Zu teuer, zu umständlich, zu hohes Risiko
Autovermieter drücken bei E-Autos auf die Bremse

Auch wenn die Anzahl Elektroautos global stark zunimmt, herrscht beim Umstieg auf Strom bei den Autovermietern grosse Skepsis. Schuld sind die hohen Kosten, vor allem bei den Modellen von Tesla. Trotzdem wird die Zukunft wohl elektrisch – nur langsamer.
Publiziert: 17.12.2023 um 05:00 Uhr
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Aktualisiert: 17.12.2023 um 08:35 Uhr
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Andreas EngelRedaktor Auto & Mobilität

Die Zulassungszahlen für Elektroautos schnellen in die Höhe. Auf dem grössten Automarkt der Welt in China stiegen die Auslieferungen laut Branchenverband PCA im November um knapp 40 Prozent auf 841'000 E- und Plug-in-Fahrzeuge im Vergleich zum Vorjahr. In der EU ist der Anteil neu zugelassener E-Autos im August 2023 erstmals auf über 20 Prozent gestiegen – von den rund 788'000 Neuwagen wurden mehr als 165'000 Stromer ausgeliefert. In der Schweiz liegt der Anteil von Elektrofahrzeugen aktuell sogar bei fast 30 Prozent – 20 Prozent davon waren reine Stromer, der Rest Plug-in-Hybride. Von den 79,4 Millionen produzierten Neuwagen 2022 waren 7,2 Millionen Elektroautos – ein Anteil von fast zehn Prozent.

Trotzdem ist nicht alles Gold, was elektrisch glänzt: Laut einem aktuellen Bericht des deutschen Fachblatts «Automobilwoche» wird die Autovermieterbranche bei Stromern zunehmend skeptischer. Gemäss Insidern seien die Stromer immer noch zu teuer, die Handhabung (Stichwort Laden) zu umständlich und das Risiko für die Vermieter schlicht zu hoch. Auch die Mieter verschmähten die Stromer meist noch: «Es gibt aufseiten unserer Mietkunden keine spezielle Nachfrage nach Elektroautos – eher im Gegenteil», sagt Jens Erik Hilgerloh, Präsident des deutschen Autovermieterverbands (BAV) und Chef der Starcar-Gruppe, einer der führenden Autovermieter Deutschlands.

Tesla als Party-Crasher

Die im Verband organisierten mittelständischen Vermieter sind laut Hilgerloh ohnehin schon immer eher zurückhaltend bei E-Autos gewesen. Doch jetzt werde die Kritik gemäss Automobilwoche auch bei internationalen Autovermietern lauter. Einen grossen Anteil an der Misere hat US-E-Pionier Tesla und sein exzentrischer Boss Elon Musk (52): So schloss Branchengigant Hertz vor zwei Jahren einen Mega-Deal über 100'000 Elektrofahrzeuge mit Tesla ab, was international als Signal zum Durchbruch der E-Mobilität gefeiert wurde.

Elektroautos sind im Kommen: Von den 79,4 Millionen produzierten Neuwagen 2022 waren 7,2 Millionen reine Stromer oder Plug-in-Hybride – ein Anteil von fast zehn Prozent.
Foto: Mercedes-Benz AG
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Doch nach Feiern ist den Vermietern heute nicht mehr zumute. Die mehrmaligen abrupten Preissenkungen von Model 3 und Y schlagen sich unmittelbar auf die Restwerte der Stromer nieder. Und diese sind ein entscheidender Faktor bei der Kalkulation der Vermieter: Wenn die Preise der Neuwagen sinken, sinkt gleichzeitig der Restwert der bereits eingelösten Fahrzeuge. Das Risiko der Vermieter, am Ende sogar draufzahlen zu müssen, wächst damit erheblich. «Die Hersteller wollen uns die Elektroautos verkaufen, damit müssen wir das Risiko des Restwerts tragen», führt Jens Erik Hilgerloh aus. Das Problem: Die Nachfrage nach gebrauchten Elektroautos sei aktuell praktisch nicht vorhanden – und sinke mit den günstiger angebotenen Neu-Teslas abermals. Gerade für kleinere Vermieter ein ernstes Problem.

Kosten bei Stromern zu hoch

Erste Autovermieter ziehen jetzt die Reissleine. Ende November hat der Münchner Vermietriese Sixt bekannt gegeben, künftig erst einmal keine Teslas mehr in seiner Flotte anbieten zu wollen. «Die sich aktuell in unserer Flotte befindlichen Teslas werden nach ihrem Laufzeitende verkauft, sodass sich deren Anzahl sukzessive reduzieren wird», so ein Sixt-Unternehmenssprecher. Auch in der Schweiz sollen die Tesla-Modelle aus der Angebotspalette fallen, wie Sixt auf Anfrage bestätigt.

Doch nicht nur die hohen Anschaffungskosten und die tiefen Restwerte am Ende der Nutzungszeit werden von Sixt als Gründe für die Abkehr von Tesla angeführt, sondern auch die hohen Reparaturkosten. Zwar gelten E-Autos aufgrund der viel geringeren Anzahl von Verschleissteilen als weniger störanfällig als Verbrenner und auch günstiger im Service. Doch wie eine aktuelle Studie des deutschen Gesamtverbands der Versicherer GDV zeigt, sind die Reparaturkosten bei einem Stromer rund 30 bis 35 Prozent höher als bei einem vergleichbaren Verbrenner.

Probleme mit den Ladesäulen

Bei Tesla dürften diese Kosten noch deutlich höher liegen. Grund: Vor drei Jahren änderte der E-Autobauer die Konstruktion seiner beiden Bestseller radikal. Beim Model 3 besteht das Heck seitdem aus zwei komplexen Guss- statt zuvor 70 Einzelteilen. Das Heck des Model Y besteht sogar nur noch aus einem einzigen Gussteil. Das spart zwar Montagezeit, Kosten für Gussformen und Werkzeuge sowie Verbindungsteile. Doch die Nachteile der Konstruktion liegen auf der Hand: Bei einem Unfall muss das komplette Heck statt nur einzelne Blechteile ersetzt werden – die Kosten steigen um ein Vielfaches.

Ein weiteres Problem, warum Autovermieter der E-Mobilität weiterhin skeptisch gegenüberstehen, ist laut Starcar-Chef Hilgerloh der Aufbau einer ausreichenden Infrastruktur: «Wenn an einer Vermietstation mit 200 Fahrzeugen jedes zweite ein Elektroauto ist, dann brauche ich mindestens zehn Ladesäulen.» Da winke jeder öffentliche Stromversorger ab.

E-Autos kommen trotzdem

Ist die E-Mobilität bei den Autovermietern aufgrund der grossen Herausforderungen mittelfristig gestorben? Keinesfalls, wie Sixt sagt. Bis 2030 sollen die Flotten zu 70 bis 90 Prozent aus Elektrofahrzeugen bestehen, so ein Unternehmenssprecher. Zuletzt schloss Sixt mit dem chinesischen Autoriesen BYD einen Vertrag über 100'000 Stromer ab. Aktuell sei schon jedes fünfte Auto im Sixt-Fuhrpark elektrifiziert, also batterieelektrisch, als Hybrid oder Plug-in-Hybrid unterwegs.

In der Hertz-Flotte haben E-Autos aktuell einen Anteil von etwa elf Prozent – 80 Prozent davon Teslas. Ursprünglich hatte man beim weltweit grössten Autovermieter das Ziel, den Anteil von Stromern in der Flotte bis Ende 2024 auf ein Viertel zu erhöhen. «Aber das ist nicht in Stein gemeisselt», krebste CEO Stephen Scherr (57) kürzlich zurück. Man wolle nun mehr günstigere E-Fahrzeuge von anderen Herstellern wie GM kaufen, bei denen Hertz auch mit geringeren Reparaturkosten rechne. Die Teslas aus der Flotte zu verbannen, wie es Konkurrent Sixt anstrebt, ist bei Hertz aber kein Thema: Auch bei Tesla werde man von den niedrigeren Einkaufspreisen profitieren. Und selbst Sixt könne sich laut «Automobilwoche» vorstellen, in Zukunft wieder Teslas im Angebot zu führen, wenn die Kosten der Fahrzeuge wieder in die Preisstruktur des Unternehmens passen.

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