Autonomes Fahren
Der Weg ist noch weit

Autonomes Fahren versprachen uns die Autohersteller schon vor Jahren. Doch auf der Strasse ist davon noch kaum etwas zu sehen. Die Herausforderungen sind nicht nur rechtlich, sondern auch technisch grösser als erwartet.
Publiziert: 12.02.2023 um 10:59 Uhr
Wolfgang Gomoll

Es ist klar definiert: Beim autonomen Fahren Level 2 vollzieht das Fahrzeug unter gewissen Bedingungen teilautonome Manöver. Es hält selbständig die Spur, bremst oder beschleunigt. Wichtig: Der Fahrer behält stets das Kommando (und auch die Haftung, wenn es zu einem Unfall kommt) und muss jederzeit eingreifen können. Diese Technik ist heute bereits in vielen Fahrzeugen mit adaptivem Tempomaten und Spurhalte-Assistenten implementiert – und funktioniert auch zuverlässig.

Eine ganz andere Herausforderung ist dagegen die nächste Stufe des autonomen Fahrens – das sogenannte Level 3. Dort agiert das Fahrzeug selbständig und der Fahrzeughersteller haftet, falls es zu einem Crash kommt. Der am Lenkrad sitzende Mensch darf sich während der Fahrt um E-Mails kümmern, Videos schauen und muss den Verkehr nicht ständig im Blick haben.

Riesenschritt von Level 2 zu Level 3

Alleine die Unterschiede von Level 2 zu Level 3 dokumentieren, welche Mammutaufgabe das autonome Fahren darstellt. Audi hatte 2017 den Audi A8 vorgestellt, der für das Robo-Fahren Level 3 vorbereitet war. Aber es dauerte bis heute, ehe Mercedes als erster Hersteller mit dem sogenannten «Drive-Pilot» ein serienreifes System in die S-Klasse integrieren konnte, das Level-3 auch wirklich beherrscht. Allerdings nur bis Tempo 60 und unter bestimmten Umständen. Letztendlich ist also auch die Mercedes-Technik nichts anderes, als «nur» ein vollautomatischer Stau-Pilot, der bei Stop-and-Go-Verkehr und somit bei vergleichsweise überschaubaren Geschwindigkeiten das Steuer völlig autonom übernimmt.

Beim autonomen Fahren Level 2 vollzieht das Fahrzeug unter gewissen Bedingungen teilautonome Manöver. Es bremst oder beschleunigt selbständig. Der Fahrer behält aber stets das Kommando und muss jederzeit eingreifen können.
Foto: Zvg
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Die 5 Level der Automation

Experten sprechen nicht vom autonomen, sondern vom automatisierten Fahren. Denn erst die höchste Stufe (Level 5) der Automatisierung ist im Wortsinne autonom. Heutige Systeme können maximal Level 2. Tesla nennt sein teilautomatisiertes System «Autopilot», sonst ist meist die Rede vom automatisierten, assistierten oder pilotierten Fahren (z.B. «Drive Pilot», «Autobahnpilot»). Fachleute definieren in der Regel folgende Stufen:

Level 0
Nicht automatisiert: Nur der Fahrer fährt. Die Systeme warnen ihn (z.B. Warnton beim Verlassen der Spur), greifen aber nie selbst ein.

Level 1
Assistiert: Der Fahrer fährt zwar, aber Einzelsysteme (z.B. Radartempomat, Spurhalte-Lenkhilfe) unterstützen ihn dabei.

Level 2
Teilautomatisiert: Das Auto fährt in bestimmten Situationen (z.B. Autobahn bei gutem Wetter) selbst. Seit 2013. Fahrer muss System überwachen, um jederzeit übernehmen zu können.

Level 3
Bedingt automatisiert: Das Auto fährt in bestimmten Situationen (z.B. Autobahn bis zu gewissem Tempo) selbst. Der Fahrer muss das System nicht überwachen, aber nach Vorwarnung eingreifen können.

Level 4
Hoch automatisiert: Das Auto fährt komplette Teilstrecken (z.B. Autobahn) vollständig situationsunabhängig selbst, andere (z.B. Stadt) der Fahrer.

Level 5
Voll automatisiert: Das Auto kann autonom ganz ohne Fahrer und auch ohne Mensch an Bord selbst fahren.

Experten sprechen nicht vom autonomen, sondern vom automatisierten Fahren. Denn erst die höchste Stufe (Level 5) der Automatisierung ist im Wortsinne autonom. Heutige Systeme können maximal Level 2. Tesla nennt sein teilautomatisiertes System «Autopilot», sonst ist meist die Rede vom automatisierten, assistierten oder pilotierten Fahren (z.B. «Drive Pilot», «Autobahnpilot»). Fachleute definieren in der Regel folgende Stufen:

Level 0
Nicht automatisiert: Nur der Fahrer fährt. Die Systeme warnen ihn (z.B. Warnton beim Verlassen der Spur), greifen aber nie selbst ein.

Level 1
Assistiert: Der Fahrer fährt zwar, aber Einzelsysteme (z.B. Radartempomat, Spurhalte-Lenkhilfe) unterstützen ihn dabei.

Level 2
Teilautomatisiert: Das Auto fährt in bestimmten Situationen (z.B. Autobahn bei gutem Wetter) selbst. Seit 2013. Fahrer muss System überwachen, um jederzeit übernehmen zu können.

Level 3
Bedingt automatisiert: Das Auto fährt in bestimmten Situationen (z.B. Autobahn bis zu gewissem Tempo) selbst. Der Fahrer muss das System nicht überwachen, aber nach Vorwarnung eingreifen können.

Level 4
Hoch automatisiert: Das Auto fährt komplette Teilstrecken (z.B. Autobahn) vollständig situationsunabhängig selbst, andere (z.B. Stadt) der Fahrer.

Level 5
Voll automatisiert: Das Auto kann autonom ganz ohne Fahrer und auch ohne Mensch an Bord selbst fahren.

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Automatisiertes Fahren mit Level 3 bis maximal 120 km/h stellt deutlich grössere Herausforderungen an die Advanced Driver Assistance Systeme (ADAS), als das bei Tempo 60 der Fall ist, weiss Jan Becker. Er ist CEO des Softwareunternehmens Apex.Ai und beschäftigt sich seit 24 Jahren mit Fahrassistenzsystemen und dem autonomen Fahren. Wie gross der Unterschied ist, zeigt ein einfaches Beispiel, das wir aus der Fahrschule kennen. Bei der doppelten Geschwindigkeit vervierfacht sich der Bremsweg. Genau das müssen die Sensoren leisten und eine entsprechende Distanz zuverlässig abbilden. «Aktuell brauchen wir für Level 3 eine Kombination aus Kameras, Radar- und Lidarsensoren», erklärt Becker. Lidar scannt anstelle der schlechter aufgelösten Radiowellen des Radars mit Laserstrahlen und ist daher verlässlicher. «Der Hauptgrund für diese Kombination ist aber die notwendige Redundanz im Sensorset.»

Je schneller, desto komplexer

An besseren Sensoren wird bereits entwickelt. Und die sind für ein gefahrloses autonomes Fahren auch nötig. Mit Kameras alleine endet der Versuch ein Robo-Auto auf die Strasse zu bringen unweigerlich in einer Sackgasse. Diese Erfahrung musste auch Tesla machen, als man aus Kostengründen auf Radarsensoren verzichten wollte. Trotz äusserst ausgeklügelter Software verwendet Tesla inzwischen zusätzlich auch wieder Radarsensoren für seine Auto-Pilot-Funktion. Wie komplex die Aufgabe eines Radarsensors ist, erkennen wir, wenn wir seine Arbeitsweise genauer betrachten. Der Radarsensor sendet Mikrowellen aus, die hauptsächlich von metallischen Oberflächen reflektiert werden. Zum Beispiel von Autos, Schachtdeckeln, Schilderbrücken über der Autobahn, Tunneleinfahrten oder den Leitpfosten am Fahrbahnrand. Um autonom unterwegs zu sein, muss das System dabei seine Umgebung genau identifizieren können. Bei stockendem Verkehrsfluss beziehungsweise bis Tempo 60 ist das noch machbar – da orientiert sich das System in der Regel auch an den anderen Autos und die Sensoren haben die Bremswegdistanz im Griff. Braust ein PW dagegen autonom mit 120 km/h über die Autobahn und ein anderes Auto steht zufällig genau in einer Tunneleinfahrt oder unter einer Schilderbrücke, wird die Sache schon deutlich diffiziler. Das Robo-Auto muss blitzschnell und auf Distanz eindeutig identifizieren, dass da ein Auto als Hindernis steht und das Bremsmanöver einleiten. Und das früh genug.

Räder müssen ineinander greifen

Für die Software-Programmierer ist die Herausforderung ebenfalls immens. Wie soll ein System reagieren, wenn zum Beispiel ein Sensor Alarm schlägt und ein Hindernis meldet, ein anderer aber nicht? «Man benötigt Rechenmodelle, die genau abbilden, was ein Sensor leisten kann und was nicht. Daraus lässt sich dann ableiten, ob die Fehlermeldung des Sensors plausibel ist oder nicht», weiss Becker. Ein Beispiel: Ein Lidarsensor ist in der Regel weit unten im Fahrzeug verbaut und kann so nicht übers vorausfahrende Fahrzeug «hinwegsehen», ob die Kolonne davor bremst oder nicht. Eine Kamera dagegen erkennt durch die Scheiben aufleuchtende Bremslichter. Und Radarsensoren können zu einem gewissen Grad unter einem vorausfahrenden Fahrzeug «vorwärts schauen». Folglich muss der Algorithmus all diese Umstände bewerten und in seine Entscheidung miteinbeziehen. Das bedeutet: Nur wenn jedes Rad ins Nächste greift, ist flottes und sicheres autonomes Fahren Level 3 machbar. Und selbstverständlich wird diese Herausforderung bei zunehmendem Tempo entsprechend grösser.

In den USA sind wir bei Level 4

In Amerika ist man inzwischen schon bei Level 4 angelangt. Aber auch dort tut man sich mit höheren Geschwindigkeiten noch schwer. Immerhin hat die von General Motors (GM) kontrollierte Firma Cruise kürzlich die Freigabe für autonome Level-4-Taxis ohne menschlichen Fahrer als Aufpasser für einen grossen Teil des Stadtgebiets von San Francisco erhalten – und weitere Gebiete wie Phoenix oder Houston sollen folgen. Auch Cruise-Konkurrent Waymo darf seine autonomen Fahrzeugflotten in San Francisco, Phoenix und neuerdings in Los Angeles betreiben. Aber auch diese US-Robo-Taxis dürfen zunächst nur innerstädtisch mit gemässigtem Tempo verkehren.

Und so müssen wir den Traum vom völlig autonomen und dadurch sicheren Individualverkehr wohl noch etwas länger träumen.

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