im Konzernmanagement. Winterkorn kosteten die Software-Manipulationen den Job – Stadler blieb. Der Konzern baute mehrfach die Markenvorstände um – Stadler hielt sich.

Unter anderem über den Vorgänger des neuen A6 ist Audi-Chef Rupert Stadler gestolpert: Die Diesel-Modelle sollen entgegen Audi-Beteuerungen eine Schummelsoftware an Bord haben.
Foto: Werk
Der inhaftierte Audi-Chef (rechts) war ein enger Vertrauter des damaligen VW-Konzernbosses Martin Winterkorn.
Foto: Werk

«Teflon-Stadler», von dem alles abperlt, nennt man ihn im Konzern. Entscheidend dürfte der Rückhalt sein, den er seitens der VW-Eigentümerfamilien Piëch und Porsche geniesst. Wie die von Winterkorn ist Stadlers Karriere eng verbunden mit dem ehemaligen VW-Chef und -Aufsichtsratsvorsitzenden Ferdinand Piëch. Winterkorn arbeitete als dessen Vorstandsassistent, Stadler leitete Piëchs Büro und verwaltete Teile des Familienvermögens. Als Winterkorn 2007 in die Konzernspitze rückte, folgte Stadler ihm im Audi-Vorsitz nach.

Die zwei Türme

Beide geben sich bodenständig, gehen zum Fussball. Winterkorn will Volkswagen bis 2018 zum weltgrössten Autobauer machen, Stadler organisiert Audis Beitrag. Bis etwa 2013 geht es aufwärts, aber dann vertändelt Audi seinen «Vorsprung durch Technik»: Mehrere Wechsel auf dem Posten des Entwicklungsvorstands bremsen, neue Modelle verzögern sich, die Entwicklung von Elektro-Audis dümpelt dahin. Audi muss BMW und Mercedes bei den Verkäufen vorbeiziehen lassen. Die angekündigte Offensive in den USA verpufft spätestens mit dem grossen Diesel-Knall 2015.

Stadler (rechts) ist auch im Vorstand des FC Bayern München. Hier mit dessen Vorstandsvorsitzendem Karl-Heinz Rummenigge.
Foto: ZVG

Die bei Winterkorn spürbare Leidenschaft fürs Auto merkt man dem nüchternen Stadler nicht an. In Interviews reagiert er pikiert. Das Audi-Design stagniert? Es mache Audi unverwechselbar. Elektromobilität? Habe schon immer zur Audi-Strategie gehört. Und der Dieselskandal? Diesel sei unverzichtbar. Aber ob man nicht mal über andere Themen reden könne. Stadler fordert schonungslose Aufklärung der Diesel-Vorwürfe, aber betont, selbst nichts gewusst zu haben.

Die Rückkehr der Königs?

Auf «eigenen Wunsch» hat der Konzern-Aufsichtsrat Rupert Stadler von seinen Aufgaben beurlaubt. Zum interimistischen Nachfolger wurde der Niederländer Bram Schot (56) ernannt. Ob der Nutzfahrzeug-Profi Audi langfristig in die Zukunft führen wird, bleibt abzuwarten.

Als Partner des Abt-Teams engagiert sich Audi auch in der Formel E. Hier posiert der Audi-Boss (Mitte) mit den Piloten Lucas di Grassi (rechts) und Daniel Abt.
Foto: Werk

Zuletzt reüssierte Stadler mit dem St. Galler Ökonom Andreas Herrmann auch als Buchautor. «Autonomous Driving» beschreibt, wie das autonome Auto die Zukunft prägen wird. Kaum vorstellbar, dass Stadler daran noch einen Anteil haben wird.

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