Leistungs-Wirrwarr wegen Overboost
Werden wir bei E-Autos für blöd verkauft?

Früher gab es für ein Auto genau eine Leistungsangabe. Bei den Elektroautos wimmelt es aber vor PS-Angaben – weil Stromer teils mit Overboost fahren. Blick klärt den Begriffs-Wirrwarr auf.
Publiziert: 27.01.2023 um 11:49 Uhr
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Aktualisiert: 27.01.2023 um 13:34 Uhr
Martin A. Bartholdi

Autokaufen war mal richtig einfach. Benziner oder Diesel? Handschaltung oder Automat? Zum Motor gab es genau eine PS-Angabe – fertig. Wer sich jedoch mit den immer mehr Fahrt aufnehmenden Elektroautos befasst, muss sich mit ganz neuen Zahlen beschäftigen – wie Akkukapazität, Reichweite oder Ladeleistung.

Oder mit mehreren PS-Angaben – denn die sind bei E-Autos oft nicht eindeutig.

Die PS-Fussnote

Viele E-Autos tragen mehrere Leistungsangaben oder dubiose Sternchen hinter der Leistung. Ein Beispiel: Der neue BMW iX M60 wird mit 619 PS (455 kW) beworben. Die Zahl trägt ein Sternchen – und jenes führt zum Hinweis: Es handle sich bei 619 PS um eine «temporäre Leistungserhöhung» für bis zu zehn Sekunden. Sonst liege die Normalleistung bei 540 PS (397 kW). 619 oder 540 PS – ein Luxus-Problem?

Für Elektroautos wie beispielsweise den Porsche Taycan Cross Turismo gibt es oft für ein Modell mehrere Leistungsangaben.
Foto: Porsche/zVg
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Keineswegs. Bei VWs ID.4 GTX beispielsweise ist es ebenso. In der Preisliste steht der Allradler mit 299 PS (220 kW) – doch auch hier verweist ein Sternchen auf ein Aber: Dies sei Maximalleistung für 30 Sekunden. Auf diesen Overboost entfallen laut VW Schweiz bis zu 34 PS (25 kW). Blieben im Normalbetrieb 265 PS (195 kW).

Diesen Overboost kann VWs E-SUV während 30 Sekunden und nur unter optimalen Bedingungen leisten. Das bedeutet: Der Akku muss noch mindestens zu 88 Prozent geladen sein und in einem Temperaturbereich von 23 und 50 Grad Celsius arbeiten.

Der Werbe-Boost

Der Overboost ist zusätzlich zur Maximalleistung für einige Sekunden verfügbar. Auch Porsche gibt in der Modell-Übersicht für den Taycan gross die Overboost-Leistung an, diese wird allerdings auch klar als solche gekennzeichnet. Dazu sind Maximalleistung und Overboost-Leistung bei den technischen Daten gleichwertig gegenübergestellt.

Trotzdem stellt sich die Frage: Werden die Kunden mit zwei Leistungsangaben – der normalen und der werbeträchtigeren Overboost-Angabe – nicht hinters Licht geführt? Porsche argumentiert, für die Kunden stehe die Performance und damit die maximal verfügbare Leistung im Vordergrund. Das sei im Fall des Taycan die Overboost-Power. VW verweist auf die Fussnote mit der Erklärung. Weiter sei jeder Verkäufer angewiesen, Kunden explizit darauf hinzuweisen, dass es sich bei 299 PS des GTX (andere ID.4 haben keinen Overboost) um Overboost-Leistung handle.

Selten volle Power

Man könnte lange über die Thematik streiten, welche PS-Angabe die «richtigere» ist. Werden wir von Overboost-Zahlen für blöd verkauft? Jein: Auch ein Auto ohne Overboost wird selten und stets nur ganz kurz mit Maximalleistung bewegt. Die Overboost-Leistung ist also in den allermeisten Situationen eine «ehrliche» Zahl – und nebenbei natürlich besser geeignet, um damit zu werben oder anzugeben.

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