Schweizer Autofahrer im Vergleich ganz brav
Lasche Bussen lassen Deutsche rasen

Die Daten des Naviherstellers TomTom zeigen, dass in deutschen Städten viel häufiger zu schnell gefahren wird als etwa in Zürich. Ein Grund könnten die Bussgelder sein, die in Deutschland weit tiefer sind als in der Schweiz oder in Nordeuropa.
Publiziert: 25.01.2022 um 00:33 Uhr
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Aktualisiert: 25.01.2022 um 07:59 Uhr
Andreas Engel

Bussen wegen schnellen Fahrens: Kaum ein Thema sorgt bei Autofahrerinnen und Autofahrern so oft für rote Köpfe. Gerade in Städten lauern Blitzkästen gefühlt an jeder Ecke, womit die Gefahr, beim Tempoverstoss erwischt zu werden, gross ist.

Dabei halten sich die Schweizer Autofahrenden recht genau an die Tempolimiten. Darauf weisen Daten des Naviherstellers TomTom hin, die das Nachrichtenmagazin «Spiegel» (D) ausgewertet hat. Die Verkehrsdaten von Januar bis Oktober 2021 zeigen, wie häufig in Städten Deutschlands sowie zum Vergleich in einigen anderen europäischen Städten – darunter Zürich – schneller gefahren wurde als erlaubt.

Dresdner sind oft zu schnell

Als deutsche Raser-Hochburg geht daraus das sächsische Dresden hervor: Nachts waren 56 Prozent der Fahrzeuge bei Tempolimit 30 mit mindestens 40 km/h unterwegs. Selbst am Vormittag fuhr im Schnitt fast jedes dritte Auto (29 Prozent) mehr als 10 km/h zu schnell. Ein ähnliches Bild in Kiel und Halle (Saale), wo nachts fast jedes zweite Auto (48 Prozent bzw. 47 Prozent) in der 30er-Zone mit mindestens 40 km/h unterwegs war.

In vielen Schweizer Städten wie Zürich stehen Blitzkästen gefühlt an jeder Strassenecke. Die Gefahr, wegen zu schnellen Fahrens erwischt zu werden, ist entsprechend gross.
Foto: Philippe Rossier
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Deutlich kleiner ist der Zu-schnell-Anteil im Vergleich im norwegischen Oslo, im dänischen Kopenhagen – und in Zürich: Alle drei Städte wurden zum Vergleich zu 40 deutschen Städten untersucht. In Oslo waren nachts zehn Prozent bei Tempo 30 mindestens 40 km/h flott, in Kopenhagen und Zürich je acht Prozent. Vormittags waren ein bzw. drei Prozent schneller als erlaubt, in Oslo immerhin fünf Prozent.

Nur 30er-Tafel bringt nichts

Warum sich gerade in Dresden, Halle und Kiel besonders viele nicht an die Limiten halten? Laut «Spiegel» sind ein wichtiger Faktor die Strassen selbst: Auf geraden und breiten Strassen würde fast automatisch zu schnell gefahren – einfach ein Tempo-30-Schild nütze nichts, wird Unfallforscher Siegfried Brockmann zitiert. Es müsse sich optisch erschliessen, etwa durch Hindernisse, Kurven, Verengungen.

Brockmann sagt aber auch, soziale Normen unterschieden sich je nach Region. In manchen Umgebungen sei die Toleranz für zu schnelles Fahren grösser – gerade wenn Verkehrskontrollen seltener seien. Und der Verkehrspsychologe Jens Schade geht im «Spiegel» davon aus, dass sich Autofahrende automatisch an die in einer Stadt üblichen Tempi anpassen. Auch bei der Geschwindigkeit wolle man homogen mit dem Gesamtsystem sein. Sprich: Fahren alle zu schnell, fährt man selbst zu schnell.

Deutsche Bussen sind tief

Zu guter Letzt beeinflussen laut Schade auch drohende Sanktionen die gefahrene Geschwindigkeit. Sei die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, sehr niedrig, so missachte man Regeln selbst bei hohen drohenden Bussen. In Deutschland aber sind die Strafen im Vergleich zudem äusserst tief. Ein Beispiel: In Deutschland kostet es nur je 30 Euro, wird man innerorts mit 5 oder 10 km/h zu viel geblitzt. In der Schweiz liegt die Busse umgerechnet bei 39 bzw. 116 Euro (40 bzw. 120 Fr.). Happig wird es in Skandinavien: In Norwegen kosten 5 km/h zu viel innerorts 85, in Dänemark 161 Euro. 10 km/h? 225 bzw. sage und schreibe 471 Euro!

Bei 20 km/h zu viel werden in Deutschland nur 70 Euro fällig. In der Schweiz kostet das je nach Auslegung und Gefährdung mindestens 386 Euro (400 Fr.) – also über das Fünffache. In Norwegen und Dänemark wird dies gar mit 584 bzw. 632 Euro sanktioniert – also das Acht- bzw. Neunfache der deutschen Busse.

Mehr Tempo, mehr Bremsweg

Dass eine angepasste Geschwindigkeit gerade innerorts die Sicherheit auf den Strassen dramatisch erhöht, zeigen die Anhaltewege (Reaktions- plus Bremsweg bei einer Vollbremsung): Bei 30 km/h gehen Experten von 13,5 Metern aus, bei 50 km/h ist der Weg mit 27,5 Metern mehr als doppelt so lang, bei 60 km/h verlängert sich der Weg mit 36 Metern sogar fast aufs Dreifache. Flächendeckendes Tempo 30 innerorts, wie in Europa und der Schweiz immer öfter eingeführt, macht laut den Experten sicherheitstechnisch Sinn – falls sich Lenkende auch daran halten.


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