Erste Fahrt im Ineos Grenadier
So wühlt sich der Defender-Klon durch den Dreck

Ineos will mit seinem neuen Grenadier den Ur-Defender aufleben lassen und wie dieser vor allem im Gelände brillieren. Deshalb gilt für unsere erste Testfahrt in einem Prototyp: Runter vom Asphalt, rein in den Dreck.
Publiziert: 02.03.2022 um 10:37 Uhr
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Aktualisiert: 02.03.2022 um 16:46 Uhr
Wolfgang Hörner

Während praktisch alle Auto-Startups auf Elektromobilität setzen, fährt die 2016 gegründete Ineos Automotive als Tochter des Chemiekonzerns Ineos in eine andere Richtung. Der in einem halben Jahr startende neue Ineos Grenadier vertraut weiterhin auf Diesel und Benzin. Und auf Offroad-Qualitäten vom alten Schlag. Der kantige Allradler will die Lücke schliessen, die der alte Landy Defender durch sein Ableben, die Mercedes G-Klasse durch ihre Preisexplosion und der Jeep Wrangler mit seiner partiellen Elektrifizierung hinterlassen haben.

Weil im Gelände Kraft und Drehmoment geschätzt werden, holte sich Ineos einen Zulieferer an Bord, der seinen Job versteht: BMW. Die Bayern spendieren ihre Dreiliter-Sechszylinder – einmal als Benziner mit 285 PS und 450 Nm und einmal als Diesel mit 249 PS und 550 Nm.

Gerade vom Selbstzünder verspricht sich Ineos viel, zumindest in Europa. Das bewährte Triebwerk gefällt auch im Grenadier gut und sorgt mit seinem hohen Drehmoment gerade auf steilen Passagen für ausgezeichneten Vortrieb. Zum flinken Sprinter wird der Grenadier damit trotzdem nicht. Das verhindert trotz Alu-Karosserie sein hohes Leergewicht von rund 2,5 Tonnen.

Ineos will mit seinem neuen Grenadier ab Herbst den Ur-Defender aufleben lassen.
Foto: ZVG.
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Der Milliardär hinter Ineos

Multimilliardär Jim Ratcliffe (71) ist einer der reichsten Briten – ihm gehört der Chemie-Konzern Ineos. Weil der Geschäftsmann zudem begeisterter Abenteurer und Sportler ist, finanziert er auch die Fussballklubs Lausanne-Sport und OGC Nizza (F) sowie die erfolgreichen Rad- und America's-Cup-Segelteams Ineos. Nach zähen Verhandlungen mit Daimler wurden Ratcliffe und Ineos zusammen mit Mercedes und Teamchef Toto Wolff auch gleichberechtigte Partner des Mercedes-F1-Teams. Seit 2023 gehören dem Engländer zudem 25 Prozent des englischen Rekordmeisters Manchester United.

Abenteuerlustig und waschechter Brite – da erstaunt die Faszination Ratcliffes für den urchigen Land Rover Defender nicht. Seine Idee, den Defender als Ineos Grenadier mit moderner Technik neu aufleben zu lassen, fand Land Rover gar nicht lustig und bot bei der Umsetzung keine Hand. Doch Ratcliffe liess sich nicht mehr bremsen und entschied: Dann mach ichs halt allein. In einem Pub namens Grenadier fertigte er erste Skizzen «seiner» modernen Defender-Idee – und fand damit auch gleich die Modellbezeichnung. Land Rover war über Ratcliffes Tun «not amused», klagte aufgrund des sehr ähnlichen Designs, blitzte aber ab. Der technisch moderne Grenadier sei keine Defender-Kopie, urteilte das Gericht.

CHRIS RIEFENBERG

Multimilliardär Jim Ratcliffe (71) ist einer der reichsten Briten – ihm gehört der Chemie-Konzern Ineos. Weil der Geschäftsmann zudem begeisterter Abenteurer und Sportler ist, finanziert er auch die Fussballklubs Lausanne-Sport und OGC Nizza (F) sowie die erfolgreichen Rad- und America's-Cup-Segelteams Ineos. Nach zähen Verhandlungen mit Daimler wurden Ratcliffe und Ineos zusammen mit Mercedes und Teamchef Toto Wolff auch gleichberechtigte Partner des Mercedes-F1-Teams. Seit 2023 gehören dem Engländer zudem 25 Prozent des englischen Rekordmeisters Manchester United.

Abenteuerlustig und waschechter Brite – da erstaunt die Faszination Ratcliffes für den urchigen Land Rover Defender nicht. Seine Idee, den Defender als Ineos Grenadier mit moderner Technik neu aufleben zu lassen, fand Land Rover gar nicht lustig und bot bei der Umsetzung keine Hand. Doch Ratcliffe liess sich nicht mehr bremsen und entschied: Dann mach ichs halt allein. In einem Pub namens Grenadier fertigte er erste Skizzen «seiner» modernen Defender-Idee – und fand damit auch gleich die Modellbezeichnung. Land Rover war über Ratcliffes Tun «not amused», klagte aufgrund des sehr ähnlichen Designs, blitzte aber ab. Der technisch moderne Grenadier sei keine Defender-Kopie, urteilte das Gericht.

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Rustikale Optik, moderne Technik

Kombiniert sind beide BMW-Motoren mit einer Achtgang-Automatik von ZF. Das funktioniert erwartungsgemäss problemlos, auch wenn noch ein Untersetzungsgetriebe angeflanscht wurde. Die zuschaltbare Reduktion ist ein weiterer Beweis, dass Ineos es ernst meint mit dem Fahren durch unwegsames Gelände. Tatsächlich schafft der Grenadier-Prototyp damit selbst steilste Anstiege mühelos.

Wenn es aber richtig unwegsam wird, spielen Differenzialsperren eine wichtige Rolle. Der Grenadier wird, wie schon die gute alte G-Klasse, beim Verkaufsstart drei davon an Bord haben – vorn, in der Mitte und hinten. Unser Prototyp kommt noch ohne Vorder- und Hinterachssperren aus, was eine andere Stärke offenbart: seine Achsverschränkung. Beeindruckend, wie der Grenadier selbst auf verworfenem Untergrund stets mit allen vier Rädern Bodenkontakt behält. Damit kompensiert er das Fehlen der Sperren mühelos.

Land Rover blitzte vor Gericht ab

Während der Entwicklung des Grenadiers hatte Ineos mit einer Herausforderung zu kämpfen, die absehbar gewesen war. Die Silhouette des Offroaders mit moderner BMW-Antriebstechnik, vor allem aber die Gestaltung der vorderen Kotflügel, weckt Erinnerungen an den alten Defender. Prompt sah man bei Land Rover das geistige Eigentum verletzt und zog wegen diverser Urheberrechtsverletzungen vor Gericht. Doch Ineos-Boss Jim Ratcliffe war vorbereitet, hatte eigens dafür einen Fond geschaffen und diesen gut gefüllt. Die Gerichte in England wiesen die Klagen denn auch ab und auch die Richter in anderen Ländern folgten dieser Einschätzung.

Jim Ratcliffe vor seinem kantigen Grenadier-Prototyp, der optisch schon stark an den alten Land Rover Defender erinnert.
zvg.

Während der Entwicklung des Grenadiers hatte Ineos mit einer Herausforderung zu kämpfen, die absehbar gewesen war. Die Silhouette des Offroaders mit moderner BMW-Antriebstechnik, vor allem aber die Gestaltung der vorderen Kotflügel, weckt Erinnerungen an den alten Defender. Prompt sah man bei Land Rover das geistige Eigentum verletzt und zog wegen diverser Urheberrechtsverletzungen vor Gericht. Doch Ineos-Boss Jim Ratcliffe war vorbereitet, hatte eigens dafür einen Fond geschaffen und diesen gut gefüllt. Die Gerichte in England wiesen die Klagen denn auch ab und auch die Richter in anderen Ländern folgten dieser Einschätzung.

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Gelände kann der Ineos Grenadier also. Ob man es braucht oder nicht. Angesichts der umgerechnet gut 60’000 Franken Basispreis, der für Diesel und Benziner gilt, reduziert sich die Reihe der Konkurrenten damit auf den Jeep Wrangler in der Rubicon-Ausführung. Doch wird der Amerikaner durch seine deutlich geringere Zuladung und schwächere Anhängelast im Praxisbetrieb das Nachsehen haben.

Vorverkabelung für Zubehör von Umbauern

Nicht nur beim Antrieb, auch bei der Gestaltung des Cockpits geht Ineos bewusst einen anderen Weg: Es ist rustikaler, ohne ausufernde Digitaldisplays. Ein Infotainmentsystem gibts natürlich, sonst dominieren aber Tasten und Hebel den Fahrer-Arbeitsplatz. Selbst der Dachhimmel muss dafür herhalten, was Assoziationen an ein Flugzeugcockpit wecken soll.

Ungewöhnlich ist dabei, dass nicht alle Schalter belegt sind. Diese Blindschalter sind aber verkabelt und ermöglichen Zubehör- und Umbauspezialisten, eigene Lösungen im Fahrzeug zu integrieren – in der Welt kerniger Geländewagen nicht unwichtig. «Open Source» heisst diese Philosophie bei Ineos.

30’000 Autos kann Ineos in seinem Werk in Hambach (F) jährlich produzieren. Wird die ehemalige Smart-Fabrik entsprechend angepasst, könnten es auch doppelt so viele sein. Ob das diese Nische tatsächlich hergibt, wird die Zukunft zeigen. Jedenfalls lässt Ineos nichts unversucht, das Portfolio möglichst breit aufzustellen.

So wird es den 110er genannten Basis-Grenadier auch als Nutzfahrzeug geben. Auf breiteres Interesse dürfte der im nächsten Jahr kommende 130er mit längerem Radstand stossen. Er ist zunächst als Pickup mit Doppelkabine erhältlich, der dem Jeep Gladiator ähnlich ist. Später wird der 130er-Station-Wagon folgen. Vom Tisch ist dagegen ein kurzer, zweitüriger 90er: Dieses Marktsegment erschien selbst den offroad-begeisterten Ineos-Managern zu klein.

Ineos baut den Grenadier im ehemaligen Smart-Werk in Hambach
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