EU-Zölle auf China-Autos
Der Schuss geht nach hinten los

Die Europäische Union streitet mit China um mögliche Strafzölle auf Importautos. Viele europäische Marken sind davon wenig begeistert. Denn die Zölle könnten ihr Geschäftsmodell zunichte machen.
Publiziert: 29.08.2024 um 14:00 Uhr
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Aktualisiert: 29.08.2024 um 14:04 Uhr

Auf einen Blick

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Stefan Grundhoff

Zoll-Hickhack zwischen China und der Europäischen Union (EU). Die EU wirft China vor, den Wettbewerb im eigenen Land mit hohen Subventionen zugunsten der Heimmarken zu verzerren. Wohl ab November sollen daher Strafzölle auf chinesische Importautos erhoben werden. Ursprünglich geplant war ein Aufschlag von maximal 37,6 Prozent; neu sollen die Zölle einen Prozentpunkt tiefer ausfallen. Nur allzu gerne hätte die EU die Strafzahlungen rückwirkend auf Anfang Juli durchgesetzt. Doch die EU-Juristen winkten ab: keine Rechtsgrundlage.

Kompliziert macht die Zoll-Diskussion, dass die chinesischen Autobauer unterschiedlich behandelt werden. So sank der angedrohte Strafzoll bei Massenhersteller BYD, zunehmend auch in Europa aktiv, von 17,7 auf 17,0 Prozent. Bei Geely gings von 19,9 auf 19,3 Prozent, bei SAIC von 37,6 auf 36,3 Prozent.

Entsprechend dürften sich die Zölle auf die Verkaufspreise der China-Stromer dieser Marken auswirken. Hart für MG: Die Marke hat sich nicht nur in Deutschland in den letzten Jahren zur erfolgreichsten China-Importmarken emporgearbeitet. Das kompakte Elektromodell MG4, ein direkter Wettbewerber von VW ID3 oder Cupra Born, könnte sich um über ein Drittel verteuern, denn: MG gehört zum chinesischen SAIC-Konzern.

Immer mehr chinesische Autobauer bieten ihre Modelle jetzt auch in Europa an. Das schafft einerseits mehr Auswahl, setzt aber europäische Marken unter Druck.
Foto: Sönke Denis noep))) Screen+Foto Design
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Auch Europa-Marken produzieren in China

Taktisch ist die Reduzierung der Zölle nicht mehr als ein Signal, dass die Tür für Verhandlungen noch nicht geschlossen ist. Jene China-Automarken, die mit der EU aktiv zusammenarbeiten, würden statt der ehemals geplanten 21,3 mit nunmehr 20,8 Prozent belastet. Hinter den Kulissen wird eifrig verhandelt und so steht noch nicht fest, ob die Strafzölle zu Anfang November 2024 eingeführt werden. Zuvor müssen sich noch die 27 EU-Mitgliedstaaten der EU mehrheitlich für diese Regelung aussprechen. Das kann erfahrungsgemäss dauern.

Doch wer meint, dass durch die Strafzölle allein die chinesischen Autohersteller zur Kasse gebeten werden, irrt gewaltig. Denn auch Marken wie Tesla, Volkswagen, BMW oder Mercedes fertigen seit Jahren Fahrzeuge in China und einige der Modelle werden nach Europa eingeführt. Geely produziert zum Beispiel die Modelle von Lotus – Konkurrenz für Porsche Taycan oder Audi E-Tron GT – in China. Als Kooperationspartner von Mercedes fertig der Konzern auch die Smart-Modelle #1 und #3. Weitere Beispiele? Die Volkswagen-Konzernmarke Cupra produziert den Elektro-Crossover Tavascan im chinesischen Anhui und die BMW-Tochter Mini lässt ihren elektrischen Cooper im Joint Venture mit Great Wall Motors in China bauen.

Immer mehr chinesische Autobauer bieten ihre Modelle jetzt auch in Europa an. Das schafft einerseits mehr Auswahl, setzt aber europäische Marken unter Druck.
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Zölle – eine Sackgasse?

Speziell die deutsche Industrie steht den aus Brüssel ins Spiel gebrachten Strafzöllen daher skeptisch gegenüber. In Wolfsburg, München oder Stuttgart befürchtet man nicht allein schmerzhafte Gegenmassnahmen aus und speziell in China: Die chinesische Regierung hat bereits angekündigt, nicht nur die Importe von Schweinefleisch aus der EU, sondern auch von Verbrenner-Modellen der etablierten Hersteller mit Strafzöllen zu belegen. «Die Einführung zusätzlicher Importzölle führt in eine Sackgasse. Sie stärkt nicht die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Hersteller», sagte Oliver Zipse, BMW-Vorstandsvorsitzender, bereits im Juni 2024. «Solche Massnahmen sind ein schwerer Eingriff in das auch von der EU propagierte Prinzip des freien Handels.» Immerhin gilt Mini inzwischen als kooperierende Marke mit tieferen Zollaufschlägen.

Der VW-Konzern müsste ab dem Spätherbst sogar mit unterschiedlichen Strafzöllen jonglieren, da die Wolfsburger mit SAIC, FAW und Jac gleich drei chinesische Joint-Venture-Partner haben. Für Tesla, das in Shanghai ebenfalls Modelle wie das Model 3 und Model Y fertigt, gibt es nach den jüngsten Verhandlungen eine Sonderregelung. Da die Firma von Elon Musk anders als die Wettbewerber in China kein Joint Venture eingegangen ist, wurden die möglichen Strafzölle auf neun Prozent reduziert. Zudem laufen die meisten Teslas für Europa im deutschen Grünheide vom Band.

China als Auto-Werkbank der Welt

Doch nicht allein die Premiummarken wie Audi, BMW oder Mercedes verdienen in China als dem grössten Automarkt der Welt das meiste Geld. Langfristig planen weitere europäische Anbieter, in China produzierte Modelle vermehrt in andere Regionen der Welt – darunter auch nach Europa – zu exportieren. Strafsteuern könnten sich dann sogar doppelt in den eigenen Verkaufs- und Ertragszahlen bemerkbar machen. Doch in Ländern wie Italien, Spanien oder Frankreich wird der neu ausgerufene Protektionismus eher befürwortet. Die Chance für ein EU-Ja zu den Zöllen stehen daher nicht schlecht.

Schon die deren Ankündigung zeigte im Juli erste Auswirkungen. Die jüngsten chinesischen Einfuhrzahlen sanken – wohl auch wegen der weiter anhaltenden Kaufzurückhaltung bei Elektroautos. Einige Marken versuchten gar, die Einfuhr auf die Zeit vor dem 5. Juli vorzuziehen, um möglicherweise rückwirkend geltende Zölle zu vermeiden. Diese sind zwar vom Tisch. Es bleibt also spannend, wie SAIC, Dongfeng, Chery, Nio, Geely, Great Wall und Co. in den kommenden Wochen und Monaten reagieren werden. BYD hat in weiser Vorausschau bereits mit dem Bau einer Werks in Ungarn begonnen. Auch ein Mittel gegen die Zölle.

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