Fiat-Konzern FCA
Wo bleiben die neuen Modelle?

Der Fiat-Konzern FCA hat sich zuletzt mehr mit der Neuordnung seiner Unternehmensstruktur als der Entwicklung neuer Fahrzeuge beschäftigt. Nicht nur bei der Kernmarke Fiat fehlen deshalb neue Modelle.
Publiziert: 22.03.2015 um 00:05 Uhr
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Aktualisiert: 09.10.2018 um 03:54 Uhr
Fiat 500X
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Von Stefan Grundhoff und Wolfgang Gomoll

Viele Amerikaner scheinen noch immer nicht realisiert zu haben, dass die US-Marken Chrysler, Jeep und Dodge längst in Fiat-Hand sind. Der alles andere als finanzstarke Fiat-Konzern schnappte sich in finanziell günstigen Zeiten die damals angeschlagenen Amis und kreierte unter dem Firmenboss Sergio Marchionne (62) einen eindrucksvollen Weltkonzern namens Fiat Chrysler Automobiles (FCA), der seinen Hauptsitz längst nicht mehr in Italien, sondern in London bzw. Amsterdam hat. Und dank den derzeit guten Chrysler-Verkäufen in Amerika, könnten sich die chronisch leeren Kassen des FCA-Konzerns langsam wieder füllen. Dennoch ist Marchionne mit seinen Umbauplänen noch lange nicht am Ende. So sagte er auch am Genfer Autosalon wieder, dass er durchaus offen für Kooperationen mit Marken wie Ford oder GM sei. Weniger begeistert ist er aber von der Idee, mit Peugeot oder VW zusammen zu spannen. Vor allem auf VW ist Marchionne nicht gut zu sprechen, macht doch Konzern-Patriarch Ferdinand Piëch seit Jahren keinen Hehl daraus, dass er sich gerne Alfa Romeo einverleiben würde. Diesem Ansinnen erteilte Marchionne bislang mehr als einmal eine klare Absage.

Alfa: Back to the roots
Also dümpelt der ehemals stolze Sportwagen-Hersteller Alfa nur noch als Schatten seiner selbst vor sich hin, lebt von seiner emotionalen Historie und den unerschütterlichen Anhängern. Ausser dem sportlichen 4C warten die Fans vergeblich auf ein weiteres neues Modell. Immer wieder zaubert Alfa neue Pläne aus der Schublade, die nach ein paar Monaten durch neue ersetzt werden. Der letzte sieht nun eine Reanimation mit fünf Milliarden Dollar und acht neuen Modellen bis 2018 vor. Darunter auch ein SUV und ein 159er-Nachfolger, der im Sommer vorgestellt werden soll. Woher die fünf Milliarden Finanzspritze und der Strauss neuer Modelle kommen soll, bleibt weiter unklar. Das Motto der jüngsten Strategie lautet offenbar «back to the roots». So sollen künftig alle Alfa-Modelle wieder aus Italien kommen. Das würde aber auch das Aus für den kleinen, auf dem neuen Mazda MX-5 basierenden, Spider bedeuten. Jetzt soll dem Vernehmen nach ein Fiat Abarth Cabrio von der modernen Technik des Japaners profitieren. Ob das der richtige Weg ist? Wir zweifeln.

Fiat: 500 und Panda
Nicht weniger düster sieht die Lage bei der Kernmarke Fiat aus. Dort dreht sich in Europa nur noch alles um die beiden Kleinwagen 500 und Panda. Und der Cinquecento ist mittlerweile arg in die Jahre gekommen. Doch während die Konkurrenz aus Europa und Asien laufend mit neuen Modellen und Innovationen aufwartet, gibt es bei Fiat seit der 500er-Weltpremiere im Jahre 2007 nur billige, lebenserhaltende Massnahmen. Und so überrascht es kaum, dass es nach der Frankfurter IAA im Herbst keinen längst überfälligen neuen Fiat 500 sondern nur eine weitere Modellpflege geben wird. Immerhin glänzt der Cinquecento nach wie vor mit seinem herzigen Design und fährt sich so nach wie vor in die Herzen vieler Frauen. Die schauen auch über wenig überzeugende Technik wie die Twin-Air-Zweizylinder oder betagte Getriebe hinweg und freuen sich über schickes Outfit und zahllose Individualisierungsmöglichkeiten innen und aussen. Auf die Frage, weshalb Fiat den Cinquecento nach acht Jahren nicht komplett neu auflegt, erhalten wir gebetsmühlenartig immer die selbe Antwort, wonach der Fiat 500 an seinem ikonenhaften Design festhalten werde und man technisch auf der Höhe sei. Das ist nicht komplett falsch, doch der eigentliche Grund ist ein anderer. Fiat fehlt nach wie vor das Geld, einen komplett neuen Kleinwagen aufzulegen, der dann zwar moderner und konkurrenzfähiger ist, jedoch in den ersten Jahren keine grossen Margen einfahren würde. Denn viel verdienen lässt sich an einem ab 14'490 Franken teuren Fiat 500 nicht. Bei der direkten Konkurrenz sind die Preise und insbesondere die Margen deutlich höher – aber eben auch die Entwicklungs- und Produktionskosten. Fiat hat mit den Modellen Freemont, Punto und Sedici noch einige Ladenhüter im Modellprogramm – alle kaum mehr konkurrenzfähig und meist nur noch über den Preis zu verkaufen, wenn der Händler diese überhaupt noch anbietet.

Ein Modell, viele Varianten
Weil mit dem 500er und dem jüngeren Panda finanziell keine grossen Sprünge zu machen sind, dehnt Fiat seine 500er-Familie nach oben aus. Auch wenn ein 500L an den Citychic des normalen 500ers nicht herankommt, lässt sich hier mehr verdienen – und die Modellfamilie wird jung gehalten. Noch besser gelingt dies Fiat mit dem neuen 500X, der sich eine Plattform mit dem Jeep Renegade teilt. Ein cooler Crossover, der mit attraktivem Design, modernen Antrieben und einer Reihe von Sonderausstattungen der Marke gut tut. So erklärt sich auch, dass die Preisspanne der vergleichsweise eng beieinander liegenden 500X-Varianten (vom 1,6-l-Benziner, 110 PS, Frontantrieb bis 2,0-l-Diesel, 140 PS, 4x4) von knapp 20'000 bis 34'000 Franken ungewöhnlich gross ist. Wer will, erhält für die Topversion nette Details wie 9-Gang-Automatik, 4x4, diverse Fahrassistenzsysteme, Navi oder exklusive Lederdetails. So ersetzt der 500X im Prinzip die seit Jahren bei Fiat fehlenden Modelle der Kompaktklasse wie Stilo oder Bravo. Doch ob sich mit dieser Modellpolitik die starke Konkurrenz überflügeln lässt, darf bezweifelt werden. Fiat braucht in erster Linie eines – neue Modelle!

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