Boss von Fiat-Chrysler im Zürcher Unispital
Wie weiter ohne Marchionne?

Sergio Marchionne, der charismatische Chef von Fiat Chrysler Automobiles FCA, liegt mit kritischem Zustand im Unispital Zürich. Der Konzern hat schon reagiert und die Chefpositionen neu vergeben. Wie geht es weiter mit dem italienisch-amerikanischen Autobauer?
Publiziert: 23.07.2018 um 15:24 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 17:37 Uhr
Raoul Schwinnen

Im April 2019 sollte es so weit sein: Als einer der grossen Autobosse wollte der Wahlschweizer Sergio Marchionne (66) seinen Chefposten beim Fiat-Chrysler-Konzern (FCA) räumen – um sich dann quasi als Rentnerhobby nurmehr auf die Führung der FCA-Tochter Ferrari zu konzentrieren. Doch jetzt liegt der offiziell in Schindellegi SZ wohnhafte Boss nach Komplikationen nach einer Schulter-OP in kritischem Zustand im Zürcher Unispital. Von Koma ist die Rede. Und die grosse Frage, wie es mit FCA weitergeht. FCA ist ein Gigant: Zum Fiat-Chrysler-Konzern gehören etwa Marken wie Alfa Romeo, Chrysler, Dodge, Ferrari, Fiat, Jeep, Lancia und Maserati, aber auch weitere wichtige Firmen wie etwa der Zulieferer Magneti Marelli.

Sergio Marchionne (†66) ist im Zürcher Unispital nach Komplikationen bei einer Operation verstorben.
Foto: Pier Marco Tacca
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Erstmals kein Italiener an der Spitze

Bereits am Samstag reagierte der FCA-Aufsichtsrat und gab die Führung des Konzerns in neue Hände. Neuer CEO ist der bisherige Jeep-Chef Mike Manley. Als Chef der US-Tochter verbrachte er zwar mehr Zeit in Amerika und Asien als Europa, doch machte er Jeep zur rentabelsten Marke des Konzerns. Der 54-Jährige ist der erste Nicht-Italiener, der dem knapp 120 Jahre alten Konzern vorsteht. Und der smarte Brite, der im Gegensatz zum immer nur in schwarzem Wollpullover und ohne Krawatte auftretenden Marchionne elegante Anzüge liebt, tritt in sehr grosse Fussstapfen.

Der Konzern ist nun schuldenfrei

Immerhin kann Manley einen schuldenfreien Konzern übernehmen. Sergio Marchionne war es in den 14 Jahren Fiat gelungen, das Unternehmen, das beim Dienstantritt täglich über zwei Millionen Franken verbrannte, zu retten. Er fusionierte es 2009 mit dem bankrotten US-Rivalen Chrysler zur FCA-Group und schuf so nebenbei den siebtgrössten Autohersteller der Welt. Das Rezept des Italo-Kanadiers und Wahlschweizers Marchionne: keine Emotionen, wenns nicht rentabel ist – etwa bei der sterbenden Marke Lancia. Schnelle, konsequente Entscheide. Ein fordernder, erfolgreicher Stil.

Ausgliederung von Magnetti Marelli

Aber auch wenn FCA seit diesem Juni offiziell schuldenfrei ist, bleiben Manley genug Baustellen. So muss er sich wohl diese Tage an die Umsetzung des Plans zur Ausgliederung des Zulieferers Magnetti Marelli und dessen Börsengang machen. Allerdings will der FCA-Konzern indirekt über die Finanzholding Exor auch künftig die Kontrolle über den 40'000-Mitarbeiter-Zulieferer behalten. Ebenfalls ein brandaktuelles Thema sind die italienischen Gewerkschaften und die Trumpsche Strafzoll-Politik. Vertreter der fünf FCA-Fabriken in Italien befürchten, dass der neue CEO die Autoproduktion künftig denn auch verstärkt von Italien nach Amerika verlagern könnte.

Umsetzung des Marchionne-Strategiepapiers

In erster Linie muss Manley aber bis ins Jahr 2022 das erst vor einem Monat von Marchionne präsentierte Strategiepapier umsetzen: Investitionen in der Höhe von 54 Milliarden Franken – darunter 10 Milliarden, um Fiat-Chrysler fit zu machen für die elektrische Autozukunft. Bis Ende 2021 solls keine Dieselautos mehr geben, aber dafür sollen die von Marchionne erfolgreich wiederbelebten, aber noch längst nicht wie gewünscht funktionierenden Marken Alfa und Maserati endlich richtig auf Touren kommen. Notfalls gar per Auslagerung in eine eigene Gesellschaft.

Asiatische Märkte erschliessen

Ein letztes, wichtiges Marchionne-Erbe tritt Manley mit der Offroad-Sparte und den US-Marken Jeep und Ram an. Die zwei bislang hauptsächlich in Amerika erfolgreichen Marken sollen bis in fünf Jahren zu einer der wichtigsten Säulen weltweit werden. Dazu muss der bisherige Jeep-Chef aber auch dort erfolgreich werden, wo es bislang haperte – im asiatischen Raum. Deshalb kommt er wohl langfristig nicht um eine neue Partnerschaft (Hyundai, GAC?) herum, um künftig auch diese wichtigen Märkte für den Italo-US-Konzern zu erschliessen. Mike Manley ist nicht zu beneiden: Es warten noch viele Aufgaben auf ihn, die es nun zudem noch früher zu bewältigen gilt. Klar ist im Moment nur: Marchionnes Zustand ist derart kritisch, dass er nicht ins Amt zurückkehren wird – wie John Elkann, Fiat-Präsident und ein Spross der Fiat-Dynastie der Agnellis, wissen liess.

Europachef von Fiat Chrysler zurückgetreten

Nach dem überraschenden Wechsel an der Konzernspitze verliert Fiat Chrysler einen weiteren wichtigen Manager. Europachef Alfredo Altavilla sei zurückgetreten, teilte das Unternehmen am Montag mit und bestätigte damit Informationen der Nachrichtenagentur Reuters. Die Leitung des Europageschäfts übernehme der neue Konzernchef Mike Manley mit sofortiger Wirkung vorübergehend mit.

Altavilla hatte neben dem bisherigen Jeep-Chef Manley und Finanzchef Richard Palmer als ein möglicher Nachfolger für Konzernchef Sergio Marchionne gegolten, der eigentlich erst im nächsten Jahr abtreten sollte. Nachdem der 66-Jährige jedoch schwer erkrankte, hatte Fiat Chrysler am Wochenende Manley zum Konzernchef berufen.

Der Rückzug Altavillas erschwert nach Meinung von Experten den Start von Konzernchef Manley. Der muss nun möglichst rasch einen geeigneten Kandidaten finden, um das wichtige Europageschäft auf Kurs zu bringen. Mit seinem vor kurzem erst präsentierten Strategieplan hatte Marchionne zwar die Weichen für Fiat Chrysler für die nächsten Jahr gestellt.

Analysten befürchten jedoch, dass die Zukunft des weltweit siebtgrössten Autobauers langfristig unsicher ist. Die hohen Ausgaben für den Klimaschutz sowie Investitionen in Elektroautos und autonomes Fahren könnten nur mit einem Partner gestemmt werden, argumentieren einige Experten. Den aber hatte Marchionne trotz intensiven Werbens in den vergangenen Jahren nicht gefunden. (SDA)

Alfredo Altavilla, bisheriger Fiat-Europachef.
Alfredo Altavilla, bisheriger Fiat-Europachef.

Nach dem überraschenden Wechsel an der Konzernspitze verliert Fiat Chrysler einen weiteren wichtigen Manager. Europachef Alfredo Altavilla sei zurückgetreten, teilte das Unternehmen am Montag mit und bestätigte damit Informationen der Nachrichtenagentur Reuters. Die Leitung des Europageschäfts übernehme der neue Konzernchef Mike Manley mit sofortiger Wirkung vorübergehend mit.

Altavilla hatte neben dem bisherigen Jeep-Chef Manley und Finanzchef Richard Palmer als ein möglicher Nachfolger für Konzernchef Sergio Marchionne gegolten, der eigentlich erst im nächsten Jahr abtreten sollte. Nachdem der 66-Jährige jedoch schwer erkrankte, hatte Fiat Chrysler am Wochenende Manley zum Konzernchef berufen.

Der Rückzug Altavillas erschwert nach Meinung von Experten den Start von Konzernchef Manley. Der muss nun möglichst rasch einen geeigneten Kandidaten finden, um das wichtige Europageschäft auf Kurs zu bringen. Mit seinem vor kurzem erst präsentierten Strategieplan hatte Marchionne zwar die Weichen für Fiat Chrysler für die nächsten Jahr gestellt.

Analysten befürchten jedoch, dass die Zukunft des weltweit siebtgrössten Autobauers langfristig unsicher ist. Die hohen Ausgaben für den Klimaschutz sowie Investitionen in Elektroautos und autonomes Fahren könnten nur mit einem Partner gestemmt werden, argumentieren einige Experten. Den aber hatte Marchionne trotz intensiven Werbens in den vergangenen Jahren nicht gefunden. (SDA)

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