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Exklusiv-Interview: Opel-CEO Michael Lohscheller
«Paris ist uns näher, als es Detroit je war»

Zwei Jahre nach dem Verkauf von GM an PSA hat Opel-Boss Michael Lohscheller (50) die Traditionsmarke wieder in die Gewinnzone gebracht: Exklusiv spricht er mit SonntagsBlick über Sparpläne, neue Freiheiten, China, den Elektro-Corsa – und viel zu viele Lenkräder.
Publiziert: 14.04.2019 um 09:22 Uhr
Foto: Thomas Meier. Zürich, 01.06.21. Portraits der Blick Redaktion Zürich. Blick, Blick TV, Portraits, Mitarbeiterportraits, Blickgruppe. Timothy Pfannkuchen
Timothy PfannkuchenRedaktor Auto & Mobilität

Herr Lohscheller, Opel hat letztes Jahr erstmals seit 1999 schwarze Zahlen geschrieben. Was kann Ihr Sparprogramm, was all die vorherigen nicht konnten?
Michael Lohscheller:
Das Verkünden eines Plans ist eine Sache, aber entscheidend ist die Umsetzung. Bei Opel haben das alle Mitarbeiter gemeinsam und erfolgreich getan und sich auf die wichtigsten Themen fokussiert: Kosten in den Werken, Produktkosten, Komplexität, Preispositionierung und Erlös pro Fahrzeug.

Hilft dabei, dass Opel seit 2017 wie Citroën, DS und Peugeot zu PSA gehört?
Selbstverständlich. Als Teil von PSA konnten wir uns vergleichen: Wo waren unsere Schwestermarken besser aufgestellt? Wo mussten wir aufholen? Daraus haben wir konkrete Pläne entwickelt und diese dann konsequent umgesetzt. Die erweiterte Groupe PSA ist heute ein echter europäischer Champion.

Geben Sie uns ein konkretes Sparbeispiel?
Wir haben unsere Fixkosten im vergangenen Jahr um 27 Prozent reduziert und unsere Produktionskosten pro Fahrzeug um 367 Euro. Ein grosser Hebel ist zudem die geringere Komplexität. Wir hatten zum Beispiel im Insignia über 20 verschiedene Lenkräder. Diese Zahl haben wir stark gesenkt. Und wir haben Flächen reduziert in den Werken und dort nun Zulieferer angesiedelt, was Wege und Kosten optimiert.

Herr der schwarzen Zahlen: CEO Michael Lohscheller hat Opel wieder profitabel gemacht.
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Opel hat unter General Motors (GM) in den 1990er-Jahren schmerzlich erlebt, was Kaputtgespartwerden ist. Besteht diese Gefahr jetzt nicht auch unter PSA?
Nein, wir haben ja gleichzeitig auch unsere Erlöse verbessert. Eine bessere Kostenstruktur ist aber natürlich notwendig, um Opel wettbewerbsfähig aufzustellen. Das machen wir. Und wir machen Opel noch deutscher. Wir entwickeln und designen alle unsere Modelle in Rüsselsheim; das war zuvor nicht immer so. Wir haben viel mehr Freiheiten. Nehmen Sie das Design: Das Concept Car GT X Experimental hätten wir früher in dieser Form nicht machen können. Und wir dürfen jetzt auf alle Märkte ausserhalb Europas – Beispiel Russland.

Dürfen wir es vorsichtig so interpretieren, dass Sie die GM-Zeit nicht vermissen?
(Lacht.) Paris ist uns näher, als es Detroit je war! Wir haben ein ähnliches Verständnis für Europa. Grundsätzlich schauen wir nach vorne und darauf, was wir jetzt machen mit den neuen Freiheiten.

Sie gelten als Zahlenmensch, nicht als Mann mit Benzin im Blut.
Wir haben bei Opel viele Mitarbeiter mit sehr viel Benzin im Blut. Das zählt. Ich sehe mich als Unternehmer: In einer sich wandelnden Industrie macht Profitabilität unsere Stärke aus.

Ihr Marktanteil hat sich binnen 20 Jahren quasi halbiert. Wie gehts weiter?
Wir haben mit einem im Vergleich niedrigeren Marktanteil mit 859 Millionen Euro das beste operative Ergebnis unserer Geschichte erreicht. Darauf kommt es an. Wir haben bewiesen, dass wir schon auf diesem Niveau Geld verdienen. Natürlich wollen wir künftig wieder wachsen. Die Richtung ändern wir dabei aber nicht: Profitabilität geht vor.

Bei Crossland X und Grandland X wurde schon vor dem Verkauf mit PSA kooperiert. Man siehts kaum, aber spürt doch Peugeot 3008 und 5008 heraus. Ist das die Opel-Zukunft?
Ich finde das Ergebnis bereits sehr gelungen, und das machen wir künftig nochmals viel besser – denn jetzt ist es keine Allianz mehr, sondern ein gemeinsamer Konzern. Beim neuen Corsa, unserem ersten neuen Auto, seit wir zu PSA gehören, wird man genau sehen, wofür die Marke Opel steht und wie wir das auf gemeinsamen Plattformen realisieren.

Sonst könnte ich statt des Corsa, der im Herbst startet, ja auch den Peugeot 208 kaufen.
Genau, die Differenzierung der einzelnen Marken ist entscheidend! Deshalb wird man auf den ersten Blick klar erkennen, dass es ein Corsa ist – von aussen genauso wie im Innenraum. Zum Beispiel kommt der neue Corsa mit Matrix-LED-Licht – ein Auto im Kleinwagen-Segment mit Oberklasse-Technik, deren Mehrnutzen die Kunden sofort erleben.

Der Corsa kommt wie der 208 auch elektrisch. Wollen oder müssen Sie das?
Der Kunde will wählen können. Daher werden wir einen Corsa mit Verbrennungsmotor, aber auch eine rein elektrische Variante anbieten. Dabei helfen uns die PSA-Plattformen enorm. Und natürlich hilft es uns auch entscheidend dabei, die strengen CO2-Vorgaben zu erreichen.

Sie hätten ja noch den mit GM gebauten Ampera-e. Wozu also neu entwickeln?
Bis ins nächste Jahr hinein kommen vier neue E-Fahrzeuge: Grandland X Plug-in-Hybrid, Corsa-e, der Nachfolger des Mokka als E-Version und der Vivaro-e. Damit werden wir in den Segmenten unterwegs sein, in denen die Musik spielt. Wir bauen diese Fahrzeuge in unseren eigenen PSA-Werken, haben die Wertschöpfung also komplett in der Hand. Beim Ampera-e sind wir abhängig davon, wie viele Fahrzeuge uns aus Detroit zugeteilt werden.

Elektroautos seien zu teuer, sagen viele Kunden.
Zum Durchbruch der E-Mobilität brauchts genug Reichweite, Infrastruktur und einen für viele erreichbaren Preis. Wir wollen E-Mobilität für viele und werden es entsprechend einpreisen. Der Corsa-e wird ein echtes Volks-Elektroauto.

Sie befürworten, dass Europa eigene Auto-Akkus baut. Warum?
Bis 2030 wird die E-Mobilität deutlich zunehmen und die Batterie eine hohe strategische Bedeutung erhalten – viel zu hoch, um sich dabei komplett von anderen abhängig zu machen.

Sie hatten neue Exportmärkte erwähnt. Meinen Sie auch China?
Wir schauen uns China an. Aber das will sorgfältig diskutiert sein, denn falls wir das machen, muss es profitabel sein. Das gilt für alle Märkte, die wir uns anschauen. Wir haben uns 2018 in Afrika neu aufgestellt: Wir werden Autos in Namibia montieren. Und wir sind bereits in Chile und kehren noch dieses Jahr nach Russland zurück – mit einer Produktion vor Ort.

Wo sehen Sie Opel in fünf Jahren?
(Lohscheller lacht und deutet auf ein Bild des Concept Car Opel GT X Experimental.) Dort! Das dauert keine fünf Jahre mehr! Wir werden eine klare Linie haben und uns mit Themen wie Sitzen und Licht klar positionieren, um eine erfolgreiche, weltweite Marke zu sein.

Persönlich

Seit Mitte 2017 ist Michael Lohscheller (50) CEO der Opel Automobile GmbH in Rüsselsheim (D). Nach dem Studium war der Diplom-Kaufmann Controller bei Daimler, Finanzchef (CFO) bei Mitsubishi und ab 2004 bei VW Amerika, wo er ab 2008 den US-Turnaround schaffte. General Motors (GM) holte ihn 2012 zur Tochter Opel, wo Lohscheller im Zuge des Verkaufs an PSA (Citroën, DS, Peugeot) Mitte 2017 zum Opel-Boss avancierte. Der gebürtige Bocholter (D) war Fussball-Goalie, hat schon mehr als 100 Marathons absolviert und gilt in der Autobranche als hochkompetenter Finanzexperte mit viel Produktgefühl.

Seit Mitte 2017 ist Michael Lohscheller (50) CEO der Opel Automobile GmbH in Rüsselsheim (D). Nach dem Studium war der Diplom-Kaufmann Controller bei Daimler, Finanzchef (CFO) bei Mitsubishi und ab 2004 bei VW Amerika, wo er ab 2008 den US-Turnaround schaffte. General Motors (GM) holte ihn 2012 zur Tochter Opel, wo Lohscheller im Zuge des Verkaufs an PSA (Citroën, DS, Peugeot) Mitte 2017 zum Opel-Boss avancierte. Der gebürtige Bocholter (D) war Fussball-Goalie, hat schon mehr als 100 Marathons absolviert und gilt in der Autobranche als hochkompetenter Finanzexperte mit viel Produktgefühl.

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