Der neue Dacia Jogger im Crashtest
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Nur ein Stern:Der neue Dacia Jogger im Crashtest

Schlechte Bewertung ohne Test von NCAP
Die Crashtest-Lüge

Nur einer von fünf Sternen im Sicherheitstest: Der neue Dacia Jogger fällt im Euro-NCAP-Crashtest scheinbar durch. Nur: Die Tester haben ihn nie gecrasht – und er ist im Crash auch nicht so unsicher, wie ein Stern suggeriert.
Publiziert: 29.04.2022 um 05:16 Uhr
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Aktualisiert: 29.04.2022 um 10:51 Uhr
Martin A. Bartholdi

Günstig, nicht aber billig will die rumänische Renault-Tochter Dacia sein. Und Dacia betont, die Kampfreise würden nicht auf Kosten der Sicherheit erreicht. Doch dann das: Der für Dacia wichtige neue Familien-Allrounder Jogger erreicht in der Euro-NCAP-Wertung nur einen von fünf Sternen.

Solch ein Resultat schreckt Kunden ab und wird auch von Blick-Leserinnen und -Lesern kritisiert. Ein Debakel für Dacia? Der Entwicklungsvorstand Marc Suss relativiert: «Weil wir keine NCAP-Sterne jagen, verzichten wir bewusst auf einige Assistenten.» Man sei sich wegen des Bewertungs-Systems im Klaren gewesen, dass es keine Top-Bewertung geben werde.

Ohne Assistenz kaum Sterne, ...

Aber ist der Jogger wirklich so unsicher? Ein Beispiel, woher die schlechte Bewertung rührt: Der Jogger hat zwar einen Notbrems-Assistent, aber der erkennt «nur» Autos. Aber keine Velos und Fussgänger. Im Euro NCAP (s. Box) sorgt das für Abzug bei der Sicherheitsunterstützung, also Assistenz.

Der Euro NCAP hat dem Familien-Van Dacia Jogger bei seiner Sicherheitsbewertung nur einen von fünf Sternen gegeben.
Foto: Dacia
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Wer ist Euro NCAP?

Das European New Car Assessment Programme (also dt. Europäisches Neuwagen-Bewertungsprogramm), kurz Euro NCAP, ist eine Organisation von 27 Ministerien, Forschungsinstituten, Versicherungsverbänden und Verkehrsclubs aus Europa und China. Sie wurde 1996 gegründet und bewertet neue Fahrzeugmodelle hinsichtlich Sicherheit.

Dazu führt sie Crashtests durch. Dabei fliessen der Erwachsenen- und Kinderschutz, Fussgängerschutz und Assistenzsysteme ein. Die Kriterien werden laufend angepasst entsprechend des steigenden Sicherheits-Niveaus bei Neuwagen. Aus diesen Grund sind die Testergebnisse des aktuellen Jahres kaum vergleichbar mit früheren Ergebnissen.

Die Testresultate haben keine rechtlichen Konsequenzen, sondern sollen Neuwagenkäufern als Orientierung dienen. Bewertet wird mit Sternen:

5 Sterne: Hervorragende Gesamtnote für Aufprallschutz und gute Ausstattung mit umfassender und praxisgerechter Unfallvermeidungs-Technologie.

4 Sterne: Gute Gesamtnote für Aufprallschutz und allgemeine Sicherheit, zusätzliche Unfallvermeidungs-Technologie kann vorhanden sein.

3 Sterne: Mindestens durchschnittlicher Insassenschutz, aber nicht immer mit der neuesten Unfallvermeidungs-Technologie ausgestattet.

2 Sterne: Nomineller Aufprallschutz und geringfügiger Einsatz von Unfallvermeidungs-Technologie.

1 Stern: Geringer Aufprallschutz und geringfügiger Einsatz von Unfallvermeidungs-Technologie.

0 Sterne: Erfüllt die Typgenehmigungs-Normen (also die rechtlichen Standards zur Zulassung für den Strassenverkehr), deshalb ist der Verkauf zulässig. Wichtige moderne Sicherheitstechnologie fehlt jedoch.

Das European New Car Assessment Programme (also dt. Europäisches Neuwagen-Bewertungsprogramm), kurz Euro NCAP, ist eine Organisation von 27 Ministerien, Forschungsinstituten, Versicherungsverbänden und Verkehrsclubs aus Europa und China. Sie wurde 1996 gegründet und bewertet neue Fahrzeugmodelle hinsichtlich Sicherheit.

Dazu führt sie Crashtests durch. Dabei fliessen der Erwachsenen- und Kinderschutz, Fussgängerschutz und Assistenzsysteme ein. Die Kriterien werden laufend angepasst entsprechend des steigenden Sicherheits-Niveaus bei Neuwagen. Aus diesen Grund sind die Testergebnisse des aktuellen Jahres kaum vergleichbar mit früheren Ergebnissen.

Die Testresultate haben keine rechtlichen Konsequenzen, sondern sollen Neuwagenkäufern als Orientierung dienen. Bewertet wird mit Sternen:

5 Sterne: Hervorragende Gesamtnote für Aufprallschutz und gute Ausstattung mit umfassender und praxisgerechter Unfallvermeidungs-Technologie.

4 Sterne: Gute Gesamtnote für Aufprallschutz und allgemeine Sicherheit, zusätzliche Unfallvermeidungs-Technologie kann vorhanden sein.

3 Sterne: Mindestens durchschnittlicher Insassenschutz, aber nicht immer mit der neuesten Unfallvermeidungs-Technologie ausgestattet.

2 Sterne: Nomineller Aufprallschutz und geringfügiger Einsatz von Unfallvermeidungs-Technologie.

1 Stern: Geringer Aufprallschutz und geringfügiger Einsatz von Unfallvermeidungs-Technologie.

0 Sterne: Erfüllt die Typgenehmigungs-Normen (also die rechtlichen Standards zur Zulassung für den Strassenverkehr), deshalb ist der Verkauf zulässig. Wichtige moderne Sicherheitstechnologie fehlt jedoch.

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Abzug gibt es zum Beispiel auch, weil es für die dritte Sitzreihe keine Anschnall-Warnung gibt. «Dann wären die Sitze nicht mehr ausbaubar, der Jogger wäre teurer und schwerer», begründet Suss den Schritt, der einen Stern kostet. Assistenten verbaue man aus Kostengründen sehr zurückhaltend, sagt Süss weiter, viele Kunden wollten derlei gar nicht.

... aber Sterne ohne Crash

Suss betont dafür: «Die passive Sicherheit für die Insassen ist vorhanden und gut.» Tatsächlich erreicht der Jogger im Euro-NCAP-Insassenschutz für den Fall eines Crashs beim Erwachsenenschutz 70, bei Kindern 69 Prozent des Schutzmaximums. Heisst: Würde man alleine die Werte im Crash heranziehen, erreicht der Jogger immerhin vier bzw. drei Sterne.

Vermutlich zumindest. Denn: Euro NCAP hat den Jogger gar nie gecrasht! Auf Blick-Anfrage bestätigt Euro NCAP zum Jogger-Resultat: «Wir haben keine Crashtests gemacht.» Stattdessen seien die Resultate vom 2021er Crashtest des Dacia Sandero Stepway abgeleitet. Man habe von Dacia und Renault dazu Infos erhalten und weitere Sicherheitschecks gemacht.

Wie kann das sein? Der Jogger ist bis zur Mitte baugleich zum Sandero. Euro NCAP stuft die beiden Autos daher als Zwillinge ein. Entsprechende Crashtest-Ableitungen ganz ohne reale Aufpralltests gab es zum Beispiel auch schon von Seat Ibiza zu Arona oder von Skoda Scala zu Kamiq.

Immer weniger Crashs

Zu Spitzenzeiten knallte Euro NCAP im Jahr 60'000 Fahrzeuge gegen Hindernisse. Seither wurde auf 30'000 halbiert, obwohl die Modellvielfalt explodierte. Warum? Vermutlich Kapazitäts- und Kostengründe. Denn schliesslich ist Euro NCAP, gegründet 1996, eine Privatorganisation und keine Behörde. Die Crashtests werden durch Beiträge von Autoclubs, Verkehrsministerien und Autoversicherer aus ganz Europa finanziert.

Unbestritten ist: Das Euro-NCAP-Bewertungssystem hat Autos massiv sicherer gemacht. Es dauerte bis 2001, bis mit dem Renault Laguna das erste Auto die Bestnote von fünf Sternen erhielt. Und weil fast alle nach dem werbeträchtigen Gütesiegel streben, sind fünf Sterne fast Standard.

Tests nicht vergleichbar

Nur: Das erschwert Differenzierung und generiert keine Aufmerksamkeit, wie sie auch Euro NCAP zur Rechtfertigung des aufwendigen Prozederes braucht. Also werden die Kriterien verschärft, so dass die Autos sich am Ende stärker unterscheiden. Nur: Eine gute kann zwei Jahre später eine schlechte Bewertung sein, alte und neue Tests sind nicht vergleichbar.

Ein Budgetfahrzeug mit wenig Assistenz hat heute kaum eine Chance auf gute Gesamtnoten – und ein Stern sorgt dann für Schlagzeilen. Obwohl es im Aufpralltest selbst möglicherweise sicherer ist als der 2001er Laguna.

Blick meint: Natürlich ist der Euro NCAP wichtig und fördert die Sicherheit – und dazu zählen heute Assistenzsysteme, um andere zu schützen. Nur: In der Öffentlichkeit wird die Wertung als Aufprallsicherheit interpretiert. Macht es Sinn, dass etwa ein fehlender Gurtwarn-Piepser da das Sterne-Ergebnis vermiest? Vielleicht sollten beide Resultate getrennt publiziert werden – und bitte deutlicher gesagt, falls gar nicht gecrasht wurde.

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