China-Absatz und Welt-Lieferkette brechen ein
Corona infiziert die Autoindustrie

In China werden in drei Werktagen so viele Autos verkauft wie in der Schweiz im ganzen Jahr. Entsprechend heftig sind die Folgen der Corona-bedingten Verkaufsausfälle in China. Aber vor allem stockende globale Lieferketten lassen weltweit immer mehr Bänder stillstehen.
Publiziert: 11.03.2020 um 15:46 Uhr
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Aktualisiert: 26.10.2020 um 18:34 Uhr
Wolfgang Gomoll und Timothy Pfannkuchen

Die Zahlen tönen dramatisch: Allein im Februar brachen die Autoverkäufe in China als Folge der zur Pandemie gewordenen Covid-19-Epidemie um mehr als 80 Prozent ein. Manch Experte malt jetzt bereits den Autoabsatz-Weltuntergang an die Wand, zumal 2020 ja schon vor dem Corona-Virus als mögliches Auto-Krisenjahr galt.

Es gibt aber besonnenere Stimmen. «Februar ist in China generell kein verkaufsstarker Monat und dessen Auswirkung auf das Jahresergebnis nach unserer Prognose gering», sagt Jan Burgard (46), China-Chef der Strategieberatung Berylls: «Nach jetzigem Stand wird vom Rückgang des Absatzes im Gesamtjahr um etwa sechs Prozent ausgegangen.» Doch Burgard fügt an: «Vorausgesetzt, Corona wird zeitnah eingedämmt.»

Lahmt China, steht die Welt

Der Handel geht in China schon auf dem Zahnfleisch. Viele Autohäuser bleiben geschlossen, in die offenen kommen keine Kunden. Seit China die USA als weltgrösster Automarkt abgelöst hat, ist das Reich der Mitte entscheidend für das Geschäft quasi aller Autobauer.

In den Showrooms der chinesischen Garagisten herrscht gähnende Leere: Viele sind geschlossen, und die offen sind, haben keine Kunden.
Foto: zVg
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Nur zum Vergleich: In China werden an drei Werktagen so viele Autos verkauft wie in der Schweiz in einem Jahr! In einem schlechten chinesischen Autojahr wohlgemerkt – wie 2019 mit 25,8 Millionen Verkäufen und minus 8,2 Prozent. Als Reaktion treiben die Hersteller die Digitalisierung beim Autoverkauf in China voran. Ziel ist, ein Viertel digital abzuwickeln. Dafür gibts in betroffenen Gebieten sogar Hol- und Bring-Services für Testfahrten.

«Just in time» wird schwieriger

Ansonsten heisst es: Abwarten, inwieweit das Virus in seine Schranken gewiesen werden kann: Je länger und weiter es sich ausbreitet, desto schlimmer die Wirtschaftsfolgen. Denn längst spielt sich die Produktion auf globaler Ebene ab. Die Fertigungsketten gleichen einer perfekt geschmierten Maschine, bei der jedes Sandkorn im Getriebe das «Just-in-time»-Zulieferkonstrukt implodieren lässt. Nicht nur in China stehen Bänder still – so sehr Bosse wie BMW-CEO Oliver Zipse (56) noch hoffen, die Auswirkungen mögen im Zaum bleiben.

Hoffnung auf das Danach

Beispiel Italien: Die landesweite Quarantäne wird die Fiat-Metropole Turin beeinträchtigen. Beispiel Südkorea: Hersteller wie Renault-Samsung, SsangYong, aber auch Hyundai und Kia müssen längst ihre Produktion teils aussetzen, weil Bauteile aus China fehlen.

«Im Lauf des Jahres kann der Produktionsausfall mit Flexibilität zum Teil wieder aufgeholt werden», heisst es seitens Getriebebauer ZF aus Friedrichshafen (D): Man gehe davon aus, dass sich die Märkte wie nach jeder Grippewelle normalisieren. Allerdings stünden andere betroffene Regionen «erst am Anfang der wirtschaftlichen Probleme, die China hinter sich hat». Von VW China heisst es, man habe bereits die Produktionspläne aktualisiert, eine Herausforderung sei aber der verzögerte landesweite Neustart der Lieferketten.

Ändert sich die Branche?

Inzwischen laufen in der Autobranche Planspiele, wie man die Produktion resistent machen könnte – schliesslich dürfte Corona nicht der letzte Erreger der Art sein. Sogar «Just in time» steht auf dem Prüfstand, grössere Teilelager, die aus Kostengründen vor Jahrzehnten abgeschafft wurden, werden wieder erwogen. Vor allem aber soll das für Hightech-Teile teils schon heute doppelt abgesicherte Zuliefernetz noch enger werden: Kann ein Teil nicht aus China kommen, wird es eben woanders gebaut.

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