Oldtimer von Umbauer Everrati im Test
Defender und Porsche 911 werden elektrisch

Hinter dem italienischen Namen Everrati steckt eine britische Firma, die Oldtimer zu Elektroautos umbaut. Wir sind den Porsche 911 und den Land Rover Defender gefahren und haben festgestellt: Unterschiedlicher könnten zwei Autos nicht sein. Spass machen beide!
Publiziert: 21.06.2022 um 11:00 Uhr
Wolfgang Gomoll

Der Weg zu den coolsten Retro-Mod-Elektroautos ist nicht einfach zu finden. Dafür müssen wir auf einen abgelegenen ehemaligen US-Militärflugplatz in Upper Heyford in Oxfordshire. Hier, im Herzen Englands, befindet sich Umbau-Spezialist Everrati.

Schon der Name ist spannend und setzt sich aus «Ever» (eng.: immer) und «Rati» (hinduistische Göttin der Liebe) zusammen – ewige Liebe für Autos. «Ausserdem klingt es italienisch», schmunzelt Mitgründer Justin Lunny. Zusammen mit seinem Partner Nick Williams baut er Oldtimer zu Elektroautos um. Dafür wagen sich die beiden Briten an zwei echte Klassiker: den Land Rover Defender der Serie IIa (1958 bis 1971) und den Porsche 911 der Baureihe 964 (1988 bis 1994).

Mit Respekt umbauen

Da sich die beiden Partner an den Ikonen quasi nur die Finger verbrennen können, war für Lunny eine Maxime unantastbar: Die Autos durften nichts von ihrem Flair verlieren. Er führt es am 911er genauer aus: «Das Auto wird von absoluten Porsche-Spezialisten restauriert.»

Everrati ist eine britische Firma, die Elektroantriebe in Oldtimer einbaut.
Foto: Everrati
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Die Technik aber liegt in der Verantwortung von Chefingenieur Mike Kerr, der schon für Lotus und McLaren gearbeitet hat. Er gab den beiden Oldtimern mit akribischem CAD-Design den letzten Schliff. Jede 964-Karosserie wird für den Umbau genau vermessen. «Wir packen nicht einfach den gleichen Antriebsstrang in jedes Fahrzeug», erklärt Kerr.

Der Porsche 911 unter Strom

Beim 911er im ultralässigen Gulf-Design haben die Techniker einen Elektromotor mit einer 53 Kilowattstunden-Batterie kombiniert. Herausgekommen ist eine Rakete mit 506 PS (372 kW) und rund 320 Kilometern Reichweite. Wir dürfen für eine Testrunde einsteigen und erkennen sofort: Ziel erreicht! Lunny und Williams haben sich die Finger nicht verbrannt.

Innen verströmt der E-Elfer die Ausstrahlung des Originals, angefangen vom karierten Stoff an den Sitzen über Türen, Armaturenbrett, Alcantara-Elemente und Lederbezug bis hin zu den porschetypischen Rundinstrumenten und Schalensitzen. Selbst der Gangknüppel mit Golfball ist da.

Das Fahren erfüllt die Erwartungen, nein, übertrifft sie. Der E-Elfer jagt rasant los und braucht nur etwas mehr als vier Sekunden, ehe die 100 km/h erreicht sind. In den Kurven kommt echtes Porsche-Feeling auf. Die Achslastverteilung entspricht dem Original. Ein hauseigenes Differenzial hilft bei der Traktion, und auch wenn das Heck mal lebendig wird, bleibt der Everrati-Porsche leicht zu beherrschen. Das liegt auch an der präzisen Lenkung.

Der Elektro-Defender

Freude bereitet auch der Land Rover Defender. Der E-Geländewagen mit seinen 156 PS (115 kW) fährt, klingt und fühlt sich an wie das Original. Ein Stromer, der klingt? Ja! Die Türen scheppern, der Motor surrt. Das Interieur ist rustikal-reduziert, wie man das von einem Defender aus diesen Tagen erwartet. Lenkrad mit dünnem Holzkranz, unverkleidetes Blech und nur die nötigsten Rundinstrumente.

Wie der Ur-Defender gehört Komfort nicht gerade zu seinen Tugenden. Da stört es auch nicht, dass der 60-kWh-Akku nur für etwa 240 Kilometer reicht. Dafür hat er die typischen Getriebe-Untersetzungen, um auch mal über Stock und Stein zu klettern. Dieser Defender ist das coole Stadt- oder Strandauto.

Teurer Anfang

Der Umbau braucht allerdings Geduld und hat seinen Preis. Rund ein Jahr müssen Kunden Geduld haben, danach kostet der Everatti-Porsche ab 280'000 britische Pfund. Das sind umgerechnet rund 331'000 Franken. Da ist der E-Defender ab mindestens 150'000 Pfund (ca. 177'000 Fr.) schon fast ein Schnäppchen.

Bei den beiden Modellen soll es aber nicht bleiben. Das nächste Projekt ist ein Ford GT 40, der ein 700-Volt-System bekommen soll. Ausserdem tüftelt Everatti an einer Plattform mit Frontmotor und Heckantrieb für eine Mercedes Pagode. Ausserdem liessen sich auch Ford Cobra oder ähnliche Modelle realisieren. Also dürften sich in Zukunft noch einige gutbetuchte Zeitgenossen auf die Suche nach dem abgelegenen ehemaligen Militärflugplatz im Herzen Englands machen.

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