Zukunfts-Akkus für Elektroautos im Experten-Check
Was taugen die Wunder-Batterien?

Elektromobilität giert nach Reichweite und schnellem Laden. Der Batterieexperte und Uni-Professor Maximilian Fichtner beurteilt die Zukunftschancen der vier aussichtsreichsten Akku-Technologien.
Publiziert: 01.03.2022 um 13:34 Uhr
Wolfgang Gomoll und Timothy Pfannkuchen

Kaum eine Woche vergeht ohne Batterie-Sensationsmeldungen. Bald seien 1000 Kilometer Reichweite (wie beim Mercedes Vision EQXX) möglich. Bald könne man in fünf Minuten auf 80 Prozent laden (wie hier beim Piëch GT). Die einzige Crux: Kaum zu beurteilen, welche «Wunder-Batterie» wirklich eine Zukunft hat – und wann.

Denn es gibt kaum eine komplexere Anwendung für Akkus als Autos. Im Labor in kleiner Serie mag ein neuer Technik-Ansatz funktionieren. Aber millionenfach vom Fliessband zu rollen, trotz Hitze und Kälte nie zu versagen und nach Jahren noch gut in Schuss zu sein, ist ganz was anderes – zumal es nicht viel kosten darf.

Vier Batterien mit Zukunft

Als heisseste Batterie-Eisen im Reichweiten-Feuer gelten bei Experten derzeit vier Konzepte: der Ein-Millionen-Meilen-Akku des Tesla-Forschers Jeff Dahn (64), Sald-Batterien, der Natrium-Ionen-Akku und Feststoffbatterien. Wir befragen einen der renommiertesten Akku-Experten der Welt: Maximilian Fichtner (60) ist Professor für Festkörperchemie an der Uni Ulm (D) und Direktor des Helmholtz-Instituts Ulm für Elektrochemische Energiespeicherung. «Aus meiner Sicht sind das keine Wunder-Akkus, sondern Entwicklungen, die technischen Fortschritt versprechen», stellt Fichtner dazu klar.

Batterien sind das Herzstück aller E-Autos. Für die Zukunft sehen Experten vier Technologien als besonders aussichtsreich an: neben Feststoffbatterien die Sald-Akkus und Akkus von Tesla und CATL.
Foto: Audi
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Die neue Batteriezelle des Tesla-Forschers Jeff Dahn hat als Ziel über 1,6 Millionen Kilometer, ohne gross Power zu verlieren. Im Oktober 2020 wurde eine neue Zelle vorgestellt, die 10'000 Ladezyklen verkraften soll, was bei einem E-Auto mit 350 Kilometer Reichweite drei Millionen Kilometern entspräche. Zum Vergleich: Aktuelle E-Autos schaffen nach 1500 bis 2500 Zyklen noch 70 bis 80 Prozent Kapazität. Vorteil dieser Marathon-Akkus: Sie wären als vernetzte Energiespeicher perfekt.

«Jeff Dahns bisherige Entwicklungen gingen in die Richtung, die Pulverpartikel des Speichermaterials als perfekte Kristallpartikel herzustellen, welche weniger durch den Elektrolyt angegriffen werden können», erläutert Fichtner. «Dadurch halten sie bedeutend länger.» Zusätzlich sei Dahns dabei, durch gezielte kleine Veränderungen in der Zusammensetzung weiter zu stabilisieren. «Das halte ich für durchaus machbar. Die bisherigen Materialien von Tesla zeigen ja auch, dass das prinzipiell geht.»

Der Weg zur Feststoffbatterie

Neu ist auch Sald (kurz für Spatial Atom Layer Deposition). Hier geht es nicht um einen neuen Akku, sondern Verbesserung der Komponenten – also Weiterentwicklung der Lithium-Ionen-Akkus, bei der die Zellen mit einer ultradünnen Atombeschichtung ummantelt werden, die den Ionen-Fluss deutlich erleichtert. Hier sollen die 1000 Kilometer möglich sein. Fichtner ist skeptisch: «Ich halte das für eine technische Lösung, die möglicherweise sinnvoll für Kleinstbatterien ist, da es dort nicht so auf die Kosten ankommt. Im Autobereich kann ich mir so Batterien nicht vorstellen.»

Zumal die Feststoffbatterie ähnliche Vorteile bietet. Dass sie kommt, gilt als sicher. Weil die Ladung nicht durch flüssiges, sondern festen Elektrolyt transportiert wird, sind Feststoffbatterien leichter und für 30 bis 40 Prozent mehr Reichweite gut. In bisherigen Lithium-Ionen-Batterien bilden sich Metallnadeln auf dem Lithium, was im Kurzschluss enden kann. In der Festkörperbatterie ersetzt Keramik den Elektrolyt.

Keramik ist unbrennbar, leitet aber Lithium-Ionen und bildet eine Barriere für die erwähnten Metallnadeln. Nur: «Die Schwierigkeit ist, das so zu fertigen, dass es über lange Zeit stabil ist und die vielen kleinen Kontaktflächen beim Be- und Entladen nicht abreissen», so Fichtner. BMW, Mercedes oder Volkswagen investieren Milliarden. Nio hat für seinen 2022er ET7 für 2024 eine Feststoffbatterie in petto, BMW will Ende des Jahrzehnts in Autos loslegen, Mercedes erst in Nutzfahrzeugen.

Hat Natrium-Ionen Zukunft?

Bleibt als vierter der ernsthaften Zukunftskandidaten CATL (Contemporary Amperex Technology) aus China mit der Natrium-Ionen-Batterie, angekündigt für 2023. Die Vorteile der Akkus ohne Lithium, Nickel und Kobalt sind neben den Kosten und der Nachhaltigkeit die thermische Stabilität bei Minusgraden und das schnellere Laden. Für Fichtner sind sie eine der «aufregendsten Neuentwicklungen» zurzeit. Sie böten die Perspektive leistungsfähiger Batterien mit nachhaltiger Materialbasis: «Das System wird eine grosse Zukunft haben, und es kann eine grosse Entlastung bringen für die angespannte Rohstoffsituation im Li-Markt. Vor ein paar Jahren wurde das als Spielerei abgetan. Mittlerweile sind die Zellen marktreif.»

Auf der Minusseite steht noch die vergleichsweise geringe Energiedichte. Allerdings bewegt sich was: Laut Medienberichten hat CATL Anfang dieses Jahres ein Patent eingereicht, das die Energiedichte um 25 Prozent auf 200 Wh/kg erhöht. Mal zum Vergleich: Bei Topzellen des Volkswagen-Konzerns sind es aktuell knapp 300 Wh/kg.

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