Neue SUVs und Pick-ups mit Strom
Hängt Ford bald Tesla ab?

Alle reden von Tesla, Nio und anderen Elektro-Start-ups. Aber kaum ein anderer Autohersteller startet gerade so erfolgreich durch wie Ford. Begehrte Modelle kosten gar gebraucht mehr als neu.
Publiziert: 19.01.2022 um 14:21 Uhr
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Aktualisiert: 20.01.2022 um 17:35 Uhr
Stefan Grundhoff

Der Radiomoderator kommt aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. «An sich bin ich ein Jeep-Guy – wie meine ganze Familie», jubelt er zwischen zwei Country-Gassenhauern, «aber dieser Bronco ist einfach ein tolles Teil. Wer will den nicht?» Bloss eine rhetorische Frage: Die Lieferzeiten des neuen Ford Bronco sind endlos – mehr als ein Jahr. Deshalb werden auf dem Graumarkt leicht und locker 80'000 bis 100'000 Dollar für ein Exemplar geboten. Obwohl die Neuauflage des legendären Geländewagens offiziell gerade einmal die Hälfte kostet. Da kann nur die Mercedes G-Klasse mithalten – da liegen die Wartezeiten mittlerweile bei knapp zwei Jahren.

Ford ist hip in den USA – und wie. Der Börsenwert stieg vergangene Woche erstmals wieder über die magische Grenze von 100 Milliarden US-Dollar. Die Konkurrenz schaut noch irritiert, doch mittlerweile haben die meisten verstanden, dass die Traditionsmarke aus Dearborn im US-Bundesstaat Michigan wieder kräftig mitmischt.

Grosser Gewinner: CEO Jim Farley, der grinsend ernten kann, was seine Vorgänger gesät haben. Farley wird gefeiert, doch die richtigen Entscheidungen wurden schon von seinen Vorgängern Mark Fields und Jim Hackett getroffen. Klar setzt Ford auf Elektro und in den USA warten alle bereits mit Hochspannung auf den elektrischen F-150 Lightning. Der könnte zum absoluten «Gamechanger» werden, das Blatt komplett wenden.

Kaum ein anderer Autohersteller startet gerade so erfolgreich durch wie Ford.
Foto: Zvg
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Der F-150 ist der VW Golf der USA

Seit vier Jahrzehnten sind der Ford F-150 und seine fetteren Schwestermodelle die unangefochtenen Bestseller in den USA. «Die Nachfrage nach dem F-150 Lightning ist selbst bei uns hier in Colorado viel grösser, als wir es erwartet hätten», so ein grosser Ford-Händler aus Denver. «Dabei tun sich Elektroautos hier schwerer als in anderen Regionen, weil wir einen langen und harten Winter mit viel Schnee haben.»

Ford-Konkurrent Tesla kommt mit seinem Cybertruck dagegen nicht voran und hat den elektrischen Pick-Up weiter nach hinten verschoben. Schon Ende 2019 wurde er vorgestellt und sollte 2022 auf den Markt rollen. Aber Ford ist parat: Rund 200'000 Vorbestellungen liegen für den F-150 Lightning vor. Wie schnell die Produktion angesichts der Halbleiterprobleme, die 2021 gerade den F-150 stückzahlmässig abstürzen liessen, hochgefahren werden kann, ist ein anderes Thema. Massenfertigungen dürfte es frühestens in der zweiten Hälfte 2022 geben; viele Kunden dürften ihren F-150 Lightning nicht vor Mitte 2023 bekommen.

Noch liegt Tesla vorne

Der F-150 verkauft sich nicht zuletzt deshalb so erfolgreich, weil er nicht nur Privatkunden, sondern auch die Gewerbetreibenden anspricht. Deshalb gibts den F-150 Lightning auch als Pro-Version für Büezer mit Standard-Akku, Elektro-Allrad, 426 PS und maximal 370 Kilometern Reichweite ab knapp 40'000 US-Dollar. Für 10'000 US-Dollar mehr gibt es 563 PS, 480 Kilometer Reichweite und mehr Ausstattung. «Die Nachfrage hat unsere Erwartungen übertroffen. Wir gehen daher davon aus, dass wir bis 2030 40 bis 50 Prozent unserer Verkäufe in den USA auf vollelektrische Fahrzeuge konzentrieren werden», sagt Jim Farley.

Doch noch ist Fords Rückstand aus den letzten Jahren nicht aufgeholt. Tesla hat 2021 mehr als 936'000 Fahrzeuge ausgeliefert – das ist ein Zuwachs von 87,4 Prozent gegenüber 2020 mit 499'550 Auto. Elon Musks Unternehmen dürfte in diesem Jahr nicht nur die Millionengrenze überschreiten, sondern mit prognostiziert mehr als 1,5 Millionen Neufahrzeugen einen Zuwachs von nochmals 65 Prozent feiern können. Deshalb will Ford bis 2025 rund 30 Milliarden US-Dollar in Elektrofahrzeuge investieren – viel Geld, aber deutlich weniger als europäische Konzerne wie Volkswagen oder Daimler. Trotzdem will Ford in den nächsten zwei Jahren zumindest in den USA die klare Nummer zwei hinter Tesla werden. Bis Ende 2024 plant Ford, weltweit pro Jahr mehr als 600'000 Elektrofahrzeuge zu produzieren.

Erfolgreiche US-Modelle auch für Europa?

Doch Fords Erfolg gründet sich nicht bloss auf dem F-150 und einer reinen Elektrostrategie. Für positives Image und Geld in der Kasse sorgen auch der Sportwagen-Dauerbrenner Mustang und eben der Bronco, dem Ford mit dem Bronco Sport noch eine kleinere Variante zur Seite stellte. Auch für Europa erwartet Ford daraus Rückenwind. Wie vorher schon Mustang und Explorer dürften auch Bronco und F-150 – zumindest elektrisch – den Sprung über den Atlantik machen.

Die Produktionskapazität des Premieren-Stromers Mustang Mach-E soll bis Mitte kommenden Jahres auf 200'000 Fahrzeuge steigen. Und ganz nebenbei hat Ford sich beim Elektro-Start-up Rivian eingeschlichen und hält schon zwölf Prozent der Anteile. Der Hersteller von Elektro-Pick-ups hat zum Jahreswechsel seine ersten rund 1000 Fahrzeuge zu ausgewählten Kunden gebracht und soll bis 2030 den Online-Händler Amazon mit 100'000 Lieferwagen versorgen. Anleger und Börse feiern das Unternehmen schon derart, dass Erinnerungen an den Tesla-Start hochkommen. Und Ford ist dabei.

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