Rückgang der Parallel- und Direktimporte
«Der Bund schaut bisher nur tatenlos zu»

Verzeichnete die Schweizer Autobranche letztes Jahr noch einen Anstieg bei Parallel- und Direktimporten, gingen diese im ersten Halbjahr 2018 deutlich zurück. SonntagsBlick sucht mit den Präsidenten von Auto-Schweiz und dem Verband Freier Autohandel nach Gründen.
Publiziert: 28.07.2018 um 17:15 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 18:11 Uhr
Der Präsident von Auto Schweiz, François Launaz, sieht bei den Schweizern eine grosse Händlertreue.
Foto: ZVG
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Raoul Schwinnen

Seit rund zehn Jahren sind sie ein Politikum und in der Branche ein heiss diskutiertes Thema – Parallel- und Direktimporte von Neuwagen. Alleine im letzten Jahr gelangten von insgesamt 317'055 in unserem Land neu zugelassenen Autos 24'502 Neuwagen oder 7,7 Prozent an den offiziellen Markenimporteuren vorbei in die Schweiz. Derzeit sind diese Zahlen wieder rückläufig. So beträgt der Anteil parallel oder direkt importierter Neuwagen zur Jahreshalbzeit nur noch 5,6 Prozent – ein Rückgang um satte 36,6 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode (siehe Tabelle). Auto-Schweiz-Präsident François Launaz als Vertreter der offiziellen Importeure betrachtet diese Entwicklung mit Genugtuung und begründet sie «mit den attraktiven Preisen und zusätzlichen Service- und Garantieverlängerungspaketen» sowie «der grossen Markenhändler-Treue von Herrn und Frau Schweizer».

Übersicht über die Parallel- und Direktimporte von Neuwagen im ersten Halbjahr 2018.
Foto: BLICK

Erschwerte Parallel- und Direktimporte

Dagegen kocht die Gemütslage bei Roger Kunz, Präsident des Verbands freier Autohandel VFAS: «Die Zahlen gehen durch die immer stärkeren Behinderungen des Parallelhandels der Generalimporteure sowie die gesetzlichen Benachteiligungen des Direkt- und Parallelimports zurück. Und der Bund schaut bisher nur tatenlos zu. Dabei kämpfen wir gegen die Hochpreisinsel Schweiz. Immerhin beträgt der volkswirtschaftliche Nutzen unserer Parallel- und Direktimporte jährlich rund 1,5 Milliarden Franken. Aber die Rahmenbedingungen benachteiligen unsere Importe.»

Kunz bringt ein Beispiel: «Parallel- und Direktimporteure müssen (nicht typengenehmigte) Neuwagen einzeln beim Strassenverkehrsamt vorführen, was die Fahrzeuge für den Kunden verteuert.» Der Bundesrat wurde mit einer vom Parlament kürzlich überwiesenen Motion beauftragt, dies abzuschaffen. Nun hofft Kunz, dass es der Bundesrat «mit Parallelimporten und tieferen Preisen in der Schweiz ernst meint» und im Herbst diese Schikane aufhebt. Allerdings befürchtet er, dass die starke Lobby der Generalimporteure und ihrer Verbände genau dies verhindern könnte.

Unterschiedliche Standpunkte

Wie weit die Meinungen der zwei Verbandspräsidenten auseinanderklaffen, zeigen im übrigen auch ihre Antworten auf die folgenden Fragen.

Wird aus Ihrer Sicht der freie Autohandel in der Schweiz benachteiligt?
François Launaz:
Keinesfalls! Durch die Übernahme so ziemlich aller EU-Regelungen bei der Fahrzeughomologation und Typengenehmigung kann ein Auto aus dem EU-Raum problemlos importiert werden, ohne aufwendige Überprüfungen oder Anpassungen. Egal, wie ein Auto in die Schweiz importiert wird, es unterliegt denselben Vorschriften.
Roger Kunz: Ja! Durch den Bund bzw. dessen Verwaltung mit dem unnötigen Einzelvorführen von Fahrzeugen mit europäischen Übereinstimmungspapieren beim Strassenverkehrsamt oder dem CO2-Gesetz von 2012, das Klein- gegenüber Grossimporteuren benachteiligt und zu Doppelbesteuerungen junger Occasionen führt. Und durch Generalimporteure, die zum Beispiel mit Garantieverweigerungen das Wettbewerbsrecht verletzen. Unser Verband hat bei der Weko eine Anzeige gegen einen besonders dreisten Generalimporteur eingereicht. Im weiteren werden Herstellerpapiere verweigert, so dass wir im Gegensatz zu den Generalimporteuren auf die Fahrzeuge Zoll zahlen. Die Liste liesse sich beliebig erweitern.

Bedeutet der Rückgang der Parallel- und Direktimporte bei Neuwagen, dass die Schweiz bald wieder zur Hochpreisinsel wird?
Launaz:
Definitiv nicht! Der Rückgang ist das Ergebnis einer hervorragenden Preis- und Produktpolitik unserer Mitglieder. Wären die Preise zu hoch, würde sich der direkte oder parallele Import eher lohnen. Das ist marktwirtschaftlicher Wettbewerb, dem wir uns natürlich stellen. Wichtig ist, dass alle Marktteilnehmer mit gleich langen Spiessen kämpfen können und nicht ungleich behandelt werden – etwa bei Werbevorschriften.
Kunz: Ja! Studien zeigen, dass ein Direkt- und Parallelmarkt unter fünf Prozent keine preisdisziplinierende Wirkung auf Generalimporteure hat. Diese können die nahezu fehlende Konkurrenz für Preisaufschläge nutzen. Es liegt an Politik und Behörden, gegen die Zementierung der Hochpreisinsel Schweiz vorzugehen. Wegen unseres Drucks sind die Preise in den letzten Jahren um 20 Prozent gefallen. Werden die Schikanen nicht beseitigt, steigen sie wieder.

Beide skeptisch, aber aus unterschiedlichen Gründen

Fühlen Sie sich und Ihre Branche von der Politik genügend wertgeschätzt?
Launaz:
Nein. In vielen Teilen der Politik ist man sich nicht bewusst, dass die Autobranche und angehängte Wirtschaftszweige in der Schweiz rund 13 Prozent des Bruttoinlandprodukts generieren. Zudem bewältigt der private PW-Verkehr im «ÖV-Land» Schweiz 71 Prozent der gesamten Verkehrsleistung.
Kunz: Jein. Wir spüren Verständnis für unsere volkswirtschaftliche Bedeutung. Lobbying der Generalimporteure und deren Verbände verhindert aber einen raschen Abbau der Hochpreisinsel Schweiz. Der freie Autohandel setzt sich für tiefe Preise zum Vorteil der Autokäufer ein: Das wird in der Politik positiv wahrgenommen.

Import ist nicht gleich Import

Personenwagen kommen grundsätzlich auf drei unterschiedliche Arten in die Schweiz. Am häufigsten sind die offiziellen Importe (94,4 %). Dazu kommen gewerbsmässige Parallelimporte mit europäischer Zulassung (4,2 %). Diese Fahrzeuge werden meist über grosse Autodiscounter vertrieben. Der Rest sind Direktimporte (1,5 %) – also Fahrzeuge exotischer Marken wie Bugatti oder Pagani, die keine Schweizer Typengenehmigung besitzen und deshalb nur mittels teurer Einzelzulassung eine Erlaubnis für unsere Strassen erhalten. In diese Kategorie gehören auch US-Modelle wie Ford Mustang Shelby, Dodge Durango, Charger und Challenger, die bei uns vom Importeur nicht angeboten werden. Ein weiterer Sonderfall betrifft sogenannte «Code A»-Fahrzeuge – «Neuwagen», die vor dem Import in die Schweiz schon maximal drei Monate im Ausland zugelassen waren.

Personenwagen kommen grundsätzlich auf drei unterschiedliche Arten in die Schweiz. Am häufigsten sind die offiziellen Importe (94,4 %). Dazu kommen gewerbsmässige Parallelimporte mit europäischer Zulassung (4,2 %). Diese Fahrzeuge werden meist über grosse Autodiscounter vertrieben. Der Rest sind Direktimporte (1,5 %) – also Fahrzeuge exotischer Marken wie Bugatti oder Pagani, die keine Schweizer Typengenehmigung besitzen und deshalb nur mittels teurer Einzelzulassung eine Erlaubnis für unsere Strassen erhalten. In diese Kategorie gehören auch US-Modelle wie Ford Mustang Shelby, Dodge Durango, Charger und Challenger, die bei uns vom Importeur nicht angeboten werden. Ein weiterer Sonderfall betrifft sogenannte «Code A»-Fahrzeuge – «Neuwagen», die vor dem Import in die Schweiz schon maximal drei Monate im Ausland zugelassen waren.

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