Riesige Reichweiten, rasantes Laden, sinkende Kosten
Schöne neue Akkuwelt

Reichweiten von mehr als 1000 Kilometern, Ladezeiten von wenigen Minuten und immer günstigere Produktionskosten: Fast wöchentlich lesen wir von neuen Batterie-Innovationen für E-Autos. Welche Superakkus bald in Serie gehen könnten, zeigen wir in der Übersicht.
Publiziert: 17.08.2024 um 16:00 Uhr
RMS_Portrait_943.JPG
Andreas EngelRedaktor Auto & Mobilität

Die Meldung Ende April liess die Autobranche aufhorchen: Forschende des renommierten Korea Institute of Science and Technology (KAIST) in Seoul haben eine neuartige Batterie vorgestellt, die in nur wenigen Sekunden vollständig geladen werden kann. Basis für diesen Superakku ist eine Natrium-Ionen-Zellchemie, die gegenüber den heute meist verbauten Lithium-Ionen-Batterien einen entscheidenden Vorteil hat: Natrium kommt in der Natur rund 500-mal häufiger vor als Lithium (auch interessant: Wie schädlich ist Lithium wirklich?) und ist daher auch wesentlich günstiger. Jedoch hatten auf Natrium basierende Batterien bei gleicher Grösse und gleichem Gewicht deutlich weniger Kapazität und benötigten deutlich länger, um vollgeladen zu werden – bis jetzt.

Denn den KAIST-Forschenden gelang es laut eigenen Angaben nun, die Nachteile der Natrium-Ionen-Technik auszumerzen. Möglich machts ein neu entwickeltes Anodenmaterial, das ähnliche Eigenschaften wie grosse Kondensatoren, sogenannte Super-Caps, besitzt: Es kann elektrische Energie innerhalb von Sekunden aufnehmen und sie auch blitzschnell wieder abgeben. Hinzu kommt, dass auch grosse Strommengen gespeichert werden können – dies war bei Super-Caps bislang nicht möglich. Doch der im Labor schon einsatzfähige Superakku hat noch entscheidende Nachteile: zum einen die exorbitanten Kosten, Experten sprechen von mehreren 100 Franken pro Gramm Anodenmaterial; zum anderen wird von gravierenden Sicherheitsproblemen gesprochen.

Neue Batterie-Innovationen für Elektroautos versprechen deutlich mehr Reichweite und kürzere Ladezeiten bei immer günstigeren Produktionskosten.
Foto: Stefan Warter
1/4

Günstige LFP-Batterien

Eine deutlich serienreifere Innovation auf dem Energiespeicher-Markt hat der weltgrösste Batteriehersteller CATL im Rahmen der kürzlich stattgefundenen Auto China in Peking in Aussicht gestellt: Die dort präsentierte Lithium-Eisen-Phosphat-Batterie (LFP) namens «Shenxing plus» soll je nach Fahrzeuggrösse Reichweiten von mehr als 1000 Kilometern ermöglichen – und dies bei wesentlich geringeren Kosten und einfacher zu beschaffenden Rohstoffen als bei heute eingesetzten Akkus. Der bereits im Sommer 2023 vorgestellte Vorgänger «Shenxing» wird in China schon von mehreren E-Autoherstellern verbaut und schafft Reichweiten von bis zu 700 Kilometern. Ausserdem soll die LFP-Batterie, die unter anderem auch von Tesla in Modellen für den chinesischen Markt eingesetzt wird, Ladegeschwindigkeiten von 400 Kilometern in nur zehn Minuten ermöglichen.

Schnellladen mit Silizium

In ähnliche Dimensionen will auch das israelische Start-up StoreDot bald vordringen: Der selbst ernannte Schnelllade-Pionier, an dem unter anderem die Branchenriesen Volvo Cars und Daimler beteiligt sind, hat Ende April seine «Extreme Fast Charging»-Technik (XFC) erstmals erfolgreich an einem fahrfähigen Prototypen ausserhalb einer Laborumgebung demonstriert. Der Polestar 5 mit 77-kWh-Siliziumbatterie steigerte die Ladeleistung während der zehnminütigen Vorführung von 310 auf 370 Kilowatt und füllte die Zellen in dieser Zeit von 10 auf 80 Prozent. Noch in diesem Jahr soll die XFC-Technologie in Serienfahrzeugen zum Einsatz kommen und die Reichweite in zehn Minuten um 320 Kilometer erhöhen. Bis im Jahr 2028 sollen dann schon mehr als 500 Kilometer in zehn Minuten erreicht werden.

Toyotas Gamechanger

Auch der japanische Autoriese Toyota forscht mit Hochdruck an den nächsten Generationen von Hochvoltspeichern und hat dazu Ende 2023 unterschiedliche Technologien und Batterietypen vorgestellt. Bereits 2026 sollen zum einen sogenannte Performance-Lithium-Ionen-Batterien erhältlich sein, die Reichweiten bis 800 Kilometer und Ladezeiten von weniger als 20 Minuten (10–80 Prozent) versprechen. Ab dann will Toyota zudem kostengünstigere LFP-Akkus einsetzen, die 20 Prozent mehr Reichweite bei 40 Prozent geringeren Kosten gegenüber der aktuellen Batteriegeneration bieten.

Ab spätestens 2028 sollen die ersten Serienmodelle der Japaner dann mit Feststoffzellenakkus auf den Markt kommen. Die als Gamechanger für E-Autos geltende Technik nutzt einen festen statt flüssigen Elektrolyt, wodurch sie mehr Leistung bei kompakterer Bauform liefern und sich auch schneller laden lassen. Toyotas Feststoffbatterien sollen rund 1000 Kilometer Reichweite bieten und die Ladezeit von 10 auf 80 Prozent auf zehn Minuten oder weniger reduzieren. In einer nächsten Entwicklungsstufe soll die Reichweite auf bis zu 1200 Kilometer steigen.

Was ist eine Feststoffbatterie?

Der sogenannte Elektrolyt ist entscheidend für die Eigenschaften einer Fahrzeugbatterie. Über ihn sind die beiden Pole einer Batterie namens Anode und Kathode verbunden – so ist der Fluss von Ionen zwischen den Polen möglich, bzw. der von Elektronen, also elektrischem Strom, in der Gegenrichtung. Wichtigster Unterschied der Feststoffbatterie zu heutigen Akkus: Der Elektrolyt ist fest und nicht flüssig und besteht aus Keramik oder Kunststoff.

Mit festem Elektrolyt aber lässt sich statt Graphit wie bisher neu Lithium als Material der Anode nutzen – das verbessert die elektrochemischen Eigenschaften der Batterie und bringt Vorteile: kürzere Ladezeiten, höhere Kapazität auf gleichem Raum und damit höhere Reichweiten. Zudem sinken bei Feststoffbatterien die Kosten und die Gefahr von Bränden in der Batterie massiv.

zVg

Der sogenannte Elektrolyt ist entscheidend für die Eigenschaften einer Fahrzeugbatterie. Über ihn sind die beiden Pole einer Batterie namens Anode und Kathode verbunden – so ist der Fluss von Ionen zwischen den Polen möglich, bzw. der von Elektronen, also elektrischem Strom, in der Gegenrichtung. Wichtigster Unterschied der Feststoffbatterie zu heutigen Akkus: Der Elektrolyt ist fest und nicht flüssig und besteht aus Keramik oder Kunststoff.

Mit festem Elektrolyt aber lässt sich statt Graphit wie bisher neu Lithium als Material der Anode nutzen – das verbessert die elektrochemischen Eigenschaften der Batterie und bringt Vorteile: kürzere Ladezeiten, höhere Kapazität auf gleichem Raum und damit höhere Reichweiten. Zudem sinken bei Feststoffbatterien die Kosten und die Gefahr von Bränden in der Batterie massiv.

Mehr

Serienreife Feststoffbatterie

In China – wo sonst – ist man hingegen schon zwei Schritte weiter. Schon diesen Monat will die Marke IM Motors, die zu den Megakonzernen SAIC und Alibaba gehört, das weltweit erste Serienmodell mit Feststoffbatterie auf den Markt bringen. Die Limousine L6, die am kargen Genfer Autosalon im Februar zu sehen war, soll dank der neuen Akkutechnik Reichweiten von 1000 Kilometern schaffen – zumindest nach chinesischem CLTC-Zyklus (siehe Box). Doch auch nach europäischer WLTP-Norm käme der Stromer mit seiner 130-kWh-Batterie noch gut 800 Kilometer weit – ein Wert, der bislang von kaum einem E-Auto auf dem Markt erreicht wird (auch interessant: Diese 10 E-Autos sind die Könige der Langstrecke). Zudem kann die Feststoffbatterie dank 900-Volt-Architektur mit bis zu 400 kW am Schnelllader befüllt werden – laut IM schafft der L6 400 Kilometer in nur zwölf Minuten.

Chinesischer CLTC-Zyklus

Das China Automotive Technology and Research Center (CATRC) entwickelte im Herbst 2021 den für den chinesischen Automarkt angepassten CLTC-Zyklus. Dieser gilt für schwere Nutzfahrzeuge, batterieelektrische Autos und Brennstoffzellenfahrzeuge. Ausgeschrieben steht CLTC für «China Light-Duty Vehicle Test Cycle». Der Prozess teilt sich in drei Phasen auf, die sich in erster Linie bei den gefahrenen Geschwindigkeiten unterscheiden: langsam, mittel und schnell. Der ganze CLTC-Testablauf nimmt gerade mal 30 Minuten in Anspruch, und bei der Prozedur werden etwa 14,5 Kilometer gefahren. Die Spitzengeschwindigkeit beträgt dabei rund 115 km/h. Beim für uns massgeblichen WLTP-Test werden dagegen zweimal 31 Kilometer mit einer Spitze bis zu 131 km/h absolviert. Deshalb sind die nach der China-Methode CLTC gemessenen Reichweiten auch stets höher als die per WLTP ermittelten Zyklen.

Das China Automotive Technology and Research Center (CATRC) entwickelte im Herbst 2021 den für den chinesischen Automarkt angepassten CLTC-Zyklus. Dieser gilt für schwere Nutzfahrzeuge, batterieelektrische Autos und Brennstoffzellenfahrzeuge. Ausgeschrieben steht CLTC für «China Light-Duty Vehicle Test Cycle». Der Prozess teilt sich in drei Phasen auf, die sich in erster Linie bei den gefahrenen Geschwindigkeiten unterscheiden: langsam, mittel und schnell. Der ganze CLTC-Testablauf nimmt gerade mal 30 Minuten in Anspruch, und bei der Prozedur werden etwa 14,5 Kilometer gefahren. Die Spitzengeschwindigkeit beträgt dabei rund 115 km/h. Beim für uns massgeblichen WLTP-Test werden dagegen zweimal 31 Kilometer mit einer Spitze bis zu 131 km/h absolviert. Deshalb sind die nach der China-Methode CLTC gemessenen Reichweiten auch stets höher als die per WLTP ermittelten Zyklen.

Mehr

Nios 1000-Kilometer-Kompromiss

Währenddessen scheint der chinesische Konkurrent Nio, der bereits mit einigen Modellen in Europa vertreten ist und unter anderem mit seinen Batteriewechselstationen für Schlagzeilen sorgte, ebenfalls einen technologischen Durchbruch erzielt zu haben. Letzten Dezember fuhr Nios charismatischer Chef William Li (49) werbewirksam von Shanghai in die weiter südlich gelegene Metropole Xiamen – 1044 Kilometer am Stück! Die Limousine ET7 war dabei mit einer Semi-Solid-State-Batterie – einem Halbfeststoffakku – mit einer Kapazität von 150 kWh ausgerüstet, die auf einen Kompromiss zwischen flüssigen und festen Elektrolyten setzt. Daneben sollen bald auch kleinere Akkus mit 70 bis 100 kWh angeboten werden. Entsprechende Modelle möchte Nio zunächst in China einsetzen. Europastart? Unklar. Was aber klar ist: Die neue Akkuwelt wird kommen – oder ist schon längst da.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Liebe Leserin, Lieber Leser
Der Kommentarbereich von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast. Noch kein Blick+-Abo? Finde unsere Angebote hier:
Hast du bereits ein Abo?