Selbstfahrende Autos nicht vor 2030
Schiffbruch fürs autonome Fahren

Bis vor kurzem überboten sich die Autohersteller gegenseitig mit ihren Ankündigungen zum autonomen Fahren. Mittlerweile ist Ernüchterung eingekehrt: Grössere Entwicklungsschritte bleiben aus. Automatisiertes Fahren setzt sich deshalb kaum vor 2030 durch.
Publiziert: 17.05.2020 um 19:25 Uhr
|
Aktualisiert: 23.11.2020 um 17:04 Uhr
Stefan Grundhoff und Raoul Schwinnen

Vor allem Audi, Ford, Mercedes, Renault, Volvo und natürlich Tesla lieferten sich zuletzt ein Kopf-an-Kopf-Rennen bei ihrem Versprechen, ihre autonom fahrenden Mobile unfallfrei durch den Alltagsverkehr zu lotsen. Geschürt wurden die Erwartungen auf bald selbstfahrende Autos bei uns zudem durch die vielen Zulieferer und Start-ups, die mit immer neuen Testreihen als Innovationstreiber galten.

So entstand der Eindruck, dass etwa in Kalifornien (USA) schon viele Autos ohne Zutun des Fahrers unterwegs sind – gestützt mit Bildern auf Social Media, auf denen Tesla-Fahrer auf US-Highways ein Nickerchen machen oder ihre Fahrt zur Arbeit mit dem Anschauen eines Filmchens verkürzen. Bei vielen keimte deshalb die Hoffnung, dass man beim Kauf eines neuen Autos schon in zwei, drei Jahren nicht mehr bei jeder Fahrt zum Steuer greifen müsse.

Die Technik wäre vorhanden ...

Obwohl die Industrie seit vielen Jahren mit Hochdruck am automatisierten Fahren arbeitet und zahlreiche Testfahrzeuge mit Assistenzsystemen auf die Strassen brachte, werden wir in den nächsten Jahren nicht viel mehr als intelligente Autobahnassistenten erhalten. So ist zum Beispiel der aktuelle Audi A8 aufs hoch automatisierte Fahren der Stufe 3 vorbereitet. Doch obwohl zwei Jahre auf dem Markt, wurde das System bisher nicht freigeschaltet. Und wird für diese Modellgeneration wohl auch nicht mehr.

Bis vor kurzem überboten sich die Autohersteller mit ihren Versprechen zum autonomen Fahren. So lässt Audi schon seit Jahren autonom fahrende Versuchsträger über die Autobahn ...
Foto: zVg
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Die 5 Level der Automation

Experten sprechen nicht vom autonomen, sondern vom automatisierten Fahren. Denn erst die höchste Stufe (Level 5) der Automatisierung ist im Wortsinne autonom. Heutige Systeme können maximal Level 2. Tesla nennt sein teilautomatisiertes System «Autopilot», sonst ist meist die Rede vom automatisierten, assistierten oder pilotierten Fahren (z.B. «Drive Pilot», «Autobahnpilot»). Fachleute definieren in der Regel folgende Stufen:

Level 0
Nicht automatisiert: Nur der Fahrer fährt. Die Systeme warnen ihn (z.B. Warnton beim Verlassen der Spur), greifen aber nie selbst ein.

Level 1
Assistiert: Der Fahrer fährt zwar, aber Einzelsysteme (z.B. Radartempomat, Spurhalte-Lenkhilfe) unterstützen ihn dabei.

Level 2
Teilautomatisiert: Das Auto fährt in bestimmten Situationen (z.B. Autobahn bei gutem Wetter) selbst. Seit 2013. Fahrer muss System überwachen, um jederzeit übernehmen zu können.

Level 3
Bedingt automatisiert: Das Auto fährt in bestimmten Situationen (z.B. Autobahn bis zu gewissem Tempo) selbst. Der Fahrer muss das System nicht überwachen, aber nach Vorwarnung eingreifen können.

Level 4
Hoch automatisiert: Das Auto fährt komplette Teilstrecken (z.B. Autobahn) vollständig situationsunabhängig selbst, andere (z.B. Stadt) der Fahrer.

Level 5
Voll automatisiert: Das Auto kann autonom ganz ohne Fahrer und auch ohne Mensch an Bord selbst fahren.

Experten sprechen nicht vom autonomen, sondern vom automatisierten Fahren. Denn erst die höchste Stufe (Level 5) der Automatisierung ist im Wortsinne autonom. Heutige Systeme können maximal Level 2. Tesla nennt sein teilautomatisiertes System «Autopilot», sonst ist meist die Rede vom automatisierten, assistierten oder pilotierten Fahren (z.B. «Drive Pilot», «Autobahnpilot»). Fachleute definieren in der Regel folgende Stufen:

Level 0
Nicht automatisiert: Nur der Fahrer fährt. Die Systeme warnen ihn (z.B. Warnton beim Verlassen der Spur), greifen aber nie selbst ein.

Level 1
Assistiert: Der Fahrer fährt zwar, aber Einzelsysteme (z.B. Radartempomat, Spurhalte-Lenkhilfe) unterstützen ihn dabei.

Level 2
Teilautomatisiert: Das Auto fährt in bestimmten Situationen (z.B. Autobahn bei gutem Wetter) selbst. Seit 2013. Fahrer muss System überwachen, um jederzeit übernehmen zu können.

Level 3
Bedingt automatisiert: Das Auto fährt in bestimmten Situationen (z.B. Autobahn bis zu gewissem Tempo) selbst. Der Fahrer muss das System nicht überwachen, aber nach Vorwarnung eingreifen können.

Level 4
Hoch automatisiert: Das Auto fährt komplette Teilstrecken (z.B. Autobahn) vollständig situationsunabhängig selbst, andere (z.B. Stadt) der Fahrer.

Level 5
Voll automatisiert: Das Auto kann autonom ganz ohne Fahrer und auch ohne Mensch an Bord selbst fahren.

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... ist aber noch zu teuer

Die Gründe liegen nicht nur in der unklaren Rechtslage, speziell in Europa. Sondern auch darin, dass Sensoren und Rechenleistung der Bordelektronik die harten Anforderungen des automobilen Alltags (noch) nicht erfüllen und zudem schlicht noch zu teuer sind. So erstaunt es nicht, dass Experten wie der scheidende BMW-Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich oder Elmar Degenhardt, CEO von Zulieferer Continental, auf die Euphoriebremse drücken und den Durchbruch jetzt erst für nach 2030 prognostizieren. Andere Kollegen zweifeln gar, ob das vollautonome Fahren der Stufe 5 überhaupt je umgesetzt werden wird.

Jetzt kommt 5G-Technik ...

Im September feiert die neue Mercedes S-Klasse Weltpremiere – und man darf gespannt sein, was das Luxusmodell bieten wird. Man munkelt, es solle ab Werk mit Fahrer-Assistenzstufe 3 ausgestattet sein. Und in einigen Bereichen – wie etwa Parkhäusern – solle gar Stufe 4 möglich sein. Das heisst: Per Knopfdruck auf Smartphone oder Fahrzeugschlüssel fährt die neue S-Klasse vor oder parkt ein, ganz ohne Zutun des Fahrers. Möglich wird dies durch neue Kameras, intelligente Sensoren und vor allem durch den Datenturbo 5G, der dann erstmals in einem Serienmodell verbaut sein wird.

In den nächsten zwei Jahren dürfte 5G in den meisten neuen Fahrzeugen zum Standard werden. Das gilt nicht nur für die kommenden BMW-E-Modelle i4 und i5, sondern auch für die ID-Familie von VW, die E-Tron-Modelle von Audi oder die neuen Porsche-Sportler, die alle ab 2021 auf den Markt kommen. Besonders schnell dürfte die 5G-Technik, die eine Datenübertragung und damit Sicherheitsfunktionen fast in Echtzeit ermöglicht, bei Fahrzeugen in Asien und in den USA implementiert werden. Einige kleinere Hersteller aus China werben bereits damit, dass ihre Fahrzeuge aktuell mit 5G-Technik unterwegs sind.

... aber noch kein 5G-Netz

Das Problem sind aber nicht nur teure Bordeinheiten für die 5G-Antennentechnik, sondern dass das 5G-Netz durch die kleinen Funkwaben oft nur regional funktioniert. Wer auf unseren Strassen selbst in Innenstädten oder auf Autobahnen nicht überall 3G oder 4G im Display sieht, kann nur darüber schmunzeln, dass das fürs hoch automatisierte Fahren benötigte 5G-Netz in den nächsten Jahren schon flächendeckend verfügbar sein soll. Auch deshalb dürfte es noch eine ganze Weile dauern, ehe wir im Auto auf dem Weg zur Arbeit die Hände in den Schoss legen können – ausser, wir gönnen uns einen Chauffeur.

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